Das Lied vom heiligen deutschen Lande von Ernst Moritz Arndt

Es klang von hohen Ehren
Ein heller Wunderklang,
Wie längst verschollne Mären
Er durch die Seelen drang,
Wie Wasser aus den Tiefen
Zum Himmel schäumend sprühn,
Wie Geister, welche schliefen,
Die Mitternacht durchziehn.
 
So faßt' es alle Herzen,
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So klang's durch jede Brust,
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Voll heißer Weheschmerzen,
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Voll heißer Wonnelust;
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Wie Menschen in Gewittern
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Den Glanz des Höchsten sehn,
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Mit Freude und mit Zittern
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In seiner Macht vergehn.
 
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Denn Gott, der alte Retter,
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Der droben wandeln geht,
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Erschien in Blitz und Wetter
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In hehrer Majestät;
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Als Richter wollt' er kommen
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Herab vom Himmelreich,
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Drum freut euch all ihr Frommen,
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Ihr Frevler, werdet bleich.
 
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Wer kann die Taten sprechen,
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Die Gott der Herr getan,
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Wodurch er Schanden brechen
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Und Ehren lohnen kann?
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Wer zählt die edlen Toten,
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Die trotzig auf das Kreuz
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Sich kühn zur Sühnung boten
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Im süßen Himmelreiz?
 
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Wer zählt die Wundertaten,
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Die Preise mannigfalt,
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Die also schön geraten
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Durch Gottes Allgewalt?
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Der Wahn ist nun zerstoben,
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Zermalmt die Tyrannei,
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Der Mensch blickt hin nach oben
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Und jauchzet: Wir sind frei!
 
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Das war der Klang der Ehren,
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Das war die Wunderzeit,
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Die, selig im Gebären,
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Sich ihrer Wehen freut;
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Das brauset in den Tiefen,
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Das blitzt am Firmament,
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Die Geister, welche schliefen,
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Jetzt jedes Kind erkennt.
 
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Sie schreiten schön gerüstet
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Daher im Himmelschein,
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Und jedes Herz gelüstet
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In ihrer Schar zu sein;
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So wie die Kindlein eigen
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Der lieben Mutter sind,
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Naht ihnen frommes Neigen
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Ein jedes Menschenkind.
 
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Der erste ist der Glaube,
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Er trägt den Kreuzesbaum
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Und blicket von dem Staube
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Hinauf zum Sternenraum:
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Hienieden ist sein Sehnen
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Und seine Freude nicht,
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Der Himmel nur lockt Tränen
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Von seinem Angesicht.
 
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Von allen Himmelsbräuten
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Das allerschönste Kind
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Geht Hoffnung ihm zur Seiten,
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Gar lieblich, zart und lind:
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Sie weiß nichts von der Erden
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Noch von der Erdenfreud',
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Will gern ein Engel werden
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Und trägt ein grünes Kleid.
 
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Die dritte heißt die Liebe,
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Trägt einen Dornenstrauch
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Und saugt mit süßem Triebe
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Der roten Rosen Hauch:
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Sie meldet, daß im Leide
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Die höchste Wonne blüht,
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Drum Wehmut mit der Freude
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Ihr als Geleite zieht.
 
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Es wandeln still und leise
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Die Himmelsboten drei,
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Gar hold ist ihre Weise
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Wie Kinderspiel im Mai,
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Sie spielen tausendfaltig
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Dahin im Ernst und Scherz,
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Daß Gottes Kraft gewaltig
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Entflammt das Menschenherz.
 
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Und mit Posaunenschalle
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Ertost es durch die Welt:
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Ihr Völker, kommet alle!
92 
Gott führet an, der Held.
93 
Hinein, hinein mit Freuden!
94 
Hinein ins blut'ge Feld,
95 
Für Recht und Licht zu streiten!
96 
Gott führet an, der Held.
 
97 
Du hast es wohl vernommen,
98 
Mein heil'ges deutsches Land;
99 
Du Vaterland der Frommen,
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Nach Helden viel genannt,
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Du zogst den kühnen Degen
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Mit Gott für heil'gen Krieg,
103 
Und über dir war Segen,
104 
Und neben dir stand Sieg.
 
