Beichte von Achim von Arnim

Der Sonntag winkt mit stillen Blicken
Und schmückt ein jedes Blumenbeet,
Der Gärtner will ein Sträußlein pflücken,
Weil seine Frau zur Kirche geht.
Und kann sich immer nicht entschließen,
Wo er sein Messer brauchen soll,
Die Blumen sich im Thau noch küssen
Und Herz am Herzen hängt so voll.
 
Da kommt sein junges Weib gegangen,
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Ihr schwarz Gebetbuch in der Hand,
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Ihr Blick gesenkt im frommen Bangen,
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Zur Laube hat sie sich gewandt;
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Wie heimlich glüht die Geisblattlaube,
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Ihr Schatten ist ein duftig Bad,
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Und drinnen girrt die Turteltaube
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Und Nelken glänzen an dem Pfad.
 
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Da spricht die Frau mit bangen Sorgen:
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Vergessen ist die Sündenschuld,
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Was wollt ich beichten heute Morgen,
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Ach Gott, hab nur mit mir Geduld.
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Ach hätte ich nur eine Stunde,
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Mir fielen wieder Sünden ein,
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Aus welchem bösen Sündengrunde
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Mag ich wohl so vergeßlich sein.
 
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Der Gärtner hat sich nicht verstecket,
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Doch ist er nicht von ihr gesehn,
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Die Reben haben ihn gedecket,
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Er staunet still, wie sie so schön;
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Es kniet sein Weib am Bänklein nieder
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Und deckt das holde Angesicht,
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Und steht dann auf und saget wieder:
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Was ich gesündigt, weiß ich nicht.
 
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Der Mann will eben zu ihr springen,
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Und ihr in Kraft von Lieb und Lust,
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Vergebung für die Sünde bringen,
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Die ihrem Herzen unbewußt,
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Da hört er eine Harfe klingen,
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Sieht eine Frau mit grünem Hut,
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Die ihr will süße Früchte bringen,
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Die Frau sagt wahr und ist ihr gut.
 
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Sie küßt die Hand des schönen Weibes
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Und rufet mit Verwundrung aus;
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»Du bist gesegnet Deines Leibes,
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Und Segen kommt nun in Dein Haus!«
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Beschämt will es die Frau nicht glauben,
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Und klagt wie schwer zu Muthe ihr,
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Tyrola spricht: »Eh reif die Trauben,
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Die jetzt so hart, dann glaubst Du mir.«
 
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Ihr glaubt die Frau und heil'ge Blicke
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Wie Perlen sie umkränzen schön,
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Tyrola singt von ihrem Glücke
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Zu ihrer Harfe Vollgetön;
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Was sie gedrückt war keine Sünde,
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Es war die ungewohnte Lust,
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Daß sie den Dank zu Gott verkünde,
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Erhebt Gesang die freud'ge Brust.
 
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In wessen Herz die Sünde schweiget,
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Da klingt des Herren Lobgesang,
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Das Dasein sich so freundlich zeiget,
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Wenn neue Hoffnung es durchdrang,
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Sie fleht, daß sie der Herr durchdringe
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Mit seines Geistes Gegenwart,
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Daß früh ihr Kind den Geist empfinge,
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Wenn es noch bildsam, rein und zart.
 
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Da kann der Gärtner sich nicht halten,
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Er stimmt in's fromme Lied mit ein,
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Und muß die Hände betend falten:
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So muß sich eine Kirche weihn!
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Und er gelobt, an dieser Stelle,
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Zum Angedenken dieser Gunst,
71 
Will er erbauen die Kapelle
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Mit hocherfahrner Bildner Kunst.
 
73 
Es steht die Frau in Scham betroffen,
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Woher er ihr Geheimniß weiß?
75 
Er spricht: »Ich sah den Himmel offen,
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Ein Engel sagte es mir leis:
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Und alles Geld, was Du gesparet,
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Den Armen gieb zum Freudenmahl,
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Daß Gott, der Herr, Dein Kind bewahret
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Und führt es leicht zum Sonnenstrahl.«
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Beichte“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
80
Anzahl Wörter
477
Entstehungsjahr
1781 - 1831
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Beichte“ stammt von Achim von Arnim (1781 - 1831), einem Vertreter der romantischen Epoche.

Beim ersten Lesen lässt besonders die idyllische und friedvolle Atmosphäre aufmerken. Das Gedicht beschreibt eine Szene an einem Sonntag, wo ein Gärtner und seine Frau, beschrieben werden. Die Frau geht zur Kirche, der Gärtner hingegen bleibt bei den Blumen und beobachtet seine Frau heimlich. Die Frau gesteht in einem Gebet, dass sie ihre Sünden vergessen hat und bitte Gott um weitere Zeit, um sich an diese zu erinnern. Ein Engel erscheint und offenbart, dass die Frau schwanger ist, was auch als Grund für ihre vergessenen Sünden angesehen wird. Der Mann, nachdem er seine Frau belauscht hat, verspricht, eine Kapelle zu bauen zum Gedenken an diese Nachricht.

Das lyrische Ich, vermutlich der Gärtner, ist ein stiller Beobachter der Szene und drückt seine Ehrfurcht und Liebe zu seiner Frau aus. Der Fokus liegt dabei auf der Reinheit und Unschuld der Frau und auf dem Segen ihrer Schwangerschaft. Der unverhoffte Familienzuwachs wird als Zeichen göttlicher Gnade gedeutet und sogar zur Vergebung ihrer vergessenen Sünden herangezogen.

Das Gedicht ist in 10 Strophen mit jeweils 8 Versen unterteilt, was auf eine sorgfältige und methodische Struktur hindeutet. Die Sprache des Gedichts ist bildhaft und malerisch, was die Schönheit der Szene unterstreicht. Es finden sich mehrere Vergleiche und Metaphern, die die Natur und die Beziehung zwischen dem Gärtner und seiner Frau darstellen.

Insgesamt stellt Arnim in „Beichte“ die tiefe Verbindung zwischen Mensch und Natur dar und verwebt diese mit Motiven des religiösen Glaubens und der Liebe. Die idyllische Atmosphäre, die bildhafte Sprache und die romantische Darstellung der Beziehung zwischen Mann und Frau sind typische Merkmale der Literatur der Romantik, in der Arnim eine zentrale Figur war.

Weitere Informationen

Achim von Arnim ist der Autor des Gedichtes „Beichte“. Geboren wurde Arnim im Jahr 1781 in Berlin. Zwischen den Jahren 1797 und 1831 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Romantik zugeordnet werden. Arnim ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik war eine Epoche der europäischen Literatur, Kunst und Kultur. Sie begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts und dauerte in der Literatur bis etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen führte die Industrialisierung. Die neue Maschinenwelt förderte Verstädterung und Landflucht. Die zuvor empfundene Geborgenheit war für die Romantiker in Auflösung begriffen. Wesentliche Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Weitere Motive sind das Fernweh, das Nachtmotiv oder die Todessehnsucht. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Geheimnisvolle, Mysteriöse und galt als Quelle der Liebe. Typische Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Kunst und Architektur des Mittelalters wurden von den Romantikern wieder geschätzt. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über die Form als auch über den Inhalt des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die festen Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das Gedicht besteht aus 80 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 477 Worte. Achim von Arnim ist auch der Autor für Gedichte wie „Schwingeliedchen nach der Sicilischen Melodie“, „Schweizerlied“ und „Flammenruh nach Weisheit streben“. Zum Autor des Gedichtes „Beichte“ haben wir auf abi-pur.de weitere 173 Gedichte veröffentlicht.

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