Anbetung von Richard Dehmel

Letzter Schritt, und hoch mit mir
strebt der Turm ins Licht;
und vom Steigen auf zu Dir
bebt mein heiß Gesicht.
 
Hier, wo keine Menschen sind,
sieh mich niederknien!
Ums Gesimse saust Dein Wind,
und ich fühle ihn,
 
wie er an das Steingerüst
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seine Hände legt
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und es schüttelt und es küßt
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und mein Haar durchfegt.
 
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Durch die Glocken unter mir
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rauscht sein Atemstrom.
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Sonne, Sonne, Schöpferin, Dir
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bebt der ganze Dom,
 
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den o Dein Dom überblaut,
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und den schaffensbang
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einst ein Mensch wie Ich gebaut,
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Mensch im Überschwang.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Anbetung“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
89
Entstehungsjahr
1863 - 1920
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Anbetung“ wurde von Richard Dehmel geschrieben, einem deutschen Dichter, der von 1863 bis 1920 lebte. Damit lässt sich das Gedicht dem Fin de Siècle bzw. der literarischen Moderne, genauer gesagt der Epoche der Jahrhundertwende (ca. 1890 bis 1910), zuordnen.

Der erste Eindruck des Gedichts vermittelt eine intensive Spiritualität und Emotionalität, die durch die Verbindung von Natur und Architektur hervorgerufen wird. Auch wird schnell klar, dass das lyrische Ich eine Auseinandersetzung mit seiner eigenen Existenz und mit höheren Mächten führt.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um das lyrische Ich, welches auf einen Turm klettert und dort auf Knien eine Art Anbetung durchführt, vermutlich zur Sonne. Die körperliche Anstrengung, symbolisiert durch „letzter Schritt“ und „mein heiß Gesicht“, zeigt die Bereitschaft des lyrischen Ichs, sich völlig diesem spirituellen Erlebnis hinzugeben. Es ist alleine und erlebt den Wind als Manifestation einer höheren Macht. Diese Macht, personifiziert durch die Sonne als Schöpferin, wird als etwas Gewaltiges und Überwältigendes dargestellt, das den ganzen Dom, also den Turm, zum Beben bringt. Die letzte Strophe lässt durchblicken, dass das lyrische Ich sich bewusst ist, dass auch ein Mensch diesen Dom gebaut hat - es geht also um Themen wie Menschlichkeit, Schöpfung und Transzendenz.

Formal besteht das Gedicht aus fünf Quartetten, also vierzeiligen Strophen. Die Sprache ist bildhaft und emotional, was besonders durch die häufige Verwendung von Verben wie „beben“, „säusen“ oder „rauschen“ und die personifizierte Darstellung von Wind und Sonne zum Ausdruck kommt. Es herrscht meistens ein Kreuzreim mit weiblichen und männlichen Reimen, was dem gesamten Gedicht einen rhythmischen und melodischen Charakter gibt.

Insgesamt beinhaltet das Gedicht „Anbetung“ von Richard Dehmel eine tiefgreifende und emotional geladene Auseinandersetzung mit existenziellen Themen wie Schöpfung, Anbetung und Transzendenz, die durch die Einbettung in eine natürliche und architektonische Umgebung noch intensiviert wird. Es handelt sich um ein charakteristisches Werk der literarischen Moderne und speziell der Dichtung um die Jahrhundertwende.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Anbetung“ des Autors Richard Dehmel. 1863 wurde Dehmel in Wendisch-Hermsdorf, Mark Brandenburg geboren. Zwischen den Jahren 1879 und 1920 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Der Schriftsteller Dehmel ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 89 Worte. Die Gedichte „Bann“, „Bastard“ und „Bitte“ sind weitere Werke des Autors Richard Dehmel. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Anbetung“ weitere 522 Gedichte vor.

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