Der Weg zur Wahrheit von Johann Gottfried Herder

Wenn schwarz Gewölk das Firmament verhüllet,
So strahlt kein Stern, die Welt ist Nacht.
Wenn Sturm die Wolken rollt und brüllet,
Wird das krystallne Meer von Wolken trüb gemacht.
Wenn sich ein Strom von hohen Bergen stürzt,
So wird sein Lauf vom Felsstück oft verkürzt.
 
Und willst Du klar die helle Wahrheit sehen,
So treibe von Dir Furcht und Schmerz!
Willst Du den rechten Fußsteig gehen,
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So fessle Wollust nicht Dein Herz!
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Wo Schmerz und Wollust Fürsten sind,
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Ist Dein Gemüth ein Sklav und blind.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24 KB)

Details zum Gedicht „Der Weg zur Wahrheit“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
85
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Der Weg zur Wahrheit“ stammt von Johann Gottfried Herder, einem deutschen Dichter der Sturm- und Drang-Epoche und Wegbereiter der Romantik, geboren im Jahr 1744 und verstorben 1803. Wie der Titel bereits vermuten lässt, behandelt es die Suche nach der Wahrheit und die Hindernisse, die dieser Suche im Weg stehen können.

Der erste Eindruck des Gedichts ist von einer ernsten, hochpoetischen Stimmung geprägt, welche die Bedeutung der Suche nach der Wahrheit unterstreicht. Die Natur und ihre Erscheinungen dienen dabei als bedeutsame Metaphern.

Die erste Strophe beschreibt verschiedene Naturereignisse, die jeweils das Prinzip der Verhüllung und Verstellung betonen: Schwarze Wolkengewölke, die den Himmel und die Sterne verbergen, ein Sturm, der das Meer trüb und undurchsichtig macht und ein Strom, dessen Lauf durch Felsbrocken gestoppt wird. All diese Bilder überträgt Herder in der zweiten Strophe auf die geistige und seelische Suche nach der Wahrheit. Hier erklärt er, dass die Wahrheit nur offenbar wird, wenn man Furcht und Schmerz, Wollust und Lust abschüttelt.

Durch diese Metaphern und Vergleiche möchte das lyrische Ich sagen, dass die Wahrheit oft durch verschiedene Faktoren verhüllt oder gestoppt wird, ähnlich wie die Naturereignisse in der ersten Strophe. Es ist eine Aufforderung zur Selbstreflexion und Selbstdisziplin, um den Pfad zur Wahrheit zu erkennen und zu gehen.

Formal ist das Gedicht in zwei Strophen zu je sechs Versen unterteilt, die einen umfassenden und abgerundeten Eindruck erzeugen. Die Sprache ist hochpoetisch und bildreich. Die Worte „krystallnes Meer“ oder „Felsstück“ etwa erzeugen starke visuelle Bilder und unterstreichen die Dramatik des Geschehens. Zudem verdeutlichen sie die metaphorische Bedeutung, etwa das Meer als Symbol für das Unterbewusstsein oder die Furcht als dunkles Wolkengebilde.

Zusammenfassend handelt es sich bei Herders „Weg zur Wahrheit“ um ein tiefsinniges Gedicht, das die Suche nach der Wahrheit in kraftvollen Naturbildern thematisiert und gleichzeitig eine Anleitung für diese Suche liefert. Es regt zur Eigenreflexion an und erinnert uns daran, dass die Wahrheit nur errungen werden kann, wenn wir bereit sind, uns unseren Ängsten und Begierden zu stellen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Weg zur Wahrheit“ ist Johann Gottfried Herder. Der Autor Johann Gottfried Herder wurde 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. In der Zeit von 1760 bis 1803 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Zwischen den Literaturepochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren zwischen 1765 und 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. Die Epoche des Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System wendeten. Die Vertreter des Sturm und Drang waren häufig junge Autoren im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit seinen beiden wichtigen Vertretern Goethe und Schiller entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Einer der populärsten Schriftsteller der deutschen Klassik ist Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar). Seine Italienreise 1786 wird als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Goethe prägte die Klassik ganz wesentlich. Sein Tod im Jahr 1832 ist gleichzeitig das Ende dieser Epoche. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind oftmals verwendete Bezeichnungen für die Literaturepoche. Die Vertreter der Klassik wollten die antiken Stoffe aufleben lassen. Mit der antiken Kunst beschäftigte sich Goethe während seiner Italienreise. Die Antike gilt nun als Ideal, um Harmonie und Vollkommenheit erreichen zu können. Kennzeichnend ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal der Literaturepoche des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Gefühl und Vernunft. Die Vertreter der Epoche haben in der Weimarer Klassik auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. Schiller, Goethe, Wieland und Herder bildeten das „Viergestirn“ der Klassik. Es gab natürlich auch noch andere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.

Das 85 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 12 Versen mit insgesamt 2 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „Amor und Psyche“, „An Auroren“ und „An den Schlaf“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Weg zur Wahrheit“ weitere 413 Gedichte vor.

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