Wo ist mein Aufenthalt von Martin Opitz

Wo ist mein Aufenthalt, mein Trost und schönes Licht?
Der trübe Winter kömt, die Nacht verkürzt den Tag;
Ich irre ganz betrübt um diesen öden Wald;
Doch were gleich jetzt Lenz und Tag ohn alle Nacht,
Und hett' ich für den Wald die Lust der ganzen Welt,
Was ist Welt Tag und Lenz, wo nicht ist meine Zier?
 
Ein schönes frisches Quell gibt Blumen ihre Zier,
Dem starken Adler ist nicht liebers als das Licht,
Die süße Nachtigal singt fröhlich auf den Tag,
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Die Lerche suchet Korn, die Ringeltaube Wald,
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Der Reiger einen Teich, die Eule trübe Nacht;
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Mein Lieb, ich suche dich für allem auf der Welt.
 
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So lange bist du mir das Liebste von der Welt,
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So lange Pales hegt der grünen Weide Zier,
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So lange Lucifer entdeckt das klare Licht,
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So lange Titans Glanz bescheint den hellen Tag,
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So lange Bachus liebt den Wein und Pan den Wald,
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So lange Cynthia uns leuchtet bei der Nacht.
 
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Die schnelle Hindin sucht den Hirschen in der Nacht,
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Was schwimmt und geht und keucht, liebt durch die ganze Welt
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Die grimme Wölfin schatzt den Wolf für ihre Zier,
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Die Sterne leihen usn zum Lieben selbst ihr Licht;
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Ich aber gehe nun allhier schon manchen Tag,
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O Schwester, ohne dich durch Berge, Wild und Wald.
 
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Was ist, wo du nicht bist? So viel der kühle Wald
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Ein Sandfeld übertrifft, der Morgen für der Nacht
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Uns angenehmer ist, der Maler dieser Welt,
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Der Lenz, für Winterluft, so viel ist deine Zier,
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Die Schönheit, diese Lust mir lieber, o mein Licht,
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Als das so weit und breit bestrahlt wird durch den Tag.
 
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Der Trost erquickt mich doch, es komme fast der Tag,
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Da ich nicht werde mehr bewohnen Berg und Wald,
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Da deine Gegenwart und die gewünschte Nacht
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Der Treu noch lohnen soll; indessen wird die Welt
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Vergessen ihrer selbst, eh' als ich deiner Zier,
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Mein höchster Aufenthalt, mein Trost und schönes Licht.
 
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Laß wachsen, edler Wald, mit dir mein treues Licht,
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Die Liebste von der Welt; es schade deiner Zier,
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O Baum, kein heißer Tag und keine kalte Nacht.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.1 KB)

Details zum Gedicht „Wo ist mein Aufenthalt“

Autor
Martin Opitz
Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
39
Anzahl Wörter
347
Entstehungsjahr
1597 - 1639
Epoche
Barock

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Wo ist mein Aufenthalt“ wurde von Martin Opitz, einem deutschen Dichter der Barockzeit, verfasst. Er lebte von 1597 bis 1639 und war Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft, einer von vielen barocken Dichterkreisen dieser Zeit.

Bereits beim ersten Lesen des Gedichts wird deutlich, dass dem lyrischen Ich eine bedeutende Person oder Sache fehlt. Es entsteht der Eindruck von intensiver Sehnsucht und Vermissen. Die wiederkehrenden Fragen, wie „Wo ist mein Aufenthalt?“ und „Was ist, wo du nicht bist?“, betonen eindrucksvoll die innere Unruhe und die Suche nach etwas Bestimmtem oder nach jemandem.

Inhaltlich handelt das Gedicht von einer starken Sehnsucht des lyrischen Ichs. Es wird deutlich, dass die gesuchte „Zier“ oder das „schönes Licht“ einen hohen Stellenwert für das lyrische Ich hat. Die Natur, die Jahreszeiten und insbesondere Tiere werden als Vergleichspunkte verwendet, um möglicherweise die Emotionen und das Verlangen des lyrischen Ichs zu verdeutlichen. In dieser Analyse könnte das lyrische Ich von seiner unerwiderten Liebe sprechen. Es wandert durch einen öden Wald, symbolisch für seine Einsamkeit und Sehnsucht und sucht nach seiner „Zier“ - einer geliebten Person oder einem idealisierten Ziel.

Betrachtet man Form und Sprache des Gedichts, fällt auf, dass alle Strophen durch den gleichen Versschemata gekennzeichnet sind. Auf den ersten Blick scheinen die Verse keiner erkennbaren Reimstruktur zu folgen. Bei näherer Betrachtung handelt es sich jedoch um einen Kreuzreim, bei dem die zweite und vierte sowie die fünfte und sechste Zeile jeder Strophe miteinander reimen. Der Versrhythmus ist durchgängig und trägt zur melancholischen Atmosphäre des Gedichts bei. Erwähnenswert sind auch die häufigen Naturbezüge, die typisch für die Barockdichtung sind.

Zusammenfassend spiegelt das Gedicht „Wo ist mein Aufenthalt“ das typisch barocke Weltbild wider, das von Vergänglichkeit und Sehnsucht dominiert wird. Die melancholische Stimmung und die zahlreichen Allegorien veranschaulichen die Herzschmerz und die innere Zerrissenheit des lyrischen Ichs.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Wo ist mein Aufenthalt“ des Autors Martin Opitz. Opitz wurde im Jahr 1597 in Bunzlau geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1613 und 1639. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Barock kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Opitz ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Der Begriff Barock stammt vom portugiesischen Wort „barroco“ ab und bedeutet so viel wie „schiefrunde Perle“. Die Bezeichnung für barock im Sinne eines Adjektivs wurde zunächst abwertend gebraucht. Der Begriff Barock als Bezeichnung für eine Epoche setzte sich erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts durch und gibt der Literaturepoche im Zeitraum zwischen 1600 und 1720 den Namen. Das Zeitalter des Barocks wurde durch den Dreißigjährigen Krieg stark beeinflusst – Hunger, Seuchen (insbesondere die Pest), Vergewaltigung und Tod sorgten für enormes Leid bei der Bevölkerung in Europa. So schrumpfte die Bevölkerung im Deutschen Reich von etwa 28 Millionen im Jahr 1615 auf 11 Millionen Menschen am Ende des Krieges im Jahr 1648. Hauptsächlich Krieg und Pest im Barock zeigen auch ein wichtiges Merkmal auf: der Gegensatz. Auf der einen Seite Armut, Tod und Elend, auf der anderen Glanz, Prunk und Macht. So lebte die normale Bevölkerung in bitterer Armut, während Adelige einen protzigen Lebensstil bevorzugten. Der Barock war die erste Epoche, die in Deutschland bewirkte, dass Literatur von nun an nicht mehr in lateinischer Sprache, sondern erstmals in deutscher Sprache herausgegeben wurde. Eine besondere zur Zeit des Barock priorisierte Form der Lyrik stellte das sogenannte Sonett dar. Dichter und Werke dieser Zeit sind vielzählig. Martin Opitz, Andreas Gryphius oder Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen sind typische Vertreter der Zeit des Barocks.

Das vorliegende Gedicht umfasst 347 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 39 Versen. Die Gedichte „Ach Liebste lass uns eilen“ sind weitere Werke des Autors Martin Opitz. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Wo ist mein Aufenthalt“ keine weiteren Gedichte vor.

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