Der Siebenschläfer von Karl Kraus

Lieg’ ich im Bett, so deck’ ich mich
bis an die Ohren zu.
So habe ich doch sicherlich
von euren Plagen Ruh.
 
Dann aber bricht der Tag herein,
ich hab’s ihm nicht geschafft.
So früh schon ihm gewachsen sein,
dazu fehlt mir die Kraft.
 
Der Teufel weckte mich und war
10 
bei mir mit einem Brief.
11 
Nur wachen Augen droht Gefahr,
12 
wie gut war’s, als ich schlief.
 
13 
Zu meiner Nacht hin wend’ ich mich,
14 
leg’ mich aufs andre Ohr.
15 
Das ist ein wahres Glück, daß ich
16 
den Traum noch nicht verlor.
 
17 
Das hätt’ mich allzu früh verbraucht,
18 
was ich für euch gemußt.
19 
So bleibt’s in halben Schlaf getaucht
20 
und halb wird es bewußt.
 
21 
Bleibt auch das Glück nur halb gespürt,
22 
das damals ich erfuhr,
23 
so hat durch rauhen Tag geführt
24 
des Traumes weiche Spur.
 
25 
Und endet niemals eure Qual
26 
und schafft der Tod erst Ruh,
27 
und lieg’ ich auf dem Bett einmal,
28 
so deckt mich tüchtig zu!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „Der Siebenschläfer“

Autor
Karl Kraus
Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
159
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des vorliegenden Gedichts ist Karl Kraus. Karl Kraus war ein österreichischer Schriftsteller, Satiriker, Lyriker und Publizist, der von 1874 bis 1936 gelebt hat. Damit fällt er in die Epoche der Moderne.

Das Gedicht mit dem Titel „Der Siebenschläfer“ hinterlässt beim ersten Lesen einen eher düsteren, introspektiven Eindruck. Der Sprecher scheint sich in einer Phase der Erschöpfung oder perhaps Depression zu befinden, in der er sich das Bett - beziehungsweise den Schlaf - als Zufluchtsort vor der Welt und ihren „Plagen“ wünscht.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um das lyrische Ich, das sich im Schlaf von der scheinbar schwer ertragbaren Welt abkapselt. Das lyrische Ich beschreibt, wie es von den „Plagen“ der Welt Ruhe findet, indem es schläft und sich in Träumen verliert. Es stellt den Schlaf als einen Ort dar, an dem es vor den Qualen des bewussten Lebens geschützt ist. In der dritten Strophe wird die brüchige Grenze zwischen Schlaf und Wachen thematisiert, wenn der Teufel – möglicherweise Symbol für unruhige Gedanken oder Sorgen – mit einem Brief auftaucht. In der letzten Strophe sehnt sich das lyrische Ich nach Ruhe, möglicherweise sogar nach dem Tod: sollte seine „Qual“ keine Ende nehmen, so möge man ihn „tüchtig“ zudecken, wie man eine Leiche zudeckt.

Die Form des Gedichts ist traditionell: Es besteht aus sieben vierzeiligen Strophen (Quartetten) mit abwechselnd kreuz- und Paarreimen (abab und aabb). Die Sprache, die Karl Kraus verwendet, ist einfacher und direkter als die vieler anderer Dichter seiner Zeit. Trotz ihrer Einfachheit ist sie jedoch eindrucksvoll und fasst die Gefühle des lyrischen Ichs zusammen.

Zusammenfassend kann das Gedicht als Porträt eines Individuums gesehen werden, das vor der Welt und ihren plagen flieht und Trost im Schlaf, in Träumen und möglicherweise auch im Tod sucht. Somit transportiert Kraus eine düstere, aber zutiefst menschliche Erfahrung der Trauer und Verzweiflung.

Weitere Informationen

Karl Kraus ist der Autor des Gedichtes „Der Siebenschläfer“. 1874 wurde Kraus in Jičín (WP), Böhmen geboren. Im Jahr 1920 ist das Gedicht entstanden. München ist der Erscheinungsort des Textes. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zuordnen. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das vorliegende Gedicht umfasst 159 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Die Gedichte „Aus jungen Tagen“, „Bange Stunde“ und „Bekenntnis“ sind weitere Werke des Autors Karl Kraus. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Siebenschläfer“ weitere 61 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Karl Kraus (Infos zum Autor)

Zum Autor Karl Kraus sind auf abi-pur.de 61 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.