Der Tod der Liebenden von Georg Heym

Durch hohe Tore wird das Meer gezogen
Und goldne Wolkensäulen, wo noch säumt
Der späte Tag am hellen Himmelsbogen
Und fern hinab des Meeres Weite träumt.
 
„Vergiß der Traurigkeit, die sich verlor
Ins ferne Spiel der Wasser, und der Zeit
Versunkner Tage. Singt der Wind ins Ohr
Dir seine Schwermut, höre nicht sein Leid.
 
Laß ab von Weinen. Bei den Toten unten
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Im Schattenlande werden bald wir wohnen
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Und ewig schlafen in den Tiefen drunten,
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In den verborgenen Städten der Dämonen.
 
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Dort wird uns Einsamkeit die Lider schließen.
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Wir hören nichts in unserer Hallen Räumen,
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Die Fische nur, die durch die Fenster schießen,
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Und leisen Wind in den Korallenbäumen.
 
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Wir werden immer bei einander bleiben
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Im schattenhaften Walde auf dem Grunde.
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Die gleiche Woge wird uns dunkel treiben,
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Und gleiche Träume trinkt der Kuß vom Munde.
 
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Der Tod ist sanft. Und die uns niemand gab,
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Er gibt uns Heimat. Und er trägt uns weich
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In seinem Mantel in das dunkle Grab,
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Wo viele schlafen schon im stillen Reich.“
 
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Des Meeres Seele singt am leeren Kahn.
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Er treibt davon, ein Spiel den tauben Winden
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In Meeres Einsamkeit. Der Ozean
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Türmt fern sich auf zu schwarzer Nacht, der Blinden.
 
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In hohen Wogen schweift ein Kormoran
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Mit grünen Fittichs dunkler Träumerei.
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Darunter ziehn die Toten ihre Bahn.
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Wie blasse Blumen treiben sie vorbei.
 
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Sie sinken tief. Das Meer schließt seinen Mund
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Und schillert weiß. Der Horizont nur bebt
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Wie eines Adlers Flug, der von dem Sund
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Ins Abendmeer die blaue Schwinge hebt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Der Tod der Liebenden“

Autor
Georg Heym
Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
249
Entstehungsjahr
1911
Epoche
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Tod der Liebenden“ ist vom deutschen Dichter Georg Heym, einem wichtigen Vertreter des literarischen Expressionismus, der im frühen 20. Jahrhundert wirkte. Dabei reihen sich fließende Verse zu einer spielerischen Meditation über den Tod, die Liebe und das Meer.

Beim ersten Eindruck lässt das Gedicht einen kraftvollen und schwermütigen Eindruck zurück: Es verwirbelt die Sehnsucht nach Geborgenheit mit der Dunkelheit des Todes und verliert sich im Unendlichen des Meeres.

Das lyrische Ich beschreibt eine visionäre Welt, in der zwei Liebende durch den Tod vereint werden. In den ersten vier Strophen wird dem Meer und dem Himmel eine fast göttliche Präsenz zugeordnet, die einerseits durch ihre Schönheit verzaubert, andererseits durch ihre furchterregende Tiefe beängstigt. Insbesondere die Darstellung des Todes als einen sanften Fährmann, der die Liebenden in eine ewige Heimat bringt, vermittelt einen grotesken, aber schmerzhaften Wunsch nach Geborgenheit und Zusammensein.

Die Form und Struktur des Gedichts weisen besonders in der gekonnte Verwendung von impressionistischen Bildern und der sich wiederholenden Versstruktur eine hohe Kunstfertigkeit auf. Die Metaphern und Vergleiche tragen zur starken Stimmung des Gedichts bei und lassen es atmosphärisch und anrührend wirken. Auch die Sprache des Gedichts ist sehr bildhaft und poetisch, sie vermittelt den Eindruck einer fast mystischen Szenerie und schafft eine intensive, schwer zu erreichende Atmosphäre von Einsamkeit und Traurigkeit.

Die Strophen weisen eine Form auf, die die Verzweiflung und das Grauen über den Tod mit der Schönheit und der Anziehungskraft der Natur kontrastiert. Die wiederkehrenden Themen von Tod, Meer und Liebe werden auf vielfältige Weise miteinander verwoben, um den Leser in eine Welt der Träume und Ängste einzuführen.

Abschließend kann man sagen, dass dieses Gedicht ein Meisterwerk des Expressionismus der deutschen Literatur ist. Es stellt dar, wie der Tod und die Liebe in enger Beziehung zueinander stehen und miteinander verflochten sind, indem es dem Meer, als Symbol für das Unbekannte, eine fast göttliche Rolle verleiht.

Weitere Informationen

Georg Heym ist der Autor des Gedichtes „Der Tod der Liebenden“. Im Jahr 1887 wurde Heym in Hirschberg geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1911. In Leipzig ist der Text erschienen. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Expressionismus zugeordnet werden. Heym ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 249 Worte. Die Gedichte „Bist Du nun tot?“, „Columbus“ und „Das Fieberspital“ sind weitere Werke des Autors Georg Heym. Zum Autor des Gedichtes „Der Tod der Liebenden“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 79 Gedichte vor.

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