Amnestie von Georg Herwegh

Sie lächeln! - doch ihr Lächeln ist verloren,
Vergebens ihrer Blicke Sonnenschein;
Wie ich für Fürstendonner keine Ohren,
Hab' ich kein Herz für ihre Schmeichelein.
O seht euch vor, es ist ein falsches Treiben!
Und diese Gnade - unser jüngst Gericht!
Wir wollen, Brüder, auf dem Walplatz bleiben:
Die Garde stirbt, doch sie ergibt sich nicht!
 
In Rosen gilt's die Freiheit zu erdrücken,
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Die sich in Ketten nicht erdrosseln läßt:
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O gönnt dem Volk, dem Pöbel sein Entzücken,
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Dies falsche, heuchlerische Freudenfest!
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Ihn hungert wohl, er geht nach seinem Brode,
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Das man ihm fürder reichlicher verspricht.
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Uns dürstet. Drum: dies Glas dem freien Tode!
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Die Garde stirbt, doch sie ergibt sich nicht!
 
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Ei schaut, der Käfig wird nun aufgeschlossen,
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Da längst der Vogel nicht mehr fliegen kann.
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So mancher unsrer alten Kampfgenossen
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Ist nun ein müder, ein gebrochner Mann!
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Hübsch sind die Blumen, drin ihr sprecht; nur schade,
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Daß draus der Dorn des Despotismus sticht.
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Das Recht vor Gott braucht keines Königs Gnade:
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Die Garde stirbt, doch sie ergibt sich nicht!
 
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Geschäftig drängt das Volk von nah und ferne,
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Des Fürsten Hände küssend, sich heran:
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Es sei - wir folgen unserm eignen Sterne,
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Des Thrones Himmel ist nicht seine Bahn.
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Mag sich die Welt im Strahl der Gnade sonnen,
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Ich kenn' ein Fähnlein doch, das weiter ficht;
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Frisch, meine Jugend, frisch den Kampf begonnen!
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Die Garde stirbt, doch sie ergibt sich nicht!
 
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Was war denn zu vergessen und vergeben,
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Und welche Todessünde zu verzeihn?
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Nach mancher Krone pflegten wir zu streben;
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Doch sagt, schenkt man in euern Kronen Wein?
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Wir wollten uns so gern mit euch versöhnen!
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Gebt Raum der Freiheit, wie dem Tageslicht!
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Ihr zaudert? - Gut, so laßt den Schlachtruf tönen:
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Die Garde stirbt, doch sie ergibt sich nicht!
 
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So will's die Zeit; sie heischet Feuerzungen,
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Ihr Sturm verweht der Liebe sanften Hauch;
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Doch was wir für die Freiheit einst errungen,
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Errangen wir für unsre Liebsten auch.
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Wenn alle jubelnd in die Hände schlagen,
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Weil 'mal ein Gnadenstrom aus Felsen bricht
47 
Dann können unsre braven Mädchen sagen:
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Mein Liebster starb, doch er ergab sich nicht!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.5 KB)

Details zum Gedicht „Amnestie“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
347
Entstehungsjahr
1817 - 1875
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Amnestie“ ist von Georg Herwegh, einem deutschen Dichter, der von 1817 bis 1875 lebte. Herwegh war ein zentraler Vertreter der politischen Lyrik im Vormärz und spielte eine aktive Rolle in der Revolution von 1848. Daher lässt sich das Gedicht zeitlich vermutlich in diese revolutionäre Ära einordnen.

Das Gedicht hinterlässt auf den ersten Blick einen rebellischen und widerständigen Eindruck. Das lyrische Ich scheint gegenüber einer herrschenden Macht skeptisch und kritisch zu sein und betont die eigene Ablehnung zur Unterordnung oder Aufgabe.

Inhaltlich spiegelt das Gedicht das Ringen um politische Freiheit und den Widerstand gegen Unterdrückung wider. Das lyrische Ich kritisiert die Scheinheiligkeit der Herrschenden und sieht in deren sogenannter Gnade lediglich eine Verhöhnung des Volkes und der eigenen Sache. Die ständige Wiederholung des Verses „Die Garde stirbt, doch sie ergibt sich nicht!“ betont den unermüdlichen Kampfgeist und Einsatz für die Freiheit, selbst im Angesicht von Tod und Niederlagen.

Formal besteht das Gedicht aus sechs Strophen, die jeweils acht Verszeilen umfassen. Es zeigt sich ein konstanter Wechsel zwischen vierhebigen und dreihebigen Versen, was einen rhythmischen Fluss erzeugt.

Die Sprache des Gedichts ist metaphorisch und in vielen Passagen bildhaft. Herwegh verwendet viele Metaphern, wie beispielsweise das Erdrücken der Freiheit mit Rosen oder das Sprechen von Blumen, aus denen der „Dorn des Despotismus“ sticht. Diese Naturmetaphern lassen das Gedicht trotz seiner aggressiven Botschaft ästhetisch wirken. Zudem finden sich Antithesen, etwa wenn Gnade als Gericht oder ein falsches Lächeln genannt wird.

Zusammenfassend handelt Herweghs „Amnestie“ von unerbittlichem Kampfgeist, Standhaftigkeit und dem Streben nach politischer Freiheit. Trotz potentieller Niederlagen und Härten betont das lyrische Ich die Entschlossenheit und Bereitschaft, sich keiner Unterdrückung zu beugen. Es ist ein kraftvolles Gedicht, das den Widerstandswillen in Zeiten des Umbruchs veranschaulicht und dabei poetisch ansprechend bleibt. Es zeigt gut, warum Herwegh als herausragender Vertreter der politischen Lyrik im Vormärz gilt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Amnestie“ des Autors Georg Herwegh. Geboren wurde Herwegh im Jahr 1817 in Stuttgart. In der Zeit von 1833 bis 1875 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Der Schriftsteller Herwegh ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 347 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Georg Herwegh sind „Den Siegestrunknen.“, „Der arme Jakob und die kranke Lise.“ und „Der schlimmste Feind“. Zum Autor des Gedichtes „Amnestie“ haben wir auf abi-pur.de weitere 200 Gedichte veröffentlicht.

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