Trauerstunden von Karl Gerok
1 |
Nie im Jubel heller Freude |
2 |
Hab' ich je ein Lied erdacht, |
3 |
Nie den holden Lenz besungen |
4 |
Mitten in des Lenzes Pracht, |
5 |
Schüchtern schwieg der Dichtung Stimme |
6 |
Vor des Lebens Übermacht, |
7 |
Erst wenn mir ein Glück gestorben, |
8 |
Ist's im Liede neu erwacht. |
|
|
9 |
Erst in grauen Wintertagen |
10 |
Zaubert' ich den Rosenflor |
11 |
Und den Glanz des Maienhimmels |
12 |
Sehnsuchtsvoll im Lied mir vor; |
13 |
Erst in düstern Trauerstunden, |
14 |
Wenn mein Liebstes ich verlor, |
15 |
Schwang mit Flügeln des Gesanges |
16 |
Sich das Herz zu Gott empor. |
|
|
17 |
Also schlägt in Wetternächten |
18 |
Brünstiger die Nachtigall; |
19 |
Wenn die Sonne erst versunken, |
20 |
Steigt des Mondes Silberball; |
21 |
Nur wenn sie vom Schlage zittert, |
22 |
Giebt die Saite süßen Schall; |
23 |
Edle Perlen wirft ans Ufer |
24 |
Sturmesflut und Wogenschwall. |
|
|
25 |
Nur gedroschen auf der Tenne |
26 |
Springt hervor das goldne Korn, |
27 |
Nur getreten in der Kelter |
28 |
Quillt des Weines Purpurborn, |
29 |
Und der süße Kelch der Rose |
30 |
Blüht am rauhen Hagedorn, |
31 |
Und zum königlichen Sprunge |
32 |
Zwingt das Roß der scharfe Sporn. |
|
|
33 |
Ja, es reift die rechte Freude |
34 |
Nur im Schoß der Traurigkeit, |
35 |
Und die Mutter schöner Kinder |
36 |
Ist das bleiche Herzeleid, |
37 |
Gottes hellste Friedensterne |
38 |
Leuchten in der Dunkelheit, |
39 |
Gottes liebste Segensengel |
40 |
Melden sich im Trauerkleid. |
|
|
41 |
Wenn sie kommen, schwarz umfloret, |
42 |
Bang beklagst du dein Geschick; |
43 |
Wenn sie weilen, bald entschleiert |
44 |
Sich ihr milder Frühlingsblick; |
45 |
Wenn sie gehen , lassen segnend |
46 |
Sie ein Gastgeschenk zurück; |
47 |
Wenn sie schieden, rufst du dankend: |
48 |
Meine Trübsal war mein Glück! |
|
|
49 |
Drum willkommen, Tauerstunden, |
50 |
Gnadenzeiten heil'ger Zucht; |
51 |
Sei gesegnet, ew'ge Liebe, |
52 |
Die im Schmerz mich heimgesucht; |
53 |
Stille beuge dich, o Seele, |
54 |
Unter deines Kreuzes Wucht, |
55 |
Den Betrübten und Geübten |
56 |
Reift am Kreuz des Friedens Frucht. |
Details zum Gedicht „Trauerstunden“
Karl Gerok
7
56
260
1815 - 1890
Klassik,
Romantik,
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Das Gedicht heißt „Trauerstunden“ und wurde von Karl Gerok geschrieben, einem bedeutenden deutschen Geistlichen und Lyriker des 19. Jahrhunderts. Er lebte von 1815 bis 1890, daher kann das Gedicht zeitlich in die Epoche des Biedermeier bis hin zum Realismus eingeordnet werden.
Auf den ersten Blick fällt die melancholische und doch hoffnungsvolle Atmosphäre des Gedichts auf. Gerok bringt tiefe Gefühle und Gedanken zum Ausdruck, die der Leser intuitiv nachvollziehen kann.
Inhaltlich geht es in dem Gedicht darum, dass das lyrische Ich aus schweren und trauerhaften Zeiten seine Inspiration und Lebendigkeit schöpft. Es drückt aus, dass es in Momenten der Trauer und des Verlusts seine Gedanken und Gefühle in Worte fassen und sie auf diese Weise besser verarbeiten kann. Zugleich entsteht der Eindruck, dass diese traurigen Erfahrungen nicht nur schmerzlich, sondern auch bereichernd sind. Sie erlauben es dem lyrischen Ich, sich von einer neu erwachten, tieferen Lebendigkeit leiten zu lassen und intensiver zu fühlen und zu leben.
Formal besteht das Gedicht aus sieben Strophen mit jeweils acht Versen. Die Sprache ist klar und verständlich, doch zugleich poetisch und von hoher symbolischer Kraft geprägt. Gerok bedient sich vieler Naturmetaphern, um den inneren Zustand des lyrischen Ichs zu illustrieren. Dass das lyrische Ich sich beispielsweise mit einer Nachtigall vergleicht, die in stürmischen Nächten leidenschaftlicher singt, verleiht seinen Aussagen eine tiefe, emotional geladene Dimension.
Gleichzeitig zeigen einzelne Aussagen, wie „Gottes hellste Friedensterne leuchten in der Dunkelheit“ und „Gottes liebste Segensengel melden sich im Trauerkleid“, die tiefe Religiosität des Autors und verleihen dem Gedicht eine spirituelle Dimension. Sie verdeutlichen, dass Gerok die Trauer nicht nur als Quelle poetischer Inspiration sah, sondern auch als Möglichkeit, eine tiefere und bereichernde Verbindung mit Gott zu erfahren.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass Karl Geroks „Trauerstunden“ ein tief bewegendes, emotional und spirituell geladenes Gedicht ist. Es wirft ein neues Licht auf das Thema Trauer und zeigt, wie aus Schmerz und Verlust Inspiration und ein tieferer Zugang zu den eigenen Gefühlen und zu Gott erwachsen können.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Trauerstunden“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Karl Gerok. Gerok wurde im Jahr 1815 in Vaihingen an der Enz geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1831 bis 1890 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Klassik, Romantik, Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zu. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 260 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Karl Gerok sind „Das letzte Stündlein“ und „Über ein Kleines und alles wird Staub“. Zum Autor des Gedichtes „Trauerstunden“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.
+ Wie analysiere ich ein Gedicht?
Weitere Gedichte des Autors Karl Gerok (Infos zum Autor)
Freie Ausbildungsplätze in Deiner Region
besuche unsere Stellenbörse und finde mit uns Deinen Ausbildungsplatz
erfahre mehr und bewirb Dich direkt