Der Nachhall der Freundschaft von Johann Gottfried Herder
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Hoher Freundschaft Sympathieen singen |
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Tönet edel; in den Saiten klingen |
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Lieblich stolz die Stimmen Sympathie |
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Hoher Freundschaft; doch wo, athmen sie? |
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Ach sie schieden längst aus unsern Hütten, |
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Aus dem Taumel unsrer Buhlersitten, |
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Grämten sich zu Luft und wurden Schall |
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Und sind jetzt – was noch als Wiederhall? |
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Wiederhall, den jede Lipp’ entweihet, |
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Wiederhall, auf Sopha’s hingestreuet, |
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Sind der Sprache Spiel-Verlocken, sind |
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Unsrer schönen Kreise Fächerwind. |
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Sympathie, als einst mit süßen Schmerzen |
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Du den Säugling noch an Mutterherzen |
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Bandest, als er an der Tugend Brust |
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Leben trank, nicht sieche Lasterlust; |
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Als Du mit den Schwestern noch im Thale |
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Spieltest, und beim Heldenväter-Mahle |
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Jünglinge beseeltest, sich mit Muth |
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Dir zu weihen, Dich in schönem Blut, |
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Sympathie, in Thaten Dich zu singen, |
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Sich auf Ruhmesflügeln aufzuschwingen, |
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Wo der Freund zu harren ihm verhieß, |
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Hinterm Grab’ im Väterparadies. |
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Und o Liebe konntest Herzen binden, |
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In einander Ewigkeit zu finden, |
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Sich mit edler, schöner Schöpfersmüh |
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Neu zu bilden, – Herzenssympathie, |
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Sich in dir zu läutern, zu zerfließen, |
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Alles, Alles in Dir zu genießen; |
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Seel-enthüllet sich zu schauen, sich |
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Wo der Blick verstummt, herzinniglich |
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Dein zu nennen. – Auch die Thränen gießen |
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Balsam, wenn sie herzvereinet fließen; |
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Gram und Noth und Tod und Schicksal band |
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Seelen vester als der Diamant, |
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Unsre Buhlerfessel. – Wilde Saiten, |
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Wohin irrt ihr? – Wohin euch begleiten |
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Nimmer kann der Zeiten Wahn; für Tand |
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Hat er, was ihr singet, längst erkannt. |
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Ach in dieser treulos-schönen Oede, |
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Armes Herz, verstummet deine Rede |
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Und dein Pulsschlag schweiget. Lüsteleer |
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Ist es um dich; da ertönt nicht mehr |
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Herzens Silberklang, den alle Saiten |
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Nur so gern im Nachhall froh verbreiten, |
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Dessen Wahnlaut, dessen süßer Klang |
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Täuschend, täuschend manches Herz durchdrang. |
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Süßgelockt verließ es seine Treuen, |
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Irrt’ umher in goldnen Phantaseien, |
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Suchte sie, die Echo Sympathie, |
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Rief sie überall und fand sie nie. |
Details zum Gedicht „Der Nachhall der Freundschaft“
Johann Gottfried Herder
13
52
294
1787
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der Nachhall der Freundschaft“ stammt von Johann Gottfried Herder, einem der Hauptvertreter der Weimarer Klassik und Wichtigsten deutsche Dichter, Theologen und Philosophen des 18. Jahrhunderts. Anhand des Veröffentlichungsdatums lässt sich das Gedicht in die Epoche der Aufklärung einordnen.
Auf den ersten Blick erscheint das Gedicht als eine nostalgische Reflexion auf die Vergänglichkeit und die Wandelbarkeit von Freundschaft und Liebe. Es wirft Fragen auf über die Natur dieser Gefühle, ihr Verschwinden und ihre Wandlung im Laufe der Zeit.
Der Inhalt des Gedichts lässt sich in einfachen Worten so zusammenfassen: Das lyrische Ich beklagt den Verlust der wahren Freundschaft, die in der heutigen Gesellschaft geschieden ist. Es wird nicht mehr die echte, reine Sympathie empfunden, die einst existierte - stattdessen verweist das lyrische Ich auf oberflächliche Beziehungen und Illusionen, die an die Stelle der ursprünglichen Empfindungen getreten sind.
Das Gedicht besteht aus 13 vierzeiligen Strophen mit wechselndem Reimschema. Insgesamt wirkt die Sprache des Gedichts eher melancholisch und sehnsuchtsvoll. Die Begriffe „Sympathie“, „Freundschaft“ und „Liebe“ werden immer wieder stark betont und vermitteln eine tiefe Emotionalität und eine Sehnsucht nach vergangenen Zeiten.
Die verwendeten Metaphern und sprachlichen Bilder geben dem Text eine hohe Symbolkraft. Es werden zum Beispiel „die Saiten“, „der Nachhall“, „der Wiederhall“ als Metaphern für die Vergänglichkeit von Gefühlen und die Oberflächlichkeit moderner Beziehungen verwendet. Diese widerspiegeln das Hauptthema des Gedichts – die Melancholie über das Vergehen wahrer Empathie und Freundschaft und die Suche nach echter emotionaler Tiefe in einer zunehmend oberflächlichen Gesellschaft. Gleichzeitig reflektiert das Thema des Gedichts auch den Wunsch des lyrischen Ichs nach einem Rückkehr zu einer authentischeren, tieferen Form des emotionalen Austauschs.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Der Nachhall der Freundschaft“ ist Johann Gottfried Herder. Herder wurde im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1787. Erscheinungsort des Textes ist Gotha. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.
Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Literaturepoche in den Jahren von etwa 1765 bis 1790 und wird häufig auch Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode genannt. Diese Bezeichnung entstand durch die Verherrlichung des Genies als Urbild des höheren Menschen und Künstlers. Der Sturm und Drang knüpft an die Empfindsamkeit an und geht später in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Protest- und Jugendbewegung gegen die aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter waren meistens junge Autoren, zumeist nicht älter als 30 Jahre. Die Autoren versuchten in den Dichtungen eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die traditionellen Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit dem Hinwenden Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.
Die Literaturepoche der Klassik beginnt nach herrschender Auffassung mit der Italienreise Goethes, die er im Jahr 1786 im Alter von 36 Jahren machte. Das Ende der Epoche wird auf 1832 datiert. In der Klassik wurde die Literatur durch Auswirkungen der Französischen Revolution, die ziemlich zu Beginn der Epoche stattfand, entscheidend geprägt. In der Französischen Revolution setzten sich die Menschen dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind gebräuchliche Bezeichnungen für die Literaturepoche. Der Begriff Humanität ist prägend für die Zeit der Klassik. Die wichtigsten inhaltlichen Merkmale der Klassik sind: Harmonie, Selbstbestimmung, Toleranz, Menschlichkeit und die Schönheit. Charakteristisch ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Gefühl und Vernunft. Die Autoren haben in der Klassik auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. Die bedeutenden Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. Weitere bekannte Schriftsteller der Weimarer Klassik sind Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Die beiden letztgenannten arbeiteten jeweils für sich. Einen produktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Goethe und Schiller.
Das vorliegende Gedicht umfasst 294 Wörter. Es baut sich aus 13 Strophen auf und besteht aus 52 Versen. Die Gedichte „Amor und Psyche“, „An Auroren“ und „An den Schlaf“ sind weitere Werke des Autors Johann Gottfried Herder. Zum Autor des Gedichtes „Der Nachhall der Freundschaft“ haben wir auf abi-pur.de weitere 413 Gedichte veröffentlicht.
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