Der Sonnenaufgang im Winter von Friederike Brun
1783
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Sonne komm hervor! |
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Sonne steig’ empor! |
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Sieh’, es neiget |
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Sich der Tanne Wipfel! |
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Sieh’ es beuget, |
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Halb im Schnee versteckt, |
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Halb im Morgenroth entdeckt, |
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Jedes Hälmchen seine Spitze dir! |
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Leise schwebt, wie nur der Geist empfindet, |
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Hauch der Liebe ungesehen, |
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Wie ein Kind der Mutter Arm umwindet, |
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Auf den kleinsten Hälmchen deines Athems Wehen! |
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Und es steigt empor zu Himmelshöhen |
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Leise das Erhaltungsflehen |
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Aller Creatur, |
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Und von der erstarrten Flur |
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Das Dankopfer der Natur! |
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Halb gesehn, und halb verschwunden, |
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Neigt, nach still durchwallten Stunden, |
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Cynthia ihr mattes Haupt; |
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Schön mit Rosen ihre Stirn’ umwunden, |
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Früh’ Aurorens Kranz geraubt. |
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Fliege schnell, wie sanfter Liebe Sehnen, |
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Morgenroth! zum besten Vater hin; |
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Hin zur stillen Ruhestätte, |
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Wo, nach innigem Gebete, |
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Frohe Träume seine Stirn’ umziehn! |
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Und mit leisem, liebevollem Säuseln, |
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Wie dem Abendhauch sich Bäche kräuseln, |
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Sag’ ihm mit der Liebe Laut: Daß seine |
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Fern von ihm getrennte Tochter weine, |
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Daß sie nicht den heitern Morgengruß |
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Heut empfängt, und ihres Vaters Kuß. |
Details zum Gedicht „Der Sonnenaufgang im Winter“
Friederike Brun
5
33
159
1783
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht „Der Sonnenaufgang im Winter“ wurde von der dänischen Schriftstellerin Friederike Brun verfasst, die von 1765 bis 1835 lebte. Dies deutet auf eine Zuordnung in die Epoche der Romantik hin, die von etwa 1795 bis 1848 andauerte.
Das Gedicht hinterlässt beim ersten Eindruck eine melancholische, aber zugleich hoffnungsvolle Wirkung. Es wird eine winterliche Landschaft dargestellt, die darauf wartet, von der aufgehenden Sonne geweckt zu werden.
Inhaltlich setzt sich das lyrische Ich im Gedicht mit seiner Einsamkeit und Sehnsucht auseinander, wobei die morgendliche Natur als metaphorisches Element dient. Die Sonne wird als Symbol für Hoffnung und Wiederbelebung gesehen, was besonders deutlich in der ersten Strophe zum Ausdruck kommt, in der die Sonne aufgefordert wird, hervorzukommen und die Schneelandschaft aufzutauen.
Das lyrische Ich drückt sein Verlangen nach Nähe und Liebe aus – vermutlich zu seinem abwesenden Vater, wie in der letzten Strophe angedeutet wird – und betont dabei die fehlende körperliche Präsenz dieser Person. Dabei verwendet die Autorin zarte und sanfte Bilder, wie den „Hauch der Liebe“, um ihre Empfindungen auszudrücken.
Formal besteht das Gedicht aus fünf Strophen mit variierender Versanzahl (8, 9, 5, 5, 6). Diese Struktur erzeugt einen fließenden Rhythmus und spiegelt wahrscheinlich die wechselnden Emotionen und Gedanken des lyrischen Ichs wider.
In Bezug auf die Sprache verwendet Brun eine metaphorische und bildhafte Sprache, die die Gefühle und Emotionen des lyrischen Ichs eindringlich vermittelt. Die wiederholte Aufforderung an die Sonne, hervorzukommen, unterstreicht das Verlangen nach Licht und Wärme, die im übertragenen Sinne für Hoffnung und Liebe stehen. Gleichzeitig wird durch den Gebrauch von Personifikationen, beispielsweise das „Erhaltungsflehen“ der Kreatur oder der „Dankopfer“ der Natur, ein tiefes, fast heiliges Verhältnis zur Natur zum Ausdruck gebracht.
Zum Schluss kann also festgehalten werden, dass Bruns Gedicht „Der Sonnenaufgang im Winter“ tiefe Emotionen und Sehnsüchte durch den Einsatz von Naturmetaphorik und Personifikation auf eindrucksvolle Weise verkörpert.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Sonnenaufgang im Winter“ der Autorin Friederike Brun. Geboren wurde Brun im Jahr 1765 in Gräfentonna. Im Jahr 1783 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Zürich. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten der Autorin her den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit oder Sturm & Drang zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 159 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 33 Versen. Die Gedichte „An meinen Mann auf der Reise“, „Bey Henriettens Grabe“ und „Bey Münters Grabe“ sind weitere Werke der Autorin Friederike Brun. Zur Autorin des Gedichtes „Der Sonnenaufgang im Winter“ haben wir auf abi-pur.de weitere 58 Gedichte veröffentlicht.
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