Der Tanz von Friedrich Schiller
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Sieh, wie sie durcheinander in kühnen Schlangen sich winden, |
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Wie mit geflügeltem Schritt schweben auf schlüpfrigem Plan. |
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Seh’ ich flüchtige Schatten von ihren Leibern geschieden? |
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Ist es Elysiums Hain, der den Erstaunten umfängt? |
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Wie, vom Zephyr gewiegt, der leichte Rauch durch die Luft schwimmt, |
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Wie sich leise der Kahn schaukelt auf silberner Flut, |
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Hüpft der gelehrige Fuß auf des Takts melodischen Wellen, |
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Säuselndes Saitengetön hebt den ätherischen Leib. |
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Keinen drängend, von keinem gedrängt, mit besonnener Eile, |
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Schlüpft ein liebliches Paar dort durch des Tanzes Gewühl. |
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Vor ihm her entsteht seine Bahn, die hinter ihm schwindet, |
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Leis wie durch magische Hand öfnet und schließt sich der Weg. |
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Sieh! jetzt verliert es der suchende Blick. Verwirrt durcheinander |
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Stürzt der zierliche Bau dieser beweglichen Welt. |
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Nein, dort schwebt es frohlockend herauf. Der Knoten entwirrt sich, |
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Nur mit verändertem Reiz stellt sich die Ordnung mir dar. |
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Ewig zerstört und ewig erzeugt sich die drehende Schöpfung, |
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Und ein stilles Gesetz lenkt der Verwandlungen Spiel. |
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Sprich, wie geschiehts, daß rastlos bewegt die Bildungen schwanken, |
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Und die Regel doch bleibt, wenn die Gestalten auch fliehn? |
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Daß mit Herrscherkühnheit einher der einzelne wandelt, |
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Keiner ihm sklavisch weicht, keiner entgegen ihm stürmt? |
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Willst du es wissen? Es ist des Wohllauts mächtige Gottheit, |
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Die zum geselligen Tanz ordnet den tobenden Sprung, |
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Die, der Nemesis gleich, an des Rhythmus goldenem Zügel |
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Lenkt die brausende Lust, und die gesetzlose zähmt. |
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Und der Wohllaut der großen Natur umrauscht dich vergebens? |
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Dich ergreift nicht der Strom dieser harmonischen Welt? |
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Nicht der begeisternde Takt, den alle Wesen dir schlagen? |
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Nicht der wirbelnde Tanz, der durch den ewigen Raum |
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Leuchtende Sonnen wälzt in künstlich schlängelnden Bahnen? |
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Handelnd fliehst du das Maaß, das du im Spiele doch ehrst? |
Details zum Gedicht „Der Tanz“
Friedrich Schiller
4
32
281
1796
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der Tanz“ stammt von Friedrich Schiller, einem der bedeutendsten Dichter der Weimarer Klassik, welcher von 1759 bis 1805 lebte. Das Gedicht ist demnach in die Literaturperiode der Weimarer Klassik einzuordnen, welche zwischen etwa 1786 und 1805 angesiedelt ist.
Beim ersten Lesen des Gedichts ist deutlich die Schönheit und Dynamik des Tanzes im Mittelpunkt. Schiller vergleicht den Tanz mit der wunderbaren Bewegung der Natur, die sowohl chaotisch als auch geordnet erscheint. Er betont das Gleichgewicht zwischen Ordnung und Freiheit, das beim Tanz entsteht und als Metapher für das Leben an sich gesehen werden kann.
Inhaltlich betrachtet handelt das Gedicht von der Beobachtung eines Tanzes. Das lyrische Ich bewundert die harmonischen, fließenden Bewegungen der Tänzer, die gleichzeitig scheinbar chaotisch und perfekt geordnet wirken. Es bringt zum Ausdruck, wie das Paar sich frei bewegen kann, ohne andere Tänzer zu stören und sich auch selbst nicht gestört fühlt. Schiller stellt Fragen nach dem Grund für diese Ordnung und antwortet mit der Macht der Musik und des Rhythmus, die den Tanz lenken und formen. Im letzten Teil des Gedichts wird die Metapher des Tanzes auf die Welt und ihr Funktionieren übertragen, die ebenfalls geordnet und harmonisch, aber zugleich dynamisch und immer im Wandel ist.
Formal ist das Gedicht in vier Strophen unterteilt, von denen die ersten drei jeweils sehr lang sind und die letzte nur vier Verse hat. Dies könnte eine Art Schlussfolgerung oder Statement am Ende des Gedichts darstellen. In Bezug auf die Sprache verwendet Schiller viele anschauliche, poetische Bilder und Metaphern, die den Tanz plastisch und lebendig darstellen. Gleichzeitig verwendet er eine eher gehobene, formelle Sprache, die das Gedicht klassisch und eher ernst anmuten lässt.
Insgesamt ist „Der Tanz“ als eine Hommage an die Schönheit und Harmonie der Bewegung zu sehen, die sowohl im Tanz als auch in der Welt und im Kosmos zu finden ist. Es kann auch als ein Plädoyer für Balance und Harmonie im Leben selbst gesehen werden, in dem Handeln und Ordnung, Freiheit und Regel gleichermaßen wichtig sind.
Weitere Informationen
Friedrich Schiller ist der Autor des Gedichtes „Der Tanz“. Der Autor Friedrich Schiller wurde 1759 in Marbach am Neckar, Württemberg geboren. 1796 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Neustrelitz. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Der Schriftsteller Schiller ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Zwischen den Epochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren zwischen 1765 und 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Rebellieren gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Schriftsteller des Sturm und Drang waren zumeist junge Autoren, häufig unter 30 Jahre alt. Die Schriftsteller versuchten in den Gedichten eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die alten Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Mit seinen beiden bedeutenden Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.
Prägend für die Literatur der Weimarer Klassik war die Französische Revolution. Menschen setzten sich dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Der Beginn der Weimarer Klassik ist im Jahr 1786 auszumachen. Die Literaturepoche endete im Jahr 1832 mit dem Tod Johann Wolfgang von Goethes. Ausgangspunkt und literarisches Zentrum der Weimarer Klassik (kurz auch häufig einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Menschlichkeit, Toleranz und Übereinstimmung von Natur und Mensch, von Individuum und Gesellschaft sind die Ideale der Klassik. Im Zentrum des klassischen Kunstkonzepts steht das Streben nach harmonischem Ausgleich der Gegensätze. In der Klassik wird eine sehr einheitliche, geordnete Sprache verwendet. Kurze, allgemeingültige Aussagen sind oftmals in Werken der Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, setzte man großen Wert auf formale Ordnung und Stabilität. Metrische Ausnahmen befinden sich häufig an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Die Hauptvertreter der Weimarer Klassik sind Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.
Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 281 Worte. Weitere Werke des Dichters Friedrich Schiller sind „An Minna“, „An den Frühling“ und „An die Gesetzgeber“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Tanz“ weitere 220 Gedichte vor.
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