Der Mohrenkönig von Heinrich Heine
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In’s Exil der Alpuxarren |
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Zog der junge Mohrenkönig; |
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Schweigsam und das Herz voll Kummer |
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Ritt er an des Zuges Spitze. |
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Hinter ihm auf hohen Zeltern |
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Oder auch in güldnen Sänften |
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Saßen seines Hauses Frauen; |
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Schwarze Mägde trägt das Maulthier. |
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Hundert treue Diener folgen |
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Auf arabisch edlen Rappen; |
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Stolze Gäule, doch die Reiter |
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Hängen schlottrig in den Sätteln. |
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Keine Zymbel, keine Pauke, |
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Kein Gesangeslaut ertönte; |
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Nur des Maulthiers Silberglöckchen |
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Wimmern schmerzlich in der Stille. |
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Auf der Höhe, wo der Blick |
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In’s Duero-Thal hinabschweift, |
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Und die Zinnen von Granada |
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Sichtbar sind zum letzten Male: |
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Dorten stieg vom Pferd der König |
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Und betrachtete die Stadt, |
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Die im Abendlichte glänzte, |
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Wie geschmückt mit Gold und Purpur. |
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Aber, Allah! Welch ein Anblick! |
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Statt des vielgeliebten Halbmonds, |
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Prangen Spaniens Kreuz und Fahnen |
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Auf den Thürmen der Alhambra. |
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Ach, bei diesem Anblick brachen |
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Aus des Königs Brust die Seufzer, |
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Thränen überströmten plötzlich |
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Wie ein Sturzbach seine Wangen. |
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Düster von dem hohen Zelter |
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Schaut herab des Königs Mutter, |
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Schaut auf ihres Sohnes Jammer, |
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Und sie schalt ihn stolz und bitter. |
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„Boabdil el Chico,“ sprach sie, |
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„Wie ein Weib beweinst du jetzo |
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Jene Stadt, die du nicht wußtest |
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Zu vertheid’gen wie ein Mann.“ |
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Als des Königs liebste Kