Der Schläfer im Walde von Georg Heym
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Seit Morgen ruht er. Da die Sonne rot |
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Durch Regenwolken seine Wunde traf. |
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Das Laub tropft langsam noch. Der Wald liegt tot. |
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Im Baume ruft ein Vögelchen im Schlaf. |
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Der Tote schläft im ewigen Vergessen, |
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Umrauscht vom Walde. Und die Würmer singen, |
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Die in des Schädels Höhle tief sich fressen, |
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In seine Träume ihn mit Flügelklingen. |
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Wie süß ist es, zu träumen nach den Leiden |
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Den Traum, in Licht und Erde zu zerfallen, |
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Nichts mehr zu sein, von allem abzuscheiden, |
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Und wie ein Hauch der Nacht hinabzuwallen, |
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Zum Reich der Schläfer. Zu den Hetairieen |
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Der Toten unten. Zu den hohen Palästen, |
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Davon die Bilder in dem Strome ziehen, |
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Zu ihren Tafeln, zu den langen Festen. |
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Wo in den Schalen dunkle Flammen schwellen, |
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Wo golden klingen vieler Leiern Saiten. |
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Durch hohe Fenster schaun sie auf die Wellen, |
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Auf grüne Wiesen in den blassen Weiten. |
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Er scheint zu lächeln aus des Schädels Leere, |
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Er schläft, ein Gott, den süßer Traum bezwang. |
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Die Würmer blähen sich in seiner Schwäre, |
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Sie kriechen satt die rote Stirn entlang. |
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Ein Falter kommt die Schlucht herab. Er ruht |
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Auf Blumen. Und er senkt sich müd |
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Der Wunde zu, dem großen Kelch von Blut, |
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Der wie die Sammetrose dunkel glüht. |
Details zum Gedicht „Der Schläfer im Walde“
Georg Heym
7
28
202
1911
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das präsentierte Gedicht „Der Schläfer im Walde“ wurde von Georg Heym verfasst, einem bekannten Vertreter des literarischen Expressionismus in Deutschland, der von 1887 bis 1912 lebte. Dieses Zeitband weist damit eine Einordnung in die Anfänge des 20. Jahrhunderts und in die Literatur des Expressionismus hin.
Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht düster und melancholisch. Das melancholische Bild des toten „Schläfers im Walde“ wird detailreich und eindringlich präsentiert. Die zentralen Motive sind Tod und Vergänglichkeit.
Inhaltlich beschäftigt sich das Gedicht mit einem Toten, der scheinbar im Wald ruht. Es wird suggeriert, dass der Tote zwar in gewisser Hinsicht friedlich schläft, dass jedoch die Natur unerbittlich durch Prozesse wie Verfall und Verwesung arbeitet. Trotz des scheinbar abscheulichen Geschehens scheint das lyrische Ich diesen Tod fast als eine Form der Erlösung in einen neuen, friedlicheren Zustand zu betrachten. Der Dichter nutzt den Tod, um auf die Unabänderlichkeit und Territorialität des Lebens hinzuweisen. Dabei ist das lyrische Ich eher passiver Betrachter, es bewertet nicht, sondern konstatiert und beschreibt lediglich.
Das Gedicht hat eine klare Struktur mit sieben Strophen, die jeweils aus vier Versen bestehen. Die Sprache des Gedichts ist bildhaft und ausdrucksstark, bisweilen auch drastisch. Heym benutzt kraftvolle und konkrete Bilder, um die voranschreitende Zerstörung und den friedlichen finalen Zustand zu veranschaulichen. Trotz der teilweise morbiden Bilder weist das Gedicht eine geradezu künstlerische Sicht auf den Tod auf.
Zusammenfassend lässt sich sagen, „Der Schläfer im Walde“ ist ein typisches Beispiel für den Expressionismus von Georg Heym. Es betont die Vergänglichkeit des Lebens und thematisiert den Tod, nicht als schmerzvolles Ende, sondern als Frieden bringenden Zustand und Bestandteil des natürlichen Kreislaufs von Leben und Tod.
Weitere Informationen
Georg Heym ist der Autor des Gedichtes „Der Schläfer im Walde“. Heym wurde im Jahr 1887 in Hirschberg geboren. Im Jahr 1911 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Heym ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 202 Worte. Die Gedichte „Berlin I“, „Berlin II“ und „Berlin III“ sind weitere Werke des Autors Georg Heym. Zum Autor des Gedichtes „Der Schläfer im Walde“ haben wir auf abi-pur.de weitere 79 Gedichte veröffentlicht.
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