Ich bewundre nichts von Johann Gottfried Herder

Nein, ich bewundre nichts! In unsrer kleinen Welt
Ist jedes Kleine groß, das groß ins Auge fällt.
In unsrer Welt von Staub ist Alles Gold, was glänzet,
Und Lorbeer jedes Kraut, wenn es den Großen kränzet.
In unsrer wüsten Welt ist groß, was selten ist,
Ist jedes Neue schön, ist werth, was man vermißt.
In unsrer Schattenwelt glänzt das, was nur nicht blendet,
Und wenn ein Meteor nur gleißt und nur das Auge schonet,
Als Sonne starrt es gleich der laute Pöbel an,
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Und Kinder beten es als unsern Herrn Gott an.
 
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Freund, ich ging durch die Welt; so weit ich sie erblickte,
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Sah ich, was mich zerstreut', fand nie, was mich entzückte,
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Viel, was die Sinnen täuscht, nichts, was die Seele nährt,
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Viel, was man wünscht, erschwitzt, nicht braucht und dann begehrt.
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Drum, ich bewundre nichts und seh' von der Weltweisen Höhen,
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Seh' unsern Sonnenstaub, auf dem wir Milben gehen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.4 KB)

Details zum Gedicht „Ich bewundre nichts“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
151
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Ich bewundre nichts“ stammt von Johann Gottfried Herder, einem deutschen Dichter der Aufklärung und gleichzeitig Vertreter der Sturm- und Drang-Periode in der Literatur. Herder lebte von 1744 bis 1803.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht durch seine Verneinung von Bewunderung und seinen Fokus auf die Kleinheit und Eitelkeit der menschlichen Welt eher sarkastisch und kritisch.

Das lyrische Ich drückt im Gedicht seine Abneigung gegenüber falscher und allzu leichter Bewunderung aus. Es ist der Ansicht, dass in unserer kleinen Welt alles Große tatsächlich klein ist und das, was als Gold glänzt, nicht tatsächlich wertvoll sein muss. Es kritisiert die vereinfachte Wahrnehmung und die Oberflächlichkeit der Menschen und stellt in Frage, was wirklich bedeutungsvoll und wertvoll ist.

Die Form des Gedichts ist in zwei Strophen geteilt, die erste hat 10 und die zweite 6 Verse. Es folgt kein bestimmtes Reimmuster, was die freie und kritische Natur des Gedichts unterstreichen könnte. Die Sprache des Gedichts ist klar und unverschnörkelt, die Wortwahl eher einfach und direkt.

Die Wortwahl jedoch ist, verbunden mit bildhaften Vergleichen, wie dem „Meteor“, das so hell leuchtet, dass es blenden kann und doch von allen gestarrt wird, hoch symbolisch und hinterlässt einen starken Eindruck.

Insgesamt drückt das Gedicht Herders die Frustration und Desillusionierung des lyrischen Ichs hinsichtlich der Oberflächlichkeit und Vergänglichkeit menschlicher Werte und Anbetung aus. Es bringt das Kernthema der Aufklärung und des Sturm und Drang zum Ausdruck: die Suche nach echter, tiefer und wahrer Bedeutung im Leben jenseits von Oberflächlichkeiten und vergänglichen Annehmlichkeiten.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Ich bewundre nichts“ des Autors Johann Gottfried Herder. 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. In der Zeit von 1760 bis 1803 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zu. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Literaturepoche in den Jahren von etwa 1765 bis 1790 und wird häufig auch zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit genannt. Diese Bezeichnung entstand durch die Verherrlichung des Genies als Urbild des höheren Menschen und Künstlers. Die Epoche des Sturm und Drang knüpft an die Empfindsamkeit an und geht später in die Klassik über. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Rebellieren gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Vertreter des Sturm und Drang waren häufig junge Schriftsteller im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Goethe (geboren am 28. August 1749 in Frankfurt am Main; verstorben am 22. März 1832 in Weimar) ist einer der bedeutendsten Dichter der Weimarer Klassik. Im Jahr 1786 unternahm Goethe eine Italienreise, diese wird heute als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Das Ende der Literaturepoche ist im Jahr 1832 auszumachen. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind oftmals verwendete Bezeichnungen für die Literaturepoche. Statt auf Widerspruch und Konfrontation wie noch in der Aufklärung oder im Sturm und Drang strebte die Klassik nach Harmonie. Die wichtigsten Werte sind Menschlichkeit und Toleranz. Die Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Ziel der Klassik war es die ästhetische Erziehung des Menschen zu einer „charakterschönen“ Persönlichkeit voranzutreiben. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik typisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die populärsten Vertreter der Klassik sind: Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried von Herder und Christoph Martin Wieland.

Das vorliegende Gedicht umfasst 151 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „Bilder und Träume“, „Das Flüchtigste“ und „Das Gesetz der Welten im Menschen“. Zum Autor des Gedichtes „Ich bewundre nichts“ haben wir auf abi-pur.de weitere 413 Gedichte veröffentlicht.

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