Der Triumf der Liebe von Friedrich Schiller

Eine Hymne

Seelig durch die Liebe
Götter – durch die Liebe
Menschen Göttern gleich!
Liebe macht den Himmel
Himmlischer – die Erde
Zu dem Himmelreich.
 
Einstens hinter Pyrrhas Rüken,
Stimmen Dichter ein,
Sprang die Welt aus Felsenstüken,
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Menschen aus dem Stein.
 
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Stein und Felsen ihre Herzen
12 
Ihre Seelen Nacht,
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Von des Himmels Flammenkerzen
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Nie in Glut gefacht.
 
15 
Noch mit sanften Rosenketten
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Banden junge Amoretten
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Ihre Seelen nie –
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Noch mit Liedern ihren Busen
19 
Huben nicht die weichen Musen
20 
Nie mit Saitenharmonie.
 
21 
Ach! noch wanden keine Kränze
22 
Liebende sich um!
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Traurig flüchteten die Lenze
24 
Nach Elisium.
 
25 
Ungegrüßet stieg Aurora
26 
Aus dem Schoos Ozeanus.
27 
Ungeküsset sank die Sonne
28 
In die Arme Hesperus.
 
29 
Wild umirrten sie die Hayne,
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Unter Lunas Nebelscheine,
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Trugen eisern Joch.
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Sehnend an der Sternenbühne
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Suchte die geheime Thräne
34 
Keine Götter noch.
 
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Und sieh! der blauen Flut entquillt
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Die Himmelstochter sanft und mild,
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Getragen von Najaden
38 
Zu trunkenen Gestaden.
 
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Ein jugendlicher Mayenschwung
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Durchwebt wie Morgendämmerung
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Auf das allmächtge Werde
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Luft, Himmel, Meer, und Erde.
 
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Schon schmilzt der wütende Orkan,
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(Einst züchtigt’ er den Ozean
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Mit rasselndem Gegeissel)
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In lispelndes Gesäusel.
 
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Des holden Tages Auge lacht
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In düstrer Wälder Winternacht,
49 
Balsamische Narzissen
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Blühn unter ihren Füßen.
 
51 
Schon flötete die Nachtigall
52 
Den ersten Sang der Liebe.
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Schon murmelte der Quellen Fall
54 
In weiche Busen Liebe.
 
55 
Glükseeliger Pygmalion!
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Es schmilzt! es glüht dein Marmor schon!
57 
Gott Amor Ueberwinder!
58 
Glükseeliger Deukalion,
59 
Wie hüpfen deine Felsen schon!
60 
Und äugeln schon gelinder!
61 
Glükseeliger Deukalion,
62 
Umarme deine Kinder!
 
63 
Seelig durch die Liebe
64 
Götter – durch die Liebe
65 
Menschen Göttern gleich.
66 
Liebe macht den Himmel
67 
Himmlischer – die Erde
68 
Zu dem Himmelreich.
 
69 
Unter goldnem Nektarschaum
70 
Ein wollüstger Morgentraum
71 
Ewig Lustgelage
72 
Fliehn der Götter Tage.
 
73 
Prächtig spricht Chronions Donnerhorn,
74 
Der Olympus schwankt erschroken
75 
Wallen zürnend seine Loken
76 
Sfärenwirbeln gibt sein Athem Sporn,
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Göttern läßt er seine Throne,
78 
Niedert sich zum Erdensohne,
79 
Seufzt arkadisch durch den Hayn,
80 
Zahme Donner untern Füssen,
81 
Schläft, gewiegt von Ledas Küssen,
82 
Schläft der Riesentöder ein.
 
83 
Majestätsche Sonnenrosse
84 
Durch des Lichtes weiten Raum
85 
Leitet Föbus goldner Zaum,
86 
Völker stürzt sein rasselndes Geschosse
 
87 
Seine weissen Sonnenrosse,
88 
Seine rasselnden Geschosse
89 
Unter Lieb und Harmonie
90 
Ha! wie gern vergaß er sie!
 
91 
Zitternd vor der Götterfürstin
92 
Krümmen sich die Götter, dürsten
93 
Nach der Gnade goldnem Thau.
94 
Sonnenglanz ist ihre Schminke
95 
Myriaden jagen ihrem Winke
96 
Stolz vor ihrem Wagen prahlt der Pfau.
 
