Frühling von Nikolaus Lenau

Die warme Luft, der Sonnenstrahl
erquickt mein Herz, erfüllt das Tal.
O Gott! wie Deine Schritte tönen!
in tiefer Lust die Wälder stöhnen,
die hochgeschwellten Bäche fallen
durch Blumen hin mit trunknem Lallen;
sein bräutlich Lied der Vogel singt,
die Knosp in Wonne still zerspringt,
und drüber goldner Wolken Flug:
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Die Liebe ist in vollem Zug!
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An jeder Stelle möcht ich liegen,
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mit jedem Vogel möcht ich fliegen,
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ich möchte fort und möchte bleiben,
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es fesselt mich und will mich treiben.
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Dem Herzen wird so wohl, so bang,
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umglüht, umrauscht vom Frühlingsdrang,
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es fühlt des Lenzes Widerspruch:
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ersehnte Ruh und Friedensbruch,
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so heimatlich und ruhebringend,
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so fremd, in alle Ferne dringend.
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Das Frühlingsleuchten, treu und klar,
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erscheint dem Herzen wunderbar,
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ein stehngebliebner Freudenblitz,
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in Gottes Herz ein offner Riß;
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und wieder im Vorübersprung
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ein Himmel auf der Wanderung;
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ein irrer Geist, der weilend flieht
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und bang das Herz von hinnen zieht.
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Ich wandle irr, dem Himmel nach,
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der rauschend auf mich niederbrach!
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O Frühling! trunken bin ich dein!
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O Frühling! ewig bist du mein!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25 KB)

Details zum Gedicht „Frühling“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
174
Entstehungsjahr
1802 - 1850
Epoche
Biedermeier

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Frühling“ wurde von Nikolaus Lenau verfasst, einem deutschen Lyriker der Spätromantik, geboren im Jahr 1802 und gestorben 1850. Damit kann das Werk zeitlich dem 19. Jahrhundert zugeordnet werden.

Der erste Eindruck ist von Freude, Bewegung und Emotion geprägt. Die detaillierte und leidenschaftliche Beschreibung des Frühlings suggeriert die Wertschätzung und das Staunen des lyrischen Ichs über die Schönheit und das Erwachen der Natur.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich seine Gefühle und Beobachtungen während des Frühlingserwachens. Anfangs stehen die natürlichen Phänomene und ihre sinnliche Wahrnehmung im Vordergrund, wie die warme Luft, der Sonnenstrahl und die bewegte Natur. Es spürt eine tiefe Verbundenheit mit der Natur und empfindet diese als Gottes Spiel. Es fühlt sich hin- und hergerissen, möchte überall sein und doch auch bleiben. Es empfindet sowohl Freude und Aufregung als auch Unruhe und Konflikt, als wäre der Frühling ein Widerspruch in sich.

Die Form des Gedichts ist gekennzeichnet durch seine Länge und die freie Versform ohne festes Reimschema. Dies kann als Ausdruck des unregulierten und berauschenden Erlebens der Frühlingszeit gedeutet werden. In der Sprache ist eine hohe Emotionalität und Selbstreflexion präsent. Metaphern und bildhafte Ausdrücke, wie „die Liebe ist in vollem Zug“ oder „in Gottes Herz ein offner Riß“, intensivieren den Ausdruck von Passion und Transzendenz. Zudem setzt Lenau auf eine Dynamik zwischen Ruhe und Bewegung, Nähe und Ferne, um die zwiespältige Wirkung des Frühlings auf das lyrische Ich zu unterstreichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Lenau in „Frühling“ seine Bewunderung für die Natur und die dazu entstehenden Gefühle von Freude, Sehnsucht und Unruhe ausdrückt. Die dynamische und leidenschaftliche Sprache, sowie die freie Form des Gedichts, spiegeln die intensive und von Widersprüchen geprägte Erfahrung des Frühlingserwachens.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Frühling“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Nikolaus Lenau. Geboren wurde Lenau im Jahr 1802 in Csatád. Im Zeitraum zwischen 1818 und 1850 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Biedermeier kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Lenau ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 174 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Nikolaus Lenau sind „An die Entfernte“, „An den Wind“ und „Schilflied“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Frühling“ weitere 51 Gedichte vor.

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