Der Neid von Johann Gottfried Herder

Neide nicht, o junges Mädchen,
Deiner Schwester Lieblichkeit.
Ahme nicht mit Feuerzorne
Nach, was die Natur verbeut.
 
Eine Blume, noch im Werden
Sah die Lilje vor sich stehn
Und vergessend ihrer selber:
(Denn auch sie war hold und schön;)
 
Neidet, zürnt sie, brennet ängstig
10 
Lilie zu werden; weh!
11 
Was geschieht? Die arme Blume
12 
Wird zur Feuerlilie.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.8 KB)

Details zum Gedicht „Der Neid“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
56
Entstehungsjahr
1787
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Neid“ stammt von Johann Gottfried Herder, einem bedeutenden Vertreter der Weimarer Klassik und Aufklärung, der im 18. Jahrhundert lebte und wirkte.

Der erste Eindruck des Gedichts weckt den Gedanken an Innenschau und Selbstwert. Es handelt sich um ein belehrendes Gedicht, das aufweist, dass Neid zu Selbstzerstörung führen kann.

Das Gedicht erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens, das ihre Schwester um ihre Schönheit beneidet. Sie versucht, ihre Schwester nachzubilden und ihre Schönheit zu erreichen, doch die Natur erlaubt das nicht. Im zweiten Teil wird diese Moral durch eine blumige Metapher verdeutlicht, in der eine Knospe, die eine bereits blühende Lilie sieht, vor Neid und Zorn brennt, sie vergisst ihre eigene Schönheit und verwandelt sich in eine Feuerlilie, eine unvergleichliche Schönheit, aber verbunden mit Gefahr und Vernichtung.

Das Gedicht wirkt wie ein Appell an das junge Mädchen, sich der giftigen Wirkung von Neid bewusst zu sein und die eigene Schönheit und Einzigartigkeit zu schätzen. Die Veränderung der Blume in eine Feuerlilie könnte sowohl als Verlust ihrer ursprünglichen Reize interpretiert werden als auch als Transformation in eine andere Art von Schönheit, die jedoch mit Schmerz und Leiden verbunden ist.

Das Gedicht besticht durch seine einfache Sprache und direkte Bildlichkeit. Es besteht aus drei Strophen, die jeweils vier Verse enthalten. Diese Struktur verleiht dem Gedicht seinen fließenden Rhythmus und macht es leicht verständlich. Die Wahl der Worte und Bilder (Mädchen, Blumen, Feuer) ist sehr suggestiv und evoziert Gefühle der Sehnsucht, des Neids und der Warnung. Die Blumenmetaphorik ist ein typisches Element der dichtenden Romantik und Klassik, welches auch Herder hier verwendet, um eine anschauliche Erzählung zu kreieren.

Zusammenfassend handelt das Gedicht „Der Neid“ von Johann Gottfried Herder von den Gefahren der Neidgefühle und ermutigt jeden Einzelnen, seine eigene Einzigartigkeit und Schönheit zu schätzen. Es ist ein starkes Plädoyer für Akzeptanz und Selbstliebe.

Weitere Informationen

Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „Der Neid“. 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. 1787 ist das Gedicht entstanden. Gotha ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang (häufig auch Geniezeit oder Genieperiode genannt) ist eine literarische Epoche, welche zwischen 1765 und 1790 existierte und an die Empfindsamkeit anknüpfte. Später ging sie in die Klassik über. Die Literaturepoche des Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich dabei gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich aber auch gegen das Bürgertum, das als freudlos und eng galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Die Autoren der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. Die Autoren versuchten in den Gedichten eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Schiller, Goethe und die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik war beeinflusst worden durch die Französische Revolution mit ihren Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Der Kampf um eine Verfassung, die revolutionäre Diktatur unter Robespierre und der darauffolgende Bonapartismus führten zu den Grundstrukturen des 19. Jahrhundert (Nationalismus, Liberalismus und Imperialismus). Die Literaturepoche der Weimarer Klassik lässt sich zeitlich mit der Italienreise Goethes im Jahr 1786 und mit dem Tod Goethes 1832 eingrenzen. Das Zentrum der Weimarer Klassik lag in Weimar. Häufig wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. Die Weimarer Klassik geht von der Erziehbarkeit des Individuums zum Guten aus. Ihr Bestreben ist die Humanität, die wahre Menschlichkeit (das Schöne, Gute, Wahre). Die Autoren der Weimarer Klassik gingen davon aus, dass Gott den Menschen Gefühle und Vernunft gibt und die Menschen damit dem Leben einen Sinn geben. Das Individuum ist also von höheren Mächten bestimmt. In der Weimarer Klassik wird eine geordnete, einheitliche Sprache verwendet. Kurze, allgemeingültige Aussagen sind häufig in Werken der Weimarer Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, legte man großen Wert auf formale Ordnung und Stabilität. Metrische Ausnahmen befinden sich immer wieder an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Schiller, Goethe, Wieland und Herder können als die Hauptvertreter der Weimarer Klassik genannt werden. Aber nur Goethe und Schiller motivierten und inspirierten einander durch intensive Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.

Das 56 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 12 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „An Auroren“, „An den Schlaf“ und „An die Freundschaft“. Zum Autor des Gedichtes „Der Neid“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.

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