Der Träumer von Rainer Maria Rilke

Es war ein Traum in meiner Seele tief.
Ich horchte auf den holden Traum:
ich schlief.
Just ging ein Glück vorüber, als ich schlief,
und wie ich träumte, hört ich nicht:
es rief.
 
II
 
Träume scheinen mir wie Orchideen. –
So wie jene sind sie bunt und reich.
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Aus dem Riesenstamm der Lebenssäfte
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ziehn sie just wie jene ihre Kräfte,
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brüsten sich mit dem ersaugten Blute,
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freuen in der flüchtigen Minute,
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in der nächsten sind sie tot und bleich. –
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Und wenn Welten oben leise gehen,
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fühlst du’s dann nicht wie von Düften wehen?
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Träume scheinen mir wie Orchideen. –
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.1 KB)

Details zum Gedicht „Der Träumer“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
17
Anzahl Wörter
98
Entstehungsjahr
1895
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor des vorliegenden Gedichts ist Rainer Maria Rilke, ein bedeutender deutscher Dichter des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Das Gedicht kann zeitlich in die Epoche des Symbolismus eingeordnet werden.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht rätselhaft und eher melancholisch. Es vermittelt einen tiefgründigen Eindruck von Träumen und dem Schlaf. Rilke nutzt das Sprachbild des Traums als surreales, flüchtiges und zugleich intensives Erlebnis, das in unserem Inneren stattfindet, jedoch nur schwer greifbar ist.

Inhaltlich geht es darum, dass das lyrische Ich einen tiefen Traum hatte, bei dem es eine Chance oder ein Glück verpasste, weil es schlief. In der dritten Strophe vergleicht das lyrische Ich Träume mit Orchideen, die durch ihre Farbenpracht und Vielfalt faszinieren, aus dem „Riesenstamm der Lebenssäfte“ ihre Kraft ziehen und in kurzer Zeit vergehen. Die Strophe endet mit einer Frage, die nahelegt, dass das lyrische Ich von einem tiefen, emotionalen Traumerlebnis berührt wurde, das es jedoch nicht völlig erfassen kann. Der Vergleich von Träumen und Orchideen betont das Größere und Unbekannte, das im Menschen liegt und nur im Traum seinen Ausdruck findet.

Formal besteht das Gedicht aus drei Strophen mit unterschiedlicher Versanzahl und ohne festes Reimschema. Die Sprache ist reich an bildlichen Ausdrücken und metaphorischen Rückgriffen. Hierdurch erzeugt Rilke eine traumhafte Atmosphäre und spricht einerseits die Sinne des Lesers an, andererseits stellt er auch eine gewisse Rätselhaftigkeit her, die die Interpretation herausfordert.

Die Metaphorik und die Bildsprache des Gedichts sind gekennzeichnet von einer feinen poetischen Sensibilität, die typisch ist für Rilkes poetische Kunst. Über das Einzelereignis – den Traum, das Schlafen und das Erwachen – hinaus, verweisen die Bilder auf grundsätzliche menschliche Erfahrungen des Verpassens, des Vergänglichen und der Sehnsucht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Rilke in diesem Gedicht die Poesie als Medium nutzt, um eine tiefgründige Reflexion über die Natur des Menschen und die menschliche Existenz zum Ausdruck zu bringen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Träumer“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rainer Maria Rilke. Geboren wurde Rilke im Jahr 1875 in Prag. 1895 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Frankfurt am Main. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Der Schriftsteller Rilke ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 98 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 17 Versen. Weitere Werke des Dichters Rainer Maria Rilke sind „Allerseelen“, „Als ich die Universität bezog“ und „Am Kirchhof zu Königsaal“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Träumer“ weitere 338 Gedichte vor.

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