Der Schiffbrüchige von Heinrich Heine
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Hoffnung und Liebe! Alles zertrümmert! |
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Und ich selber, gleich einer Leiche, |
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Die grollend ausgeworfen das Meer, |
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Lieg’ ich am Strande, |
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Am öden, kahlen Strande. |
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Vor mir woget die Wasserwüste, |
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Hinter mir liegt nur Kummer und Elend, |
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Und über mich hin ziehen die Wolken, |
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Die formlos grauen Töchter der Luft, |
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Die aus dem Meer’, in Nebeleimern, |
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Das Wasser schöpfen, |
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Und es mühsam schleppen und schleppen, |
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Und es wieder verschütten in’s Meer, |
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Ein trübes, langweil’ges Geschäft, |
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Und nutzlos, wie mein eignes Leben. |
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Die Wogen murmeln, die Möven schrillen, |
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Alte Erinn’rungen wehen mich an, |
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Vergessene Träume, erloschene Bilder, |
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Qualvoll süße, tauchen hervor! |
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Es lebt ein Weib im Norden, |
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Ein schönes Weib, königlich schön. |
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Die schlanke Zypressengestalt |
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Umschließt ein lüstern weißes Gewand; |
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Die dunkle Lockenfülle, |
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Wie eine selige Nacht, ergießt sich |
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Von dem hohen, flechtengekrönten Haupte, |
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Sie ringelt sich träumerisch süß |
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Um das süße, blasse Antlitz; |
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Und aus dem süßen, blassen Antlitz, |
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Groß und gewaltig, strahlt ein Auge, |
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Wie eine schwarze Sonne. |
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O, du schwarze Sonne, wie oft, |
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Entzückend oft, trank ich aus dir |
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Die wilden Begeist’rungsflammen, |
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Und stand und taumelte, feuerberauscht – |
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Dann schwebte ein taubenmildes Lächeln |
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Um die hochgeschürzten, stolzen Lippen, |
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Und die hochgeschürzten, stolzen Lippen |
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Hauchten Worte, süß wie Mondlicht, |
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Und zart wie der Duft der Rose – |
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Und meine Seele erhob sich |
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Und flog, wie ein Aar, hinauf in den Himmel! |
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Schweigt, ihr Wogen und Möven! |
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Vorüber ist Alles, Glück und Hoffnung, |
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Hoffnung und Liebe! Ich liege am Boden, |
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Ein öder, schiffbrüchiger Mann, |
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Und drücke mein glühendes Antlitz |
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In den feuchten Sand. |
Details zum Gedicht „Der Schiffbrüchige“
Heinrich Heine
5
48
254
1825–1826
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der Schiffbrüchige“ ist ein Werk des bekannten Dichters Heinrich Heine, der in der Zeit des 19. Jahrhunderts, genauer von 1797 bis 1856, lebte. Demnach lässt sich das Kunstwerk in die Epoche der Romantik einordnen.
Unser erster Eindruck ist das Bild eines äußerst trostlosen und verzweifelten Mannes, der sich wie ein Schiffbrüchiger fühlt und scheinbar aus tiefster Seele leidet. Der Verlust von Liebe und Hoffnung, die als fundamentale menschliche Empfindungen gelten können, wird als besonders dramatisch dargestellt und unterstreicht die tiefe Traurigkeit, die das lyrische Ich von Heine empfindet. Es liegt am Strand, umgeben von einer unendlichen Wasserwüste und grauen Wolken, die ihm als trübe und sinnlose Beschäftigungen erscheinen und ihn somit in seiner Verzweiflung nur bestärken.
Der Inhalt der Geschichte wird sich im weiteren Verlauf des Gedichts klarer: Es geht um eine verlorene Liebe, um die Erinnerung an eine Frau, die in ihrer Anmut und Schönheit beinahe künstlerisch bildhaft beschrieben wird und dadurch im starken Gegensatz zur trostlosen Umgebung und inneren Verfassung des lyrischen Ichs steht. Diese Frau scheint somit auch als Ursprung aller Hoffnung und aller Liebe definiert zu werden, deren Verlust das Ich in seine augenscheinliche Verfassung gestürzt hat.
Die Form des Gedichts ist eher unregelmäßig mit einer unterschiedlich langen Anzahl an Versen in den einzelnen Strophen. Diese Unregelmäßigkeit könnte das chaotische und unkontrollierte Gefühlsleben des lyrischen Ich unterstreichen. Die Sprache ist einerseits sehr bildhaft und metaphorisch, wenn es um die Beschreibung der inneren, emotionalen Zustände des Ichs und um die äußere Umgebung geht, und andererseits sehr direkt und konkret in Bezug auf die Erinnerungen an die Frau. Dadurch wird eine besondere Wirkung erzeugt, die das lyrische Ich als isoliert und entfremdet in einer unwirtlichen Welt, und zugleich als sehnend und leidend an das Bild der geliebten Frau gekettet zeigt.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Schiffbrüchige“ des Autors Heinrich Heine. Heine wurde im Jahr 1797 in Düsseldorf geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1826 zurück. Erschienen ist der Text in Hamburg. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Bei Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 254 Worte. Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Almansor“, „Als ich, auf der Reise, zufällig“ und „Alte Rose“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Schiffbrüchige“ weitere 535 Gedichte vor.
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Zum Autor Heinrich Heine sind auf abi-pur.de 535 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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