97 
Schöne Fürstin! ach die Liebe
98 
Zittert mit dem süßen Triebe
99 
Deiner Majestät zu nahn.
100 
Seht ihr Chronos Tochter weinen?
101 
Geister kann ihr Wink verneinen,
102 
Herzen weißt sie nicht zu fahn.
 
103 
Seelig durch die Liebe
104 
Götter – durch die Liebe
 
105 
Menschen Göttern gleich.
106 
Liebe macht den Himmel
107 
Himmlischer – die Erde
108 
Zu dem Himmelreich.
 
109 
Liebe sonnt das Reich der Nacht,
110 
Amors süßer Zaubermacht
111 
Ist der Orkus unterthänig,
112 
Freundlich schmollt der schwarze König
113 
Wenn ihm Zeres Tochter lacht;
114 
Liebe sonnt das Reich der Nacht.
 
115 
Himmlisch in die Hölle klangen
116 
Und den wilden Beller zwangen
117 
Deine Lieder, Thrazier –
118 
Minos, Thränen im Gesichte,
119 
Mildete die Qualgerichte,
120 
Zärtlich um Megärens Wangen
121 
Küßten sich die wilden Schlangen,
122 
Keine Geissel klatschte mehr,
123 
Aufgejagt von Orfeus Leyer
124 
Flog von Tityon der Geyer
 
125 
Leiser hin am Ufer rauschten
126 
Lethe und Kozytus, lauschten
127 
Deinen Liedern Thrazier,
128 
Liebe sangst du Thrazier.
 
129 
Seelig durch die Liebe
130 
Götter – durch die Liebe
131 
Menschen Göttern gleich.
132 
Liebe macht den Himmel
133 
Himmlischer – die Erde
134 
Zu dem Himmelreich.
 
135 
Durch die ewige Natur.
136 
Düftet ihre Blumenspur,
137 
Weht ihr goldner Flügel.
138 
Winkte mir vom Mondenlicht
139 
Afroditens Auge nicht
140 
Nicht vom Sonnenhügel?
 
141 
Lächelte vom Sternenmeer
142 
Nicht die Göttin zu mir her,
143 
Wehte nicht ihr Flügel
144 
In des Frühlings Balsamhauch
145 
Liebe nicht im Rosenstrauch,
146 
Nicht im Kuß der Weste,
147 
Stern, und Sonn und Mondenlicht,
148 
Frühling, Rosen, Weste nicht
149 
Lüden mich zum Feste.
150 
Liebe Liebe lächelt nur
151 
Aus dem Auge der Natur
152 
Wie aus ihrem Spiegel!
 
153 
Liebe rauscht der Silberbach,
154 
Liebe lehrt ihn sanfter wallen;
155 
Seele haucht sie in das Ach
156 
Klagenreicher Nachtigallen,
157 
Unnachahmliches Gefühl
158 
In der Saiten Wonnespiel
159 
Wenn sie Laura! hallen.
160 
Liebe Liebe lispelt nur
161 
Auf der Laute der Natur.
 
162 
Weisheit mit dem Sonnenblik,
163 
Große Göttin tritt zurük,
164 
Weiche vor der Liebe.
165 
Nie Erobrern, Fürsten nie
166 
Beugtest du ein Sklavenknie
167 
Beug es izt der Liebe.
168 
Wer die steile Sternenbahn
169 
Gieng dir Heldenkühn voran
170 
Zu der Gottheit Size?
171 
Wer zerriß das Heiligthum
172 
Zeigte dir Elisium
173 
Durch des Grabes Rize?
174 
Lokte sie uns nicht hinein,
175 
Möchten wir unsterblich seyn?
176 
Suchten auch die Geister
177 
Ohne sie den Meister?
178 
Liebe Liebe leitet nur
179 
Zu dem Vater der Natur
180 
Liebe nur die Geister.
 
181 
Seelig durch die Liebe
182 
Götter – durch die Liebe
183 
Menschen Göttern gleich.
184 
Liebe macht den Himmel
185 
Himmlischer – die Erde
186 
Zu dem Himmelreich.

Details zum Gedicht „Der Triumf der Liebe“

Anzahl Strophen
31
Anzahl Verse
186
Anzahl Wörter
741
Entstehungsjahr
1782
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Triumf der Liebe“ wurde von Friedrich Schiller geschrieben, einem der bekanntesten deutschen Dichter, Philosophen und Historiker des 18. und 19. Jahrhunderts. Das Gedicht wurde wahrscheinlich während der Klassik geschrieben, eine literarische Epoche, in der Schiller am aktivsten war und die etwa von 1786 bis 1832 dauerte.

Beim ersten Lesen des Gedichtes fallen sofort die wiederholenden Verse auf, die die allumfassende Macht der Liebe in der Welt darstellen. Diese Verse, zum Beispiel „Seelig durch die Liebe, Götter – durch die Liebe, Menschen Göttern gleich. Liebe macht den Himmel, Himmlischer – die Erde, Zu dem Himmelreich“, sind in regelmäßigen Abständen durch das gesamte Gedicht hindurch platziert.

Inhaltlich stellt das lyrische Ich die Liebe als die alles überwindende und bestimmende Macht in der Welt dar. Es betont sowohl die seeligmachende Natur der Liebe als auch ihre Fähigkeit, die Menschen zu Göttern zu machen und die Erde himmlisch zu gestalten. Es wird auch eine Kontrast zwischen einer Welt ohne Liebe, die trostlos und leer dargestellt wird, und einer durch Liebe transformierten Welt gezeichnet.

Von der Form her ist das Gedicht in zahlreiche Strophen unterschiedlicher Länge untergliedert. Die Verse sind meist jambisch und weisen ein regelmäßiges Metrum auf. Die Sprache ist blumig und metaphorisch, mit vielen Anspielungen auf die griechische Mythologie, was typisch für die klassische Periode ist. Es werden beispielsweise Gestalten wie Pygmalion, Deukalion und die Amoretten erwähnt. Das Gedicht ist in einer altertümlichen Sprache geschrieben, was an der altertümlichen Schreibweise und dem Gebrauch von veralteten Wörtern zu erkennen ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Schiller in „Der Triumf der Liebe“ die Liebe als mächtige und transzendentale Kraft darstellt, die die Welt verbessert und adelt. Gleichzeitig zeigt das Gedicht aber auch die Düsternis und Leere einer Welt ohne Liebe. Es ist eine Huldigung an die Liebe und ihre transformierende Macht. Das Gedicht zeigt auch Schillers Glauben an die menschlichen Fähigkeiten und die Möglichkeit der Verbesserung und Idealisierung der Welt durch menschliche Emotionen und Liebe.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Triumf der Liebe“ des Autors Friedrich Schiller. 1759 wurde Schiller in Marbach am Neckar, Württemberg geboren. 1782 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Stuttgart. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Schiller handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Literaturepoche in den Jahren von etwa 1765 bis 1790 und wird häufig auch zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit genannt. Diese Bezeichnung entstand durch die Verherrlichung des Genies als Urbild des höheren Menschen und Künstlers. Die Epoche des Sturm und Drang knüpft an die Empfindsamkeit an und geht später in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Jugend- und Protestbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung. Die Schriftsteller des Sturm und Drang waren zumeist junge Autoren, häufig unter 30 Jahre alt. Die Schriftsteller versuchten in den Gedichten eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Prägend für die Literatur der Weimarer Klassik war die Französische Revolution. Menschen setzten sich dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Der Beginn der Weimarer Klassik ist im Jahr 1786 auszumachen. Die Epoche der Klassik endete im Jahr 1832 mit dem Tod Goethes. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. In Anlehnung an das antike Kunstideal wurde in der Weimarer Klassik nach Vollkommenheit, Harmonie, Humanität und der Übereinstimmung von Form und Inhalt gesucht. In der Gestaltung wurde das Wesentliche, Gültige, Gesetzmäßige aber auch der Ausgleich und die Harmonie gesucht. Im Gegensatz zum Sturm und Drang, wo die Sprache oft derb und roh ist, bleibt die Sprache in der Klassik den sich selbst gesetzten Regeln treu. Die Hauptvertreter der Klassik sind Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.

Das Gedicht besteht aus 186 Versen mit insgesamt 31 Strophen und umfasst dabei 741 Worte. Weitere Werke des Dichters Friedrich Schiller sind „An die Gesetzgeber“, „An die Parzen“ und „An die Sonne“. Zum Autor des Gedichtes „Der Triumf der Liebe“ haben wir auf abi-pur.de weitere 220 Gedichte veröffentlicht.

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