Wär ich im Bann von Mekkas Thoren von Ferdinand Freiligrath

Wär' ich im Bann von Mekka's Thoren,
Wär' ich auf Jemens glüh'ndem Sand,
Wär' ich am Sinai geboren,
Dann führt' ein Schwert wol diese Hand;
 
Dann zög' ich wol mit flücht'gen Pferden
Durch Jethro's flammendes Gebiet;
Dann hielt ich wol mit meinen Heerden
Rast bei dem Busche, der geglüht;
 
Dann Abends wol vor meinem Stamme,
10 
In eines Zeltes luft'gem Haus,
11 
Strömt' ich der Dichtung innre Flamme
12 
In lodernden Gesängen aus;
 
13 
Dann wol an meinen Lippen hinge
14 
Ein ganzes Volk, ein ganzes Land;
15 
Gleichwie mit Salomonis Ringe
16 
Herrscht' ich, ein Zauberer, im Sand.
 
17 
Nomaden sind ja meine Hörer,
18 
Zu deren Geist die Wildniß spricht;
19 
Die vor dem Samum, dem Zerstörer,
20 
Sich werfen auf das Angesicht;
 
21 
Die allzeit auf den Rossen hängen,
22 
Absitzend nur am Wüstenbronn:
23 
Die mit verhängten Zügeln sprengen
24 
Von Aden bis zum Libanon;
 
25 
Die Nachts als nimmermüde Späher,
26 
Bei ihrem Vieh ruhn auf der Trift,
27 
Und, wie vor Zeiten die Chaldäer,
28 
Anschaun des Himmels goldne Schrift;
 
29 
Die oft ein Murmeln noch vernehmen
30 
Von Sina's glutgeborstnen Höhn;
31 
Die oft des Wüstengeistes Schemen
32 
In Säulen Rauches wandeln sehn;
 
33 
Die durch den Riß oft des Gesteines
34 
Erschaun der Flammen feiner Stirn
35 
Kurz, Männer, denen glüh'nd, wie meines,
36 
In heißen Schädeln brennt das Hirn.
 
37 
O Land der Zelte, der Geschosse!
38 
O Volk der Wüste, kühn und schlicht!
39 
Beduin, du selbst auf deinem Rosse
40 
Bist ein phantastisches Gedicht!
 
41 
Ich irr' auf mitternächt'ger Küste;
42 
Der Norden, ach! ist kalt und klug.
43 
Ich wollt', ich säng' im Sand der Wüste,
44 
Gelehnt an eines Hengstes Bug.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.2 KB)

Details zum Gedicht „Wär ich im Bann von Mekkas Thoren“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
44
Anzahl Wörter
249
Entstehungsjahr
1810 - 1876
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Ferdinand Freiligrath, ein prominenter deutscher Lyriker des 19. Jahrhunderts, verfasste das Gedicht „Wär' ich im Bann von Mekka's Thoren“. Er wurde am 17. Juni 1810 geboren und starb am 18. März 1876. Daher lässt sich das Gedicht der Epoche des Vormärz zuordnen, eine politisch und kulturell bewegte Zeit zwischen dem Wiener Kongress 1815 und der Märzrevolution 1848 in Deutschland.

Beim ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie ein Ausdruck von Fernweh und Sehnsucht nach fernen Ländern und einer anderen Lebensweise. Die starke Verwendung von Konjunktiven („wär' ich“, „dann“) deutet auf eine Sphäre des Imaginären, des Spekulativen hin.

Das lyrische Ich drückt in der Fantasie den Wunsch aus, in einem exotischen, wilden und heißen Land wie Arabien oder Afrika geboren zu sein, im Bann von Mekka, auf heißem Sand in Jemen, oder am Sinai. Es malt ein Bild aus, wie sein Leben wäre, führt es eine Schwert, reitet flüchtige Pferde, hält Rast bei einem brennenden Busch, darbt unter den Nomaden und singt lodernde Lieder. Das Gedicht stellt eine Romantisierung der Beduinen und ihrer Lebensweise dar, einfaches, kühnes Volk, das ständig in Bewegung ist, das freies, ungezähmtes Leben in der Wildnis führt.

In Bezug auf die Form folgt das Gedicht einem festen Muster: Es besteht aus elf Strophen zu je vier Versen. Die Sprache ist gerade in ihrer Anklänge an biblische Geschichten, an Nomadentum und Mystik, bildstark und suggestiv. Die Zeilen sind versehen mit religiösen und orientalischen Symbolen und Metaphern, und es ist ein starkes rhythmisches Momentum in der Verszeile spürbar, das die anhaltende Bewegung und das Wilde, Unzähmbare der dargestellten Situationen und Charaktere widerspiegelt.

Schlussendlich drückt das lyrische Ich den Wunsch aus, seine Kunst – die Poesie – in einem wilderen, freieren Kontext als dem kalten, rationalen Norden auszuüben. Das Gedicht kann als Kritik an den beengenden gesellschaftlichen Normen und geistigen Beschränkungen der heimatlichen Kultur interpretiert werden und als Sehnsucht nach einer ungebundenen, leidenschaftlichen und unzivilisierten Art des Lebens und Schaffens.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Wär ich im Bann von Mekkas Thoren“ des Autors Ferdinand Freiligrath. Der Autor Ferdinand Freiligrath wurde 1810 in Detmold geboren. Im Zeitraum zwischen 1826 und 1876 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Freiligrath ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 249 Wörter. Es baut sich aus 11 Strophen auf und besteht aus 44 Versen. Weitere Werke des Dichters Ferdinand Freiligrath sind „Freie Presse“, „Springer“ und „Von unten auf“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Wär ich im Bann von Mekkas Thoren“ weitere 65 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Weitere Gedichte des Autors Ferdinand Freiligrath (Infos zum Autor)

Zum Autor Ferdinand Freiligrath sind auf abi-pur.de 65 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.