Der Nachruhm von Johann Gottfried Herder
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Mich reizet nicht des Ruhmes Schall, |
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Der aus Posaunen tönt, |
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Den jeder leise Wiederhall |
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Im stillen Thal verhöhnt. |
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Ein Ruhm, der wie der Sturmwind braust, |
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Ist auch ein Sturm, der bald versaust. |
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Mich reizet nur der Silberton, |
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Der unbelauschet klingt |
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Und meiner Muse schönsten Lohn, |
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Den Dank des Herzens singt, |
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Die Thräne, die dem Aug’ entfließt |
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Und mich mit Bruderliebe grüßt. |
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Offnen Ohres, offnen Mundes hingen |
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Am Gesange der Göttinnen alle, |
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Wurden Amatoren, Virtuosen, |
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Famuli und Famulä der Musen. |
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Wenig Tage währete die Freude: |
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Und das Chor der horchenden Entzückten |
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Stand von Hunger, Durst und von Gesängen |
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Matt und welk und eingeschrumpft und sterbend. |
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Doch die Musen halfen ihren treuen |
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Märtyrern noch in den letzten Nöthen; |
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Süßen Todes führten sie die armen |
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Singend-sterbenden ins Land der Dichter. |
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Wo sie jetzt auf allen grünen Bäumen |
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Wie die Könige der Erde thronen, |
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Ohne Sorgen, ohne Müh und Arbeit, |
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Ohne Fleisch und Blut, den Göttern ähnlich. |
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Wenn dann auch in der Zeiten Bau |
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Mich bald ihr Schutt begräbt; |
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Und nur mein Saft auf Gottes Au |
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In andern Blumen lebt |
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Und mein Gedanke mit zum Geist |
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Vollendender Gedanken fleußt. |
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Schön ists, von allen anerkannt, |
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Sich allgeliebt zu sehn, |
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Doch schöner noch, auch ungenannt, |
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Wohlthätig fest zu stehn. |
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Verdienst ist meines Stolzes Neid |
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Und bei Verdienst Unsichtbarkeit. |
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So nennet Gottes Kreatur |
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Nur schweigend seinen Ruhm; |
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Sie blüht in wirkender Natur, |
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Ihr selbst ein Eigenthum. |
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Der Schöpfer zeigt sich nicht, und kühn |
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Verkennt der Thor und läugnet ihn. |
Details zum Gedicht „Der Nachruhm“
Johann Gottfried Herder
9
46
242
1787
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts „Der Nachruhm“ ist Johann Gottfried Herder, ein bedeutender Vertreter der deutschen Aufklärung und der Weimarer Klassik. Herder lebte von 1744 bis 1803, das Gedicht kann daher in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, genauer gesagt, in die Phase der Hochaufklärung bis Frühromantik, eingestuft werden.
Der erste Eindruck des Gedichts weckt den Gedanken von Bescheidenheit, Demut und der Ablehnung oberflächlicher Ehrerbietung. Es geht um den Wunsch nach ehrlichem Ruhm und das Suchen nach Anerkennung, die aus echter Wertschätzung und Liebe resultiert, nicht aus lauten, leeren Lobeshymnen.
In seinen Versen vermittelt das lyrische Ich seine Gleichgültigkeit gegenüber dem lautstarken Ruhm, der wie der Sturmwind braust, und seiner Präferenz für den leisen, ehrlichen Ruhm, der wie ein „Silberton“ unbemerkt und unbelauscht klingt. In kraftvollen Bildern stellt Herder die liebevolle Anerkennung und die daraus fließende Träne dar, die das lyrische Ich als den schönsten Lohn betrachtet. Im weiteren Verlauf des Gedichts drückt Herder die Darstellung der Musen und ihrer Auswirkungen auf ihre Anhänger aus - sie führen sie in das Land der Dichter und lassen sie götterähnlich auf grünen Bäumen thronen. Am Ende des Gedichts betont Herder die Schönheit des unbekannten und dennoch standhaften Wohltäters und weist schließlich subtil auf die Existenz des Schöpfers hin.
Formell besteht das Gedicht aus neun Strophen mit unterschiedlichen Verszahlen, was eine Mischform darstellt und sich damit von strengen Gedichtformen wie einem Sonett oder einem Haiku abhebt. Die Sprache ist lyrisch, aber klar und verständlich, die Bildsprache dient dabei vor allem zur Vertiefung der vom lyrischen Ich kommunizierten Werte und Prinzipien. Es mangelt nicht an klassischen Stilmitteln der Poesie, wie Metaphern und personifizierten Naturbildern, deren Auswahl und Anwendung das romantische und gleichzeitig aufgeklärte Naturell des Autors zeigen. Das Mischverhältnis von Aufklärung und beginnender Romantik zeigt sich beispielsweise in der harmonischen Vereinigung von Vernunft (Verdienst durch Wohlthat) und Gefühl (Bruderliebe, Tränen).
Zusammenfassend kann man sagen, dass Johann Gottfried Herder in „Der Nachruhm“ tiefe Einblicke in seine persönlichen, moralischen und ästhetischen Vorstellungen gibt und dies mit einer kraftvollen poetischen Sprache und einem intensiven Bildgebrauch erreicht.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Der Nachruhm“ ist Johann Gottfried Herder. Geboren wurde Herder im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen). Das Gedicht ist im Jahr 1787 entstanden. Gotha ist der Erscheinungsort des Textes. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Zwischen den Epochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren zwischen 1765 und 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. Die wesentlichen Merkmale des Sturm und Drang lassen sich als ein Auflehnen oder Rebellieren gegen die Aufklärung zusammenfassen. Das philosophische und literarische Leben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Literatur sollten dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig junge Schriftsteller im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde insbesondere darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten weiterhin als Inspiration. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.
Zeitlich lässt sich die Weimarer Klassik mit Goethes Italienreise 1786 und mit Goethes Tod im Jahr 1832 eingrenzen. Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert beeinflusst. Die Aufklärung und die gefühlsbetonte Strömung Sturm und Drang. Die Weimarer Klassik ist eine Synthese dieser beiden Elemente. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. In Anlehnung an das antike Kunstideal wurde in der Weimarer Klassik nach Harmonie, Vollkommenheit, Humanität und der Übereinstimmung von Form und Inhalt gesucht. In der Lyrik haben die Dichter auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders beliebt. Des Weiteren verwendeten die Autoren jener Zeit eine pathetische, gehobene Sprache. Schiller, Goethe, Herder und Wieland bildeten das „Viergestirn“ der Weimarer Klassik. Es gab natürlich auch noch weitere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.
Das 242 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 46 Versen mit insgesamt 9 Strophen. Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Amor und Psyche“, „An Auroren“ und „An den Schlaf“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Nachruhm“ weitere 413 Gedichte vor.
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