Flammenruh nach Weisheit streben von Achim von Arnim

Flammenruh nach Weisheit streben
Senkt den Jünger tief in Schlaf,
Und es glüht sein innres Leben,
Als wenn Blitz die Tanne traf.
Festlich statt der schwarzen Krone
Trägt sie einen Flammenkranz,
Weihrauch träufelt von dem Throne,
Halme wirbeln rings im Tanz.
 
Sonst da dräuten ihm die Bilder,
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Schrecklich roth und blau gemalt,
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Und die Zeichen noch viel wilder
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Und das Thier in Flaschen schalt;
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An den tausend Messingscheiben,
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Wo das Blei am Faden hängt,
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Mußt er sich erst müde treiben,
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Eh der Schlaf ihn süß umfängt.
 
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Liebchen kommt nun ihn zu küssen,
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Aber er vernimmt sie nicht,
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Himmlisch mild die Sterne grüßen
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Und er steht in vollem Licht,
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Und sie setzt sich ihm zu Füßen
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Und umfasset seine Knie,
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Sollt sie ihn nicht wecken müssen,
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Er erwachet sonst wohl nie.
 
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Leise kam sie erst geschlichen,
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Doch nun schreit sie ihm in's Ohr,
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Und der Schlaf ist nicht gewichen,
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Es ist ein verschloßnes Thor,
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Und sie nimmt die Bücher alle,
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Die ihn magisch tief versenkt,
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Hat die mächtgen Geister alle
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In des Ofens Gluth gesenkt.
 
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Und der Ofen wollt sich wundern,
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Schüttelt mit dem alten Kopf,
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Und aus allen alten Plundern
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Stieg so mancher grüne Knopf;
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Wüst im Kopfe, wild zum Schelten,
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Wacht er auf und schaut sie an,
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Die gern Alles will entgelten,
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Wenn sie ihn nur retten kann.
 
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Aber er mit wilden Tritten
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Stößet Liebchen an die Erd,
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Höret nicht auf ihre Bitten,
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Sieht die Gluth nur auf dem Heerd:
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»O ihr Zeichen, ihr verbrennet,
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Nun ihr sie mir zugeführt,
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Ach woran wird nun erkennet
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Ob die rechte ich erspürt!«
 
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Wärst Du Mädchen mir ganz eigen,
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Wie ein Mädchen lieben muß,
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Ganz geduldig Dich zu zeigen
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Wär gewesen Dein Genuß;
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Wär ich Mädchen Dir ganz eigen,
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Nimmer zweifelte ich mehr,
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Sondern müßt die Kniee beugen,
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Und mein Herz wär mir nicht schwer.
 
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Herrschen nicht und auch nicht dienen,
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Zweifel war mein Weltgeschick,
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Nur beschwören, nicht verdienen
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Läßt sich jedes Götterglück:
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Weiber-Vorwitz, wer beschwört dich,
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Da es selbst nicht Lieben kann,
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Denn die Liebste selbst, sie stört mich,
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Da ich war in ihrem Bann.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.2 KB)

Details zum Gedicht „Flammenruh nach Weisheit streben“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
64
Anzahl Wörter
344
Entstehungsjahr
1781 - 1831
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Flammenruh nach Weisheit streben“ wurde von Achim von Arnim verfasst, einer bedeutenden Persönlichkeit der deutschen Romantik, die von etwa 1790 bis 1830 ihre Hauptblüte erlebte.

Der erste Eindruck des Gedichtes ist geprägt von mystischen und romantischen Bildern sowie einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Streben nach Wissen und der Rolle der Liebe dabei. Die Atmosphäre wirkt aufgewühlt und von inneren Kämpfen gezeichnet.

Inhaltlich lässt sich das Gedicht in drei Hauptteile unterteilen: Zunächst beschreibt das lyrische Ich das intensive Streben nach Weisheit, das ihn so sehr in Beschlag nimmt, dass es ihm den Schlaf raubt und ihn in einen Zustand tiefer Trance versetzt. Bilder wie die „schwarze Krone“, der „Flammenkranz“ und die Weihrauchtränen vom Thron erzeugen eine Atmosphäre von hingebungsvoller Suche und spiritueller Ergriffenheit. Im zweiten Teil des Gedichts erscheint ein geliebtes Mädchen, das ihn aus diesem Zustand zu wecken versucht. Doch das lyrische Ich reagiert heftig und unberechenbar, stößt das Mädchen von sich und beweint den Verlust seiner Bücher, die das Mädchen in der Hoffnung, ihn zu „retten“, verbrannt hat. Im letzten Teil des Gedichts reflektiert das lyrische Ich über seine Beziehung zu dem Mädchen und seine eigene Unfähigkeit, Liebe und die Suche nach Wissen in Einklang zu bringen.

Das Gedicht ist formal streng strukturiert und besteht aus acht Strophen mit jeweils acht Versen, was eine intensive und konzentrierte Wirkung erzeugt. Die Sprache ist bildhaft und symbolisch, mit starken Kontrasten zwischen Licht und Dunkelheit, Feuer und Schlaf, Wissen und Liebe. Immer wieder werden auch Elemente aus der Alchemie und Mystik eingeflochten, die den psychologischen Konflikt des lyrischen Ichs noch weiter veranschaulichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Flammenruh nach Weisheit streben“ ein eindringliches Gedicht über die innere Zerrissenheit zwischen dem Streben nach Weisheit und dem Bedürfnis nach menschlicher Nähe und Liebe ist. Der Autor nutzt dabei eine hochsymbolische Sprache und ein strenges formales Gerüst, um die Intensität und Tiefe des inneren Konflikts des lyrischen Ichs zu unterstreichen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Flammenruh nach Weisheit streben“ des Autors Achim von Arnim. Arnim wurde im Jahr 1781 in Berlin geboren. Zwischen den Jahren 1797 und 1831 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Arnim ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Als Romantik wird die Epoche der Kunstgeschichte bezeichnet, deren Ausprägungen sich sowohl in der Literatur, Kunst und Musik als auch in der Philosophie niederschlugen. Die Epoche der Romantik lässt sich vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert verorten. Die literarische Romantik kann darauf aufbauend etwa auf die Jahre 1795 bis 1848 datiert werden. Die Literaturepoche der Romantik (ca. 1795–1848) lässt sich in Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848) aufgliedern. Die Literaturepoche der Romantik entstand in Folge politischer Krisen und gesellschaftlicher Umbrüche. In ganz Europa fand ein Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft statt. Gleichermaßen bildete sich ein bürgerliches Selbstbewusstsein heraus. Technologischer Fortschritt und Industrialisierung sind prägend für diese Zeit. Als Merkmale der Literatur der Romantik sind die Weltflucht, die Verklärung des Mittelalters, die Hinwendung zur Natur, die Betonung subjektiver Gefühle und des Individuums, der Rückzug in Fantasie- und Traumwelten oder die Faszination des Unheimlichen aufzuführen. Bedeutende Symbole der Romantik sind die Blaue Blume oder das Spiegel- und Nachtmotiv. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über die Form als auch über den Inhalt des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die festen Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das 344 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 64 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Achim von Arnim sind „Der Weber und die Spinnerin“, „Bibliothek“ und „Zur Weihnachtszeit“. Zum Autor des Gedichtes „Flammenruh nach Weisheit streben“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 173 Gedichte vor.

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