Fatinga von Detlev von Liliencron

Fatinga ranzt. Ich lieg am Holzesrande,
gebannt von ihrer Glieder Bronzeguß.
Entlassen hab ich die Zigeunerbande,
das Mädchen blieb zurück, als wärs zum Pfande,
und wil sie will und weil sie bleiben muß.
Ein Pascha bin ich, bin ein reicher Grande,
im grünen Turban streif ich oft im Lande,
den biedern Heimatbrüdern zum Verdruß.
Fatinga tanzt.
 
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Die Schellentrommel blitzt im Sonnenbrande,
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der Pirol lockt im dichten Buchenstande,
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und über Kiesel schwatzt der Wiesenfluß.
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Und alles freut sich, lauscht dem süßen Tande,
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selbst über mir die kleine Haselnuß.
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Fatinga tanzt.
 
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Der Sommer ging, ich steh an alter Stelle;
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die kleine Haselnuß ist längst gepflückt,
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gestorben ist die muntre Wiesenwelle,
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entlaufen ist mein brauner Weggeselle,
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der meine Seele hier zuerst entzückt.
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Springfüßig floh nach Süden die Gazelle,
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eh sie der Winter zwang in Bärenfelle,
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und Eis die Nordlandwasser überbrückt.
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Der Sommer ging.
 
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Zu schmal war ihr die breite Marmorschwelle,
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der hohe Säulengang hat sie gedrückt,
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und eines Abends mit der Hindin Schnelle,
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als sie mit letzten Rosen sich geschmückt,
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ist sie entsprungen in die Dämmerhelle.
30 
Der Sommer ging.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Fatinga“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
176
Entstehungsjahr
1844 - 1909
Epoche
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Fatinga“ stammt von Detlev von Liliencron, einem bedeutenden Vertreter der deutschen Lyrik des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der vor allem für seine impressionistische Dichtkunst bekannt ist.

Beim ersten Lesen des Gedichts entsteht der Eindruck einer lebendigen, sinnlichen und farbenfrohen Landschaft, die durch die beobachtende und interagierende Perspektive des lyrischen Ichs nähergebracht wird. Es scheint um die Erinnerung an eine vergangene Zeit und eine weibliche Figur zu gehen, die sowohl eine Persönlichkeit als auch eine symbolische Darstellung der vergangenen sommerlichen Lebensfreude ist.

Inhaltlich handelt das Gedicht von der Begegnung des lyrischen Ichs mit Fatinga, einer exotischen Person, die es fasziniert. Sie repräsentiert die ungezähmte Schönheit und Freiheit, die das lyrische Ich in seine gesellschaftliche Realität bringt, die als bedrückend und konventionell dargestellt wird. Die Handlung erstreckt sich über eine Zeitspanne, in der die Begegnung, Beobachtung und schließlich der Verlust Fatingas und des Sommers gesehen wird. Dies hinterlässt einen herbstlichen, melankolischen Ton, der die Vergänglichkeit der Dinge unterstreicht.

Die formale Struktur des Gedichts besteht aus vier Strophen, die eine unregelmäßige Anzahl von Versen aufweisen. Es wird eine melodische, rhythmische Sprache verwendet, die durch zahlreiche Klangfiguren wie Assonanzen und Alliterationen bereichert ist. Zudem greift Liliencron auf ein reiches Repertoire an Naturbildern und exotischen Elementen zurück, um seine Eindrücke zu vermitteln. Die wiederholten Phrasen „Fatinga tanzt“ und „Der Sommer ging“ am Ende der Strophen wirken dabei wie Refrains und verdeutlichen den metaphorischen Vergleich zwischen Fatinga und der sich wandelnden Jahreszeit.

Die poetische Sprache von Liliencron vermittelt eine abwechselnde Atmosphäre der Lebensfreude und der Melancholie, die durch die Veränderung der Jahreszeiten und das Auf und Ab des Lebens symbolisiert wird. Die präzise und bildhafte Darstellung der Natur- und Alltagsdetails verstärkt die emotionale Wirkung und verleiht dem Gedicht Authentizität und Intensität.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Fatinga“ ist Detlev von Liliencron. Im Jahr 1844 wurde Liliencron in Kiel geboren. In der Zeit von 1860 bis 1909 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Naturalismus zu. Bei dem Schriftsteller Liliencron handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 176 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 30 Versen. Detlev von Liliencron ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Blitzzug“, „König Regnar Codbrog“ und „Die Musik kommt“. Zum Autor des Gedichtes „Fatinga“ haben wir auf abi-pur.de weitere 63 Gedichte veröffentlicht.

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