Empfindungen der Freundschaft von Johann Gottfried Herder

Du, um des ersten Othems, der Dich nannte,
Um jenes sanften Feuerblicks,
Der Dich mit Gottes Finger in mich brannte,
Um alles Freundschaftsglücks,
 
Das wir - doch fühltest Du's, wenn diese Thräne,
Der Seele Blut, sich drängte hin
Zum Freundesbusen? O dring, blut'ge Thräne,
Ans Menschenherz denn hin,
 
Durch Stein und Busen! Wie des Blutes Stimmen
10 
Zum Mörder rufen: Tod und Blut!
11 
So tödt ihn Du, daß, wenn in ihm verglimmen
12 
Die Träume wilder Wuth,
 
13 
Das Bild ersteh', da ich, mit ihm zerflossen,
14 
Ihn küßte, sprach, las und empfand,
15 
Empfand Dich, Gluth! - O, bist Du nicht verstoßen
16 
Ins Höllenmarterland
 
17 
Der Eskimos und rasender Oreste,
18 
So hör! und hörst Du nicht, gespießt
19 
Wie Eskimos und rasend als Oreste,
20 
Fluch' ich dann Deiner List,
 
21 
Reiß' aus mein Herz, Dir, Unding, falsch gepräget,
22 
Zertret' in seinem Blut Dein Bild
23 
Und jauchze Freundesrache! Doch - wie es schläget,
24 
Weil doch noch Freundschaft quillt!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Empfindungen der Freundschaft“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
150
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Empfindungen der Freundschaft“ ist von Johann Gottfried Herder, einem der bedeutendsten Dichter und Philosophen der deutschen Aufklärung und Weimarer Klassik, geschrieben worden. Herder lebte von 1744 bis 1803, daher lässt sich das Gedicht zeitlich wohl in die späte Aufklärung oder frühe Klassik einordnen.

Auf den ersten Blick erscheint das Gedicht als intensiver und emotionaler Ausdruck tiefer Freundschaft. Der Inhalt geht dabei über eine einfache Zuneigung hinaus und betont die tiefen emotionalen Verbindungen, die das lyrische Ich in seinem Freund sieht.

In der Anfangsstrophe bringt das lyrische Ich seine Dankbarkeit für die Freundschaft zum Ausdruck und spricht darüber, wie diese Freundschaft von Gott in sein Leben gebracht wurde. Die zweite Strophe spricht von den starken Emotionen, die diese Freundschaft in ihm auslöst, symbolisiert durch eine Träne, die „zum Freundesbusen“ drängt. Die dritte und vierte Strophe beinhalten harte Worte und Bilder, die auf Konflikte und Verlust in der Freundschaft hinweisen. Das lyrische Ich droht sogar mit Rache. Mit dem Bild von „Eskimos“ und „rasendem Oreste“ könnte Herder auf harsche oder gar gewalttätige Aspekte in der Freundschaft oder deren Verlust hinweisen.

Die Form des Gedichts folgt einem klassischen Strophenschema mit je vier Versen pro Strophe. Herders Sprache ist emotional und voller bildhafter Metaphern und Vergleiche, die dem Gedicht eine tiefe Emotionalität und Intensität verleihen.

Im Gesamten könnte man sagen, dass Herder in diesem Gedicht versucht, die komplexe und manchmal schmerzliche Natur von tiefen Freundschaften auszudrücken. Er betont dabei sowohl die tiefe emotionale Bindung und Freude, die eine solche Freundschaft mit sich bringt, als auch die potenzielle Gefahr und den Schmerz, der damit einhergeht.

‍‍

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Empfindungen der Freundschaft“ des Autors Johann Gottfried Herder. Herder wurde im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Zwischen den Jahren 1760 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zu. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Literaturepoche, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Protest- und Jugendbewegung gegen die aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung. Bei den Vertretern der Epoche des Sturm und Drang handelte es sich vorwiegend um Schriftsteller jüngeren Alters. Die Autoren versuchten in den Dichtungen eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die traditionellen Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit dem Hinwenden Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Die Weimarer Klassik war beeinflusst worden durch die Französische Revolution mit ihren Forderungen nach Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. Der Kampf um eine Verfassung, die revolutionäre Diktatur unter Robespierre und der darauffolgende Bonapartismus führten zu den Grundstrukturen des 19. Jahrhundert (Nationalismus, Liberalismus und Imperialismus). Die Literaturepoche der Weimarer Klassik lässt sich zeitlich mit der Italienreise Goethes im Jahr 1786 und mit dem Tod Goethes 1832 eingrenzen. Wie der Name bereits verrät, liegen das literarische Zentrum und der Ausgangspunkt der Weimarer Klassik, die auch kurz Klassik genannt wird, in Weimar. Teilweise wird auch Jena als ein weiteres Zentrum der Literaturepoche angesehen. In Anlehnung an das antike Kunstideal wurde in der Weimarer Klassik nach Vollkommenheit, Harmonie, Humanität und der Übereinstimmung von Inhalt und Form gesucht. Typisch ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Vernunft und Gefühl. Die Autoren haben in der Klassik auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. Goethe, Schiller, Herder und Wieland können als die Hauptvertreter der Weimarer Klassik betrachtet werden. Aber nur Goethe und Schiller motivierten und inspirierten einander durch enge Zusammenarbeit und gegenseitige Kritik.

Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 150 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „An die Freundschaft“, „Apollo“ und „Bilder und Träume“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Empfindungen der Freundschaft“ weitere 413 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Johann Gottfried Herder

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Johann Gottfried Herder und seinem Gedicht „Empfindungen der Freundschaft“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder (Infos zum Autor)

Zum Autor Johann Gottfried Herder sind auf abi-pur.de 413 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.