105 
O Land der alten Treue!
106 
Mein deutsches Vaterland!
107 
Du hast des Himmels Weihe,
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Du hast sein Unterpfand:
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Halt fest mit starkem Sinne,
110 
Was Gott der Herr dir gab,
111 
Des Himmels reine Minne,
112 
Die ist der Heere Stab,
 
113 
Die ist der Heere Fahne,
114 
Ihr Stahl und ihre Burg
115 
Und ficht im hehren Wahne
116 
Die Todesschlachten durch;
117 
Die sei in allen Tagen
118 
Im Frieden und im Streit
119 
Dein Wollen und dein Wagen
120 
Nun und in Ewigkeit.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (33.3 KB)

Details zum Gedicht „Das Lied vom heiligen deutschen Lande“

Anzahl Strophen
15
Anzahl Verse
120
Anzahl Wörter
521
Entstehungsjahr
1813
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Lied vom heiligen deutschen Lande“ wurde von Ernst Moritz Arndt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verfasst. Arndt ist bekannt als bedeutender Schriftsteller und früher Nationalist in Deutschland.

Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht einen Eindruck von Stolz, Glorie und Feierlichkeit. Es scheint die deutsche Nation im Kontext göttlicher Legitimation und Manifestation zu präsentieren und weist religiöse und nationalistische Untertöne auf.

Inhaltlich beginnt das Gedicht mit der Darstellung eines mystischen, fast magischen Ereignisses, das die Seelen berührt und eine universelle Reaktion hervorruft. Dieses Ereignis wird in den späteren Strophen als das Erscheinen Gottes, des „alten Retters“, in einem Sturm dargestellt, der sowohl Bestrafung als auch Erlösung bringt. Arndt eröffnet dann das Thema der Ehre und Tugend und wie diese von Gott belohnt werden. Hier wird die Nation als Sammlung derjenigen dargestellt, die zur Sühne ihres Landes bereit waren. Mit den Worten „Wir sind frei!“ proklamiert das lyrische Ich die Befreiung von Tyrannei und Wahn und reicht somit in das Kernthema des Gedichts: die Huldigung der deutschen Nation. Die letzten Strophen tragen den Aufruf zu weiteren Heldentaten zur Ehre des Landes und vermitteln die Botschaft, dass Gott auf der Seite der Deutschen steht.

Dieses Gedicht könnte als Hymne auf die deutsche Nation und ihre angebliche göttliche Vorherbestimmung interpretiert werden. Arndt proklamiert eine tiefe Verbindung zwischen Glaube, Hoffnung, Liebe und dem Kampf für das deutsche Vaterland und mobilisiert damit patriotische Emotionen.

Das Gedicht besteht aus fünfzehn Oktaven, es folgt kein festgelegtes Reimschema. Es kommen sowohl Paar- als auch Kreuzreime vor, was zur Melodik und Rhythmik des Gedichts beiträgt. Versform und Wortwahl sind recht einfach und zugänglich, allerdings verwendet Arndt durchgehend pathetische und dramatische Ausdrücke, um seine Botschaft zu betonen. Es handelt sich um ein Gedicht, das eher auf den emotionalen Ausdruck abzielt als auf eine subtile Poetik. Zusammengefasst handelt es sich bei „Das Lied vom heiligen deutschen Lande“ um ein nationalistisches und religiös gefärbtes Loblied auf das deutsche Vaterland, das zum patriotischen Handeln aufruft. Dabei bedient sich Arndt einer einfachen, aber emotional aufgeladenen Sprache und Form.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Das Lied vom heiligen deutschen Lande“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Ernst Moritz Arndt. Geboren wurde Arndt im Jahr 1769 in Groß Schoritz (Rügen). Im Jahr 1813 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Klassik oder Romantik zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das Gedicht besteht aus 120 Versen mit insgesamt 15 Strophen und umfasst dabei 521 Worte. Die Gedichte „Die Zaunranke und der Klee“, „Elegie“ und „Die Biene und der Lenz“ sind weitere Werke des Autors Ernst Moritz Arndt. Zum Autor des Gedichtes „Das Lied vom heiligen deutschen Lande“ haben wir auf abi-pur.de weitere 285 Gedichte veröffentlicht.

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