Ein Traum ist alles Erdenleben von Rudolf Gottschall

Ein Traum ist alles Erdenleben,
Doch ist's ein unverstandner Traum
Und seine Bilder wandeln, schweben,
Verfliegen wie der Wogen Schaum.
Zur Klarheit wird es neu geboren
Erst von der Dichtung Stab berührt,
Die, was im Weltall sich verloren,
Zur Eintracht hold zusammenführt.
Ein Spiel der Maja ist die Leben,
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Um das des Schleiers Flore wehn!
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Die Dichtung darf den Schleier heben,
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Ins Herz dem ewig Einen sehn.
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Doch auch dem Träumen, Irren, Wähnen
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Hat sie vertraulich sich gesellt;
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Sie schmückt mit Sternen, Perlen, Thränen
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Den Schleier Gottes, seine Welt.
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Das Herz ist stumm, das Aug' ist blind;
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Sie ist das Wort, sie ist der Blick
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Und in des Zufalls Wirbelwind
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Tagt ihr ein ewig Weltgeschick.
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Und wenn die Dichtung ohne Erben
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Einst von der Erde wandern muß,
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Dann werden alle Blumen sterben,
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Eh' sie erschloß der Sonne Kuß;
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Dann werden sternenleer die Nächte,
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Der Erde Farbe blaß und tot
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Dann fehlt dem menschlichen Geschlechte
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Die Thräne in des Lebens Not.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25 KB)

Details zum Gedicht „Ein Traum ist alles Erdenleben“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
160
Entstehungsjahr
1823 - 1909
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Ein Traum ist alles Erdenleben“ ist Rudolf Gottschall, ein deutscher Dichter, Literaturkritiker und Dramatiker, der im 19. Jahrhundert lebte.

Beim ersten Eindruck ist das Gedicht schwer und tiefgründig. Die Metaphern und Symbole lassen auf philosophische Gedanken schließen und verleihen dem Text eine gewisse Feierlichkeit und Ernsthaftigkeit.

Das lyrische Ich bezeichnet das menschliche Leben auf der Erde als einen Traum, den er als unverstanden und flüchtig darstellt. Durch die Dichtung finde dieser Traum jedoch Klarheit, da sie in der Lage sei, die Vielfältigkeit der Welt in eine Eintracht zu bringen und das ewig Eine im Herzen sichtbar zu machen. Trotz ihrer Nähe zum Träumen und Irrtum inszeniere die Dichtung die Welt als Gottes Schleier, schmücke sie mit Sternen, Perlen und Tränen. Sie sei Wort und Blick für das blinde und stumme Herz. Doch der Dichtung schreibt das lyrische Ich auch eine endliche Dauer zu. Wenn sie einmal „ohne Erben“ von der Erde verschwinden müsse, würden alle Blumen vor dem Kuss der Sonne sterben, die Nächte sternleer und die Farbe der Erde tot sein.

Formal besteht das Gedicht aus 28 Versen und ist in einer durchgängigen Strophenform geschrieben. Die Sprache ist gehoben und bildreich. Durch den Einsatz von Metaphern, Symbolen und Personifikationen wird eine Traum – Wirklichkeit illustriert. Die Rolle der Dichtung und ihre tragische Endlichkeit werden in diesem Zusammenhang hervorgehoben. Das lyrische Ich vertritt offenbar die Auffassung, dass die Dichtung eine zentrale Bedeutung für das menschliche Verstehen der Welt und die menschliche Existenz hat. Dieser Gedanke wird auch durch das durchweg ernste und besorgte Ton des Gedichts unterstützt.

Die Analyse hebt hervor, dass Gottschall in diesem Gedicht die hohe Bedeutung der Dichtung und des Dichtens für das menschliche Dasein und das Verstehen der Welt herausstellt. Er betont ihre lebensspendende, klarstellende und schöpferische Funktion. Gleichzeitig verweist er auf ihre Vergänglichkeit und die traurigen Folgen ihres Verschwindens.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Ein Traum ist alles Erdenleben“ des Autors Rudolf Gottschall. Im Jahr 1823 wurde Gottschall in Breslau geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1839 bis 1909 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 160 Worte. Weitere Werke des Dichters Rudolf Gottschall sind „Heimkehr“, „Schwebende, flatternde Wolken“ und „Marie“. Zum Autor des Gedichtes „Ein Traum ist alles Erdenleben“ haben wir auf abi-pur.de weitere 10 Gedichte veröffentlicht.

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