An K- -s Erstgebornen von Johann Gottfried Herder

Wer Du auch seist, Du kleiner Ungeborner,
So wachs' und blühe in der Eltern Brust
Und hüpfe, wie Johannes, vor Lust;
Denn Du bist R- -'s Erstgeborner.
 
Des Vaters Geist, der Mutter Tugendblicke,
Sie liegen schon im reichen Keim in Dir.
O bitte, Welt, um ihn mit mir,
Daß Gott ihn, Dir zum Heil, beglücke!
 
Stimm, R- -, zum Geburtsfest Orpheus' Saiten!
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Ich seh', Dein Kind drängt weinend sich ans Licht;
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Du spielst, es hört und weinet nicht;
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Die Mutter fühlt nicht Schmerz, nur Zärtlichkeiten.
 
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Ich seh's, es lallt selbst zum Klavier, zu spielen,
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So wie des Helden Kind mit Waffen spielt,
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Und zärtlich, wie die Mutter fühlt,
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Lehrt sie sein Herz die Tugend fühlen.
 
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O Lust, sein Kind ans Herz zu drücken,
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Von süßen Regungen sanft beseelt!
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Welch Glück, als wären sie gewählt,
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Der Eltern beste zu erblicken!
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „An K- -s Erstgebornen“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
139
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An K-'s Erstgebornen“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, einem deutschen Dichter und Philosophen, der während der Epoche der Aufklärung und den Anfängen der Romantik (Ende des 18. Jahrhunderts) tätig war.

Das Gedicht hinterlässt beim ersten Lesen einen liebevollen und hoffnungsvollen Eindruck. Es adressiert ein ungeborenes Kind und formuliert Wünsche sowie Vorstellungen, die der Autor für dieses Kind hat.

Inhaltlich drückt das lyrische Ich seine Vorfreude und Ideale für das erwähnte Ungeborene aus. Es appeliert an das Kind, in der Liebe und Aufregung seiner Eltern zu gedeihen, sich ihrer Werte zu bedienen und einzigartige Freude zu bringen, vergleichbar mit Johannes, einer biblischen Figur, die vor Freude im Mutterleib hüpfte. Die zukünftige Bedeutung des Kindes für die Welt wird betont, indem die Welt aufgerufen wird, für das Glück des Kindes zu beten. Das lyrische Ich stellt sich eine harmonische Geburt vor, bei der die musikalische Darbietung des Vaters das Neugeborene tröstet. Es stellt sich vor, wie das Kind intuitiv Klavier spielt und von der Mutter Werte vermittelt bekommt. Schließlich erinnert es an die Freude und das Privileg, das Beste der Eltern im eigenen Kind sehen zu können.

Sprachlich ist das Gedicht in einem sehr liebevollen, fast gehobenen Ton gehalten. Es verwendet personifizierte Metaphern (Beispiel: „Vaters Geist, Mutter Tugendblick“) und biblische Anspielungen (Johannes). Die Sprachbilder verbinden das Konkrete (Geburt, Klavierspiel) mit dem Abstrakten (Glück, Werte), was einen emotionalen und idealistischen Eindruck verstärkt.

Formal besteht das Gedicht aus fünf Vier-Zeilen-Strophen mit scheinbar freiem Versmaß, was es weniger formell und flexibler in seinem Ausdruck macht. Es folgt kein striktes Reimschema, doch einige Endreime sind erkennbar (zum Beispiel „Ungeborner“ mit „Erstgeborner“ oder „beseelt“ mit „gewählt“).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Herders „An K-'s Erstgebornen“ ein Idealbild der Elternschaft und der Geburt des ersten Kindes zeichnet, dabei hohe Erwartungen und Hoffnungen zum Ausdruck bringt und stark auf Emotionen und liebevolle Bilder setzt. Es ist ein Beispiel für die damalige Wertvorstellung der Aufklärung und den beginnenden Fokus auf das Individuum und seine Entwicklung in der Romantik.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An K- -s Erstgebornen“ des Autors Johann Gottfried Herder. Im Jahr 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1760 und 1803. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird der Sturm und Drang auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. Die Literaturepoche des Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich darüber hinaus auch gegen das Bürgertum, das als freudlos und eng galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest der Epoche des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Die Schriftsteller des Sturm und Drang waren zumeist junge Autoren, häufig unter 30 Jahre alt. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde insbesondere darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Prägend für die Literatur der Weimarer Klassik war die Französische Revolution. Menschen setzten sich dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Der Beginn der Weimarer Klassik ist im Jahr 1786 auszumachen. Die Epoche der Klassik endete im Jahr 1832 mit dem Tod Johann Wolfgang von Goethes. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind häufig verwendete Bezeichnungen für die Literaturepoche. In Anlehnung an das antike Kunstideal wurde in der Klassik nach Harmonie, Vollkommenheit, Humanität und der Übereinstimmung von Inhalt und Form gesucht. In der Klassik wird eine sehr geordnete, einheitliche Sprache verwendet. Kurze, allgemeingültige Aussagen sind häufig in Werken der Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, setzte man großen Wert auf formale Ordnung und Stabilität. Metrische Ausnahmen befinden sich häufig an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Die wichtigsten Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. Weitere Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Die beiden letztgenannten arbeiteten jeweils für sich. Einen produktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Schiller und Goethe.

Das vorliegende Gedicht umfasst 139 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 20 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „An die Freundschaft“, „Apollo“ und „Bilder und Träume“. Zum Autor des Gedichtes „An K- -s Erstgebornen“ haben wir auf abi-pur.de weitere 413 Gedichte veröffentlicht.

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