Ein Fragment von Johann Gottfried Herder

Stirb, Phlegma! Du, mein Lied, sei Feuer!
Mich singt es und mein Glück!
Schon horchen Mäuse! zaubre, Leyer!
Dem Orpheus piepen sie zurück.
Ich Gymnosoph, wie viel kann ich entbehren!
Pracht, Winter, Regen, seht!
Euch trotzt mein Kleid und ird'schen Ehren,
Und reich bin ich wie ein Poet
Und akademisch frei! Nur meinem Magen
10 
Dien', denk' und bin ich - sonst recht frei!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.7 KB)

Details zum Gedicht „Ein Fragment“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
10
Anzahl Wörter
63
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Ein Fragment“ stammt aus der Feder von Johann Gottfried Herder, einem der bedeutendsten Dichter der deutschen Aufklärungs-und Sturm-und-Drang-Periode. Herder wurde 1744 geboren und starb 1803, dieses Werk ist also in die Zeit der späten Aufklärung und der beginnenden Romantik einzuordnen.

Schon beim ersten Lesen wird ein gewisser kämpferischer, rebellischer Ton vernehmbar, der Lust auf ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Individualität aufkommen lässt. Das lyrische Ich scheint den Wunsch zu haben, etwas zu erschaffen, etwas zu sein und dem eigenen Schicksal zu trotzen.

Der Inhalt des Gedichts erstreckt sich über die Leidenschaft für das Lied („mein Lied, sei Feuer“) und den Ausdruck des eigenen Glücks, was das lyrische Ich durch sein Lied erreichen möchte. Herder spielt hier auf die mythische Figur des Orpheus an, der mit seinem Gesang sogar Tiere verzaubern konnte („Dem Orpheus piepen sie zurück“). Dem gegenüber steht eine Art selbstgewählte Askese („Ich Gymnosoph, wie viel kann ich entbehren!“) und die Betonung der Unabhängigkeit und Freiheit („Und reich bin ich wie ein Poet/Und akademisch frei“). Es schwingt eine gewisse Kritik an weltlichen Ehren und materiellem Reichtum mit, der wahre Reichtum scheint für das lyrische Ich in der eigenen Kreativität und Freiheit zu liegen. Nur gegenüber dem eigenen Körper zeigt das lyrische Ich Dienstbarkeit an („Dien', denk' und bin ich - sonst recht frei“).

Formal besteht das Gedicht aus zehn Versen, die in einer Strophe angeordnet sind. Diese Besonderheit könnte sich auf den fragmentarischen Zustand des Gedichts beziehen. Der Sprachstil Herders ist bildgewaltig und verwendet Elemente wie Anspielungen auf die griechische Mythologie, was typisch für die Dichtung der Aufklärung und des Sturm und Drang ist. Somit kann man sagen, dass Herder mit „Ein Fragment“ einen kraftvollen Appell an die Kraft der Poesie und die Freiheit des Geistes formuliert.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Ein Fragment“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Gottfried Herder. Herder wurde im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1760 bis 1803 entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Zwischen den Literaturepochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren von 1765 bis 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Jugend- und Protestbewegung gegen die aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung. Bei den Vertretern der Epoche des Sturm und Drang handelte es sich vorwiegend um Schriftsteller jüngeren Alters. Die Schriftsteller versuchten in den Dichtungen eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die traditionellen Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Mit seinen beiden bedeutenden Vertretern Goethe und Schiller entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Auf zeitlicher Ebene lässt sich die Weimarer Klassik mit Goethes Italienreise 1786 und mit Goethes Tod im Jahr 1832 eingrenzen. Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert beeinflusst. Die Aufklärung und die gefühlsbetonte Strömung Sturm und Drang. Die Weimarer Klassik ist eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Das Zentrum dieser Literaturepoche lag in Weimar. Es sind sowohl die Bezeichnungen Klassik als auch Weimarer Klassik gebräuchlich. Die Klassik orientiert sich an traditionellen Vorbildern aus der Antike. Sie strebt nach Harmonie ganz im Gegensatz zur Epoche der Aufklärung und des Sturm und Drangs. In der Lyrik haben die Dichter auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. Beispielsweise war so die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders populär. Darüber hinaus verwendeten die Dichter eine gehobene, pathetische Sprache. Goethe, Schiller, Wieland und Herder können als die Hauptvertreter der Klassik betrachtet werden. Aber nur Goethe und Schiller inspirierten und motivierten einander durch eine intensive Zusammenarbeit und gegenseitige Kritik.

Das 63 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 10 Versen mit nur einer Strophe. Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Bilder und Träume“, „Das Flüchtigste“ und „Das Gesetz der Welten im Menschen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Ein Fragment“ weitere 413 Gedichte vor.

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