Der Minister in der Hölle von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

Ich armer Sündenbock verschmachte
In dieser heißen Höllenglut,
Und doch, wenn ich es recht betrachte,
So geht's mir immer noch zu gut.
 
Ich habe mit Rescripten weiland
Geplagt die ganze Monarchie:
Ich war gewiß für sie kein Heiland,
Und dennoch plagten sie mich nie.
 
Ich habe mit Berichterstatten
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Gepeinigt manchen braven Mann,
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Und was sie dann berichtet hatten,
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Das sah ich niemals weiter an.
 
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Ich habe durch Conduitenlisten
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Und durch geheime Polizei
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Verleitet viele gute Christen
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Zu Lug und Trug und Heuchelei.
 
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Ich habe mit Censurerlassen
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Gehemmt den Fortschritt unsrer Zeit:
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Ich zwang die Welt, mich recht zu hassen,
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Und dennoch bracht' ich's nicht so weit.
 
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Ich habe jeden Stand beleidigt,
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Und als der Tod mich abgesetzt,
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Da haben sie mich noch vertheidigt,
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Gelobt und benedeit zuletzt.
 
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Ich habe mit des Fortschritts Schlangen
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Gekämpfet wie Laokoon:
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Die Zeit ist ruhig fortgegangen,
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Mein Herr wie ich hat nichts davon.
 
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Ich hab' an meinen Herren immer,
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An unsern Herrngott nie gedacht:
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Der liebe Herrgott hätt' auch nimmer
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Zum Herrn Minister mich gemacht.
 
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Nun schmacht' ich in der Hölle Schlünden
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Geschmückt mit Ordensband und Stern;
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Gern möcht' ich büßen meine Sünden,
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Doch büß' ich erst für meinen Herrn.
 
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Ich war auf Erden nie mein eigen,
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So schlage doch der Teufel drein!
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Ich kann mich nicht mehr anders zeigen,
40 
Muß immerfort Minister sein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.8 KB)

Details zum Gedicht „Der Minister in der Hölle“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
219
Entstehungsjahr
1798 - 1874
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das von dir ausgewählte Gedicht „Der Minister in der Hölle“ wurde von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben verfasst, einem Dichter des 18. und 19. Jahrhunderts, bekannt vor allem als Autor des „Liedes der Deutschen“ (Deutschlandlied).

Der erste Eindruck des Gedichts lässt vermuten, dass es sich um ein kritisches und sarkastisches Werk handelt, welches soziale Hierarchien und bürokratische Machtstrukturen verspottet.

In dem Gedicht beklagt das lyrische Ich, der ehemalige Minister, seine Situation in der Hölle. Allerdings scheint er die Strafe als verdient anzusehen, zumal er reflektiert, dass er während seiner Amtszeit viele Menschen mit Restriktionen, Berichtsanforderungen und durch geheimdienstliche Arbeit geplagt hatte. Er beleidigte jeden Stand, behinderte den Fortschritt seiner Zeit und setzte viele zum Lug und Betrug an. Im Rahmen dieser Reflektionen räumt das lyrische Ich ein, dass seine Macht und sein Handeln negative Auswirkungen hatten.

Die Sprache des Gedichts ist klar und direkt, es sind keine versteckten Metaphern oder ähnliche Stilmittel enthalten. Es ist in zehn Vierzeiler-Strophen gegliedert, mit einem einfachen Reimschema (aabb), was das Gedicht leicht verständlich und flüssig lesbar macht.

Jedoch enthält das Gedicht auch eine satirische Kritik an den Machthabern. Es wird eine deutliche Abneigung gegenüber dem autoritären Herrschaftsstil eines Ministers und der Herrschaft insgesamt angemerkt. Am Ende des Gedichts drückt das lyrische Ich aus, dass es seine Rolle als Minister selbst in der Hölle beibehalten müsse und nie wirklich er selbst war, was die Unmenschlichkeit der Macht und des Bürokratentums unterstreicht.

Insgesamt scheint das Gedicht also eine Kritik an der buchstäblichen „Höllenarbeit“ der Minister und der daraus resultierenden sozialen Ungerechtigkeiten zu sein, sowie ein Appell an eine mehr menschenfreundliche und persönlich erfüllende Arbeitsweise zu sein. Es verurteilt den Missbrauch von Autorität und Macht und strebt eine gerechtere Gesellschaft an.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Minister in der Hölle“ ist August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Im Jahr 1798 wurde Hoffmann von Fallersleben in Fallersleben bei Wolfsburg geboren. Im Zeitraum zwischen 1814 und 1874 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Hoffmann von Fallersleben ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 219 Wörter. Es baut sich aus 10 Strophen auf und besteht aus 40 Versen. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben ist auch der Autor für Gedichte wie „Leicht in den Herzen“, „Mein Vaterland“ und „Munter getanzt! fröhlich gezecht!“. Zum Autor des Gedichtes „Der Minister in der Hölle“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 201 Gedichte vor.

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