Johannes von Johann Gottfried Herder
1 |
Der Engel des Herrn! |
2 |
Geist und Kraft! |
3 |
Ein Sturmwind, der durch Wüsten rafft |
4 |
Die Thal' hinauf, die Höhn zu Boden! |
5 |
Jehovah's Stimme! Sein Odem! |
6 |
Elias! Wen ein Weib gebar, |
7 |
War Keiner größer, als er war! |
8 |
Johannes! Sollte Viel' bekehren, |
9 |
Erfreun und strafen, fällen, lehren, |
10 |
Vorchristus sein! |
|
|
11 |
Am Opferaltar |
12 |
Gabriel |
13 |
Verkündet' ihn: »Der windesschnell |
14 |
Vorm Herrn daherging! ungeboren |
15 |
Voll Geistes! aber Volkes Ohren |
16 |
Ein Sausen! Wein und Ueppigkeit |
17 |
Hat er verschmäht! In Freudigkeit |
18 |
Elias', Greise zu verjüngen |
19 |
Zu Kindesherzen! Volk zu bringen |
20 |
Dem Kommenden!« |
|
|
21 |
Sprach Flammen und Schwert: |
22 |
»Otternbrut! |
23 |
O schauet's, was Ihr Früchte thut! |
24 |
Schon fällt die Axt und schonet Keinen; |
25 |
Volk Gottes kann er aus Steinen |
26 |
Sich selbst erwecken. Grünest kaum |
27 |
Ohn' Art und Gutes, öder Baum! |
28 |
Schon fällt die Axt! Dein warten Flammen, |
29 |
Die weht Jehovah's Zorn zusammen, |
30 |
Der Lasterbrut! |
|
|
31 |
Schon tritt er daher, |
32 |
Worfelt schon! |
33 |
Und Gluth ist Spreu und Unkraut Lohn. |
34 |
Ich taufe Wasser! er von oben! |
35 |
Seht, wie die Götter ihn loben! |
36 |
Der Himmel reißt! der Himmel bricht! |
37 |
Jehovah kommt! Jehovah spricht: |
38 |
Mein Auserwählter! Du für Allen, |
39 |
Durch den mir Alles soll gefallen!« |
40 |
Und ruht auf ihm. |
|
|
41 |
»Der ist es, der kommt, |
42 |
Gottes Lamm, |
43 |
Das Weltensünden auf sich nahm! |
44 |
Mit Feuer tauft die Welt der Bösen. |
45 |
Bin unwerth, Kleid ihm zu lösen! |
46 |
Was hat ein Mensch, es sei ihm dann |
47 |
Gegeben? Er ist Bräutigam, |
48 |
Ich Führer nur der Braut! von Erde, |
49 |
Ein Irdischer. Er ist und werde |
50 |
Der Himmlische.« |
|
|
51 |
Im Feuer empor |
52 |
Fuhr er auf! |
53 |
Vollbrachte seinen Heldenlauf, |
54 |
Elias! Deiner Lebenstage |
55 |
War wenig, Wüst' und voll Plage, |
56 |
Doch groß! »Bist Du's, der kommen soll?« |
57 |
Und Tod und Banden sind ihm wohl. |
58 |
Die Sonn' ist da! die Morgenröthe |
59 |
Verröthet! Schwert im Tanz, o tödte |
60 |
Den matten Knecht! den freien Knecht! |
|
|
61 |
Gen Himmel hinauf |
62 |
Folgt' ihm schnell |
63 |
Messias! trat, von Blute hell, |
64 |
In die Versammlung aller Lande, |
65 |
Durch größre Marter und Schande. |
66 |
O, wie umfing er da den Freund, |
67 |
Der irdisch ihm's so treu gemeint, |
68 |
Mit ihm geboren, ihm zu leben, |
69 |
Gestorben ihm, ihm dort zu leben |
70 |
An Gottes Thron! |
|
|
71 |
Ein Engel des Herrn, |
72 |
Zeuge-Licht, |
73 |
Wer ist's, wie Du? Nicht selbst das Licht, |
74 |
Nur Zeuge! Wüstenlaut! ein Hallen |
75 |
Vor Dem, der ist! Nicht Widerschallen |
76 |
Sein selbst; ach, wen ein Weib gebar, |
77 |
Ist Keiner, als Johannes war! |
78 |
Wird einst der erste Pfeiler stehen |
79 |
Am Thron, in Siegeskleid ihn sehen, |
80 |
Wer überwand. |
Details zum Gedicht „Johannes“
Johann Gottfried Herder
8
80
383
1773
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Johannes“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, einer bedeutenden Figur der deutschen Aufklärung und Weimarer Klassik. Da Herder von 1744 bis 1803 lebte, kann das Gedicht zeitlich in diese Periode eingeordnet werden.
Schon beim ersten Lesen fallen starke biblische Anspielungen und Bezüge auf. Das lyrische Ich greift verschiedene Aspekte der Figur Johannes aus der Bibel auf, insbesondere Johannes den Täufer. Der Text erscheint als Lobpreisung und Heroisierung Johannes, der im Gedicht als wichtige Vorfigur und Wegbereiter Christi dargestellt wird.
Im ersten Vers werden unterschiedliche Attribute und Beinamen Johannes‘ genannt, viele davon sind biblische Metaphern und Symbole für göttliche Macht und Kraft. So wird Johannes unter anderem als „Engel des Herrn“, als „Geist und Kraft“ und als „Sturmwind, der durch Wüsten rafft“ bezeichnet. Desweiteren soll Johannes viele Menschen bekehren und lehren. Am Schluss der ersten Strophe wird er explizit als „Vorchristus“ bezeichnet, da er das Kommen Christi angekündigt hat.
Die Form des Gedichts ist deutlich strukturiert: Es besteht aus acht Strophen mit jeweils zehn Versen. Die Sprache ist zeitgemäß und verwendet viele bildhafte Metaphern und theologische Kontexte. Diese Charakteristika sind typisch für die Gedichte Herders. Allerdings ist es keine einfache Lektüre und erfordert Kenntnisse der Bibel und des Christentums, um es vollständig interpretieren und verstehen zu können. Zusätzlich erschwert die veraltete Sprache das Verständnis ein wenig, gibt dem Gedicht aber gleichzeitig einen historischen und offiziellen Charakter.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Johannes“ des Autors Johann Gottfried Herder. Geboren wurde Herder im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen). Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1773. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Der Schriftsteller Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Epoche der Literatur, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Die Epoche des Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System wendeten. Bei den Vertretern der Epoche des Sturm und Drang handelte es sich vorwiegend um junge Autoren. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Schiller, Goethe und die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.
Die Weimarer Klassik dauerte von 1786 bis 1832 an. Bedeutende Vertreter dieser Literaturepoche waren Goethe und Schiller. Die zeitliche Abgrenzung orientiert sich dabei an dem Schaffen Goethes. So wird dessen erste Italienreise im Jahr 1786 als Beginn der deutschen Klassik angesehen, die dann mit seinem Tod im Jahr 1832 ihr Ende nahm. Das Zentrum der Weimarer Klassik lag in Weimar. Häufig wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. Prägend für die Zeit der Weimarer Klassik ist der Begriff Humanität. Toleranz, Menschlichkeit, Schönheit, Selbstbestimmung und Harmonie sind wichtige inhaltliche Merkmale der Weimarer Klassik. Die Weimarer Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. In der Weimarer Klassik wird eine sehr einheitliche, geordnete Sprache verwendet. Allgemeingültige, kurze Aussagen (Sentenzen) sind oftmals in Werken der Weimarer Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, legte man großen Wert auf formale Ordnung und Stabilität. Metrische Ausnahmen befinden sich häufig an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Die wichtigsten Dichter der Klassik sind: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried von Herder.
Das vorliegende Gedicht umfasst 383 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 80 Versen. Der Dichter Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Das Gesetz der Welten im Menschen“, „Das Glück“ und „Das Kind der Sorge“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Johannes“ weitere 413 Gedichte vor.
+ Mehr Informationen zum Autor / Gedicht einblenden.
+ Wie analysiere ich ein Gedicht?
Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Johann Gottfried Herder
Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Johann Gottfried Herder und seinem Gedicht „Johannes“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.
- Weimarer Klassik (1794 - 1805) - die gemeinsame Schaffensperiode von Goethe und Schiller
- Rosegger, Peter - Ein bisschen mehr Frieden (Gedichtinterpretation)
- Goethe, Johann Wolfgang von - herausragende Persönlichkeit der Weltliteratur
- Schiller, Johann Friedrich von - Kabale und Liebe
- Goethe, Johann Wolfgang von - sein Leben
Weitere Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder (Infos zum Autor)
- Amor und Psyche
- An Auroren
- An den Schlaf
- An die Freundschaft
- Apollo
- Bilder und Träume
- Das Flüchtigste
- Das Gesetz der Welten im Menschen
- Das Glück
- Das Kind der Sorge
Zum Autor Johann Gottfried Herder sind auf abi-pur.de 413 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
Freie Ausbildungsplätze in Deiner Region
besuche unsere Stellenbörse und finde mit uns Deinen Ausbildungsplatz
erfahre mehr und bewirb Dich direkt