Nachahmung Jesu von Johann Gottfried Herder
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Lebten wir, Ihr Christen, so auf Erden, |
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Daß wir Christo möchten ähnlich werden! |
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Durch Lieb' und Leiden |
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Ging er auf zu Gott ins Reich der Freuden. |
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Sohn war er, o, mit wie edlem Geize |
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Gott gehorsam, bis zum Tod am Kreuze, |
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In Vaters Willen |
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Alles bis zum Tode zu erfüllen. |
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»Wer ist Mutter mir? wer sind mir Brüder? |
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Die mit mir zu Vaters Willen nieder, |
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Danieder sinken |
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Und in Gotterkenntniß Leben trinken. |
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Ewig Leben ist's, den Vater kennen, |
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Ihn im Bruder, Sohne Vater nennen! |
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In Kindesglauben |
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Nie, sich nie den Vater lassen rauben!« |
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Ruft er nicht am Berg in Todeswehe: |
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»Meiner nicht, Dein Will' allein geschehe! |
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Geh' Kelch vorüber |
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Oder nicht - sein Wille ist mir lieber!« |
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Hing er nicht am Kreuze gottverlassen, |
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Unter Menschenfluch und Sünderhassen? |
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Da gab sein Ende, |
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Vater, Dir den Geist in Deine Hände! |
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Ach, er hielt's nicht Raub, mit Gott zu prangen; |
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Mensch zu werden, das war sein Verlangen. |
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Ihr Menschenbrüder, |
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Mensch zu werden, stieg er zu uns nieder! |
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War nur Gottessohn in Menschenliebe, |
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Liebte Menschen nur mit Gottestriebe, |
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Sie zu erretten, |
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Sie zu freien aus der Laster Ketten. |
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Sünder sucht' er, war ein Arzt für Kranke; |
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Speis' und Trank war ihm der Gottgedanke, |
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Sein Blut und Leben |
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Für die Brüder alle hinzugeben! |
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Sucht' er je, womit er Ruh sich pflegte? |
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Hatt' er nur, wo er sein Haupt hinlegte? |
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Der Erde Kronen |
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War ihm Lohn, den Satan konnte lohnen! |
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Mensch für Alle, Bruder aller Brüder, |
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Bild und Haupt für alle seine Glieder, |
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Des Lebens Quelle, |
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Die durch Alle rinnet, trüb und helle! |
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Hell, o helle rinn in uns, o Leben, |
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Christusleben! sich Gott hinzugeben, |
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Durch Lieb' und Leiden |
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Aufzusteigen in sein Reich der Freuden! |
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Freut Euch, meine Glieder, Christus' Glieder! |
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Christus' Geist, o hauche sanft hernieder! |
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Die Todgebeine |
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Sind ja ihm zur Auferstehung seine! |
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Christus' Bild, wann wirst Du mich verklären? |
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Grab, wie lange, lange wirst Du währen, |
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Eh er im Lichte |
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Mir erschein' und Gottes Angesichte? |
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Harr auf Gott, o Seele, harr und warte, |
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Wie auch er ja lange Gott erharrte! |
59 |
Ein Knecht auf Erden, |
60 |
Nichts zu sein, heißt Christus ähnlich werden. |
Details zum Gedicht „Nachahmung Jesu“
Johann Gottfried Herder
15
60
348
1744 - 1803
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts ist Johann Gottfried Herder, ein deutscher Dichter, Philosoph und Theologe, der in der Zeit der Aufklärung und Weimarer Klassik wirkte. Mit einem Geburtsdatum im Jahre 1744 und einem Todesdatum im Jahre 1803 lässt sich dieses Gedicht irgendwo in diesen beiden Zeitpunkten einordnen.
Auf den ersten Blick handelt das Gedicht „Nachahmung Jesu“ von der Übernahme von christlichen Werten und der Nachfolge Jesu' und den damit verbundenen Tugenden, wie selbstlose Liebe, Gehorsam gegenüber Gott und das Streben nach spiritueller Erkenntnis.
Inhaltlich befasst sich das lyrische Ich mit dem Leben und Wirken von Jesus Christus und drückt die tiefe Sehnsucht aus, ihm gleich zu sein. Das lyrische Ich betont wiederholt seine Bewunderung für Jesu Treue zu Gott, seine Hingabe an seinen göttlichen Vater und seine selbstlose Liebe zu den Menschen. Besonders betont werden auch die Leiden, die Jesus auf seinem Weg ertragen hat, um sein himmlisches Reich zu erreichen. Dabei zeigt das lyrische Ich Verständnis für das Leid und die Hingabe Jesu und strebt ebenfalls danach, diese Widrigkeiten zu überwinden und sich Gott hinzugeben.
Das Gedicht besteht aus 15 Strophen mit jeweils vier Versen, die jeweils unvergleichbar sind. Die Sprache ist geprägt von religiösen Fachbegriffen und Metaphern, welche die starke spirituelle Orientierung des lyrischen Ichs unterstreichen.
Insgesamt formuliert Herder in diesem Gedicht den Appell, Jesus Christus nachzueifern, indem man dessen Werte wie Liebe, Hingabe und Gehorsam in sich selbst verkörpert und lebt. Dabei zeigt sich Herders klare christliche Perspektive, die stark von der Aufklärung beeinflusst ist und sich im Gedicht durch eine besondere Verehrung für die Tugenden Jesu und die Befürwortung einer engeren Bindung an Gott manifestiert.
Weitere Informationen
Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „Nachahmung Jesu“. Der Autor Johann Gottfried Herder wurde 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1760 bis 1803 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Literaturepoche in den Jahren von 1765 bis 1790 und wird häufig auch Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode genannt. Diese Bezeichnung entstand durch die Verherrlichung des Genies als Urbild des höheren Menschen und Künstlers. Der Sturm und Drang knüpft an die Empfindsamkeit an und geht später in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das philosophische und literarische Denken in Deutschland. Der Sturm und Drang kann als eine Protest- und Jugendbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale verstanden werden. Das Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung brachte die wesentlichen Merkmale dieser Epoche hervor. Die Vertreter waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, meistens nicht älter als 30 Jahre. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Goethe, Schiller und natürlich die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.
Die Literaturepoche der Weimarer Klassik dauerte von 1786 bis 1832 an. Zentrale Vertreter dieser Epoche waren Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die zeitliche Abgrenzung orientiert sich dabei an dem Schaffen Goethes. So wird dessen erste Italienreise im Jahr 1786 als Beginn der deutschen Klassik angesehen, die dann mit seinem Tod im Jahr 1832 ihr Ende nahm. Die Weimarer Klassik wird häufig nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen sind in der Literatur gebräuchlich. Statt auf Widerspruch und Konfrontation wie noch in der Aufklärung oder im Sturm und Drang strebte die Klassik nach Harmonie. Die wichtigsten Werte sind Menschlichkeit und Toleranz. Die Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Ziel der Klassik war es die ästhetische Erziehung des Menschen zu einer „charakterschönen“ Persönlichkeit voranzutreiben. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik typisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die Hauptvertreter der Weimarer Klassik sind Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.
Das Gedicht besteht aus 60 Versen mit insgesamt 15 Strophen und umfasst dabei 348 Worte. Die Gedichte „Das Gesetz der Welten im Menschen“, „Das Glück“ und „Das Kind der Sorge“ sind weitere Werke des Autors Johann Gottfried Herder. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Nachahmung Jesu“ weitere 413 Gedichte vor.
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