Der Philosoph von Wilhelm Busch

Ein Philosoph von ernster Art,
Der sprach und strich sich seinen Bart:
 
Ich lache nie. Ich lieb es nicht,
Mein ehrenwertes Angesicht
Durch Zähnefletschen zu entstellen
Und närrisch wie ein Hund zu bellen;
Ich lieb es nicht, durch ein Gemecker
Zu zeigen, daß ich Witzentdecker;
Ich brauche nicht durch Wertvergleichen
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Mit andern mich herauszustreichen,
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Um zu ermessen, was ich bin,
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Denn dieses weiß ich ohnehin.
 
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Das Lachen will ich überlassen
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Den minder hochbegabten Klassen.
 
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Ist einer ohne Selbstvertraun
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In Gegenwart von schönen Fraun,
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So daß sie ihn als faden Gecken
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Abfahren lassen oder necken,
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Und fühlt er drob geheimen Groll
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Und weiß nicht, was er sagen soll,
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Dann schwebt mit Recht auf seinen Zügen
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Ein unaussprechliches Vergnügen.
 
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Und hat er Kursverlust erlitten,
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Ist er moralisch ausgeglitten,
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So gibt es Leute, die doch immer
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Noch dümmer sind als er und schlimmer,
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Und hat er etwa krumme Beine,
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So gibt’s noch krümmere als seine.
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Er tröstet sich und lacht darüber
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Und denkt: Da bin ich mir doch lieber.
 
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Den Teufel laß ich aus dem Spiele.
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Auch sonst noch lachen ihrer viele,
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Besonders jene ewig Heitern,
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Die unbewußt den Mund erweitern,
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Die, sozusagen, auserkoren
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Zum Lachen bis an beide Ohren.
 
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Sie freuen sich mit Weib und Kind
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Schon bloß, weil sie vorhanden sind.
 
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Ich dahingegen, der ich sitze
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Auf der Betrachtung höchster Spitze,
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Weit über allem Was und Wie,
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Ich bin für mich und lache nie.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Der Philosoph“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
234
Entstehungsjahr
nach 1848
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Philosoph“ stammt von dem deutschen Dichter und Zeichner Wilhelm Busch und wurde im 19. Jahrhundert verfasst. Busch ist vor allem für seine humoristischen und satirischen Verse bekannt.

Auf den ersten Blick scheint ein zunächst ernsthafter Ton vorzuherrschen und das Gedicht thematisiert die Haltung des Philosophen zum Lachen. Er scheint den Akt des Lachens als unangemessen oder minderwertig zu betrachten und sich davon zu distanzieren.

Das lyrische Ich, das den Philosophen darstellt, spricht über seine Abneigung gegen das Lachen und erklärt dies mit verschiedenen Argumenten. Er gibt an, dass er das Zurschaustellen von Freude oder Witz ablehnt und es auch nicht braucht, sich auf Kosten anderer zu erhöhen, um seinen eigenen Wert zu erkennen. In diesem Sinne scheint der Philosoph das Lachen als etwas Herabwürdigendes zu sehen – als Zeichen von Unreife oder Mangel an Würde.

Insbesondere in den Versen 13 und 14 wird seine Hochmütigkeit deutlich, indem er das Lachen den „minder hochbegabten Klassen“ überlässt. Ironischerweise offenbart der Philosoph durch seine arrogante Haltung seine eigene Begrenztheit und Unzulänglichkeit.

Das Gedicht ist in Reimform verfasst und die Sprache ist klar und direkt. Busch verwendet eine Mischung aus formeller und alltäglicher Sprache, was dazu beiträgt, die überhebliche Haltung des Philosophen hervorzuheben. Die Verwendung von Allegorien, Metaphern und Vergleichen trägt zur Bildhaftigkeit des Textes bei.

Zusammengefasst kann man sagen, dass das Gedicht „Der Philosoph“ eine satirische Betrachtung der menschlichen Überheblichkeit und der Fähigkeit zur Selbstreflexion darstellt. Während der Philosoph behauptet, über solchen menschlichen Neigungen zu stehen, offenbart er durch seine Sichtweise und sein Verhalten paradoxerweise seine eigenen Schwächen und Einschränkungen. Letztendlich zeigt Wilhelm Busch in seinem Gedicht auf humoristische Weise, dass niemand, nicht einmal ein Philosoph, vollständig von menschlichen Makeln und Schwächen befreit ist.

Weitere Informationen

Wilhelm Busch ist der Autor des Gedichtes „Der Philosoph“. Geboren wurde Busch im Jahr 1832 in Wiedensahl. Das Gedicht ist in der Zeit von 1848 bis 1908 entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Wiesbaden u. Berlin. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zuordnen. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das 234 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Wilhelm Busch ist auch der Autor für Gedichte wie „Ach, ich fühl es! Keine Tugend“, „Ach, wie geht’s dem Heilgen Vater“ und „Als Christus der Herr in Garten ging“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Philosoph“ weitere 208 Gedichte vor.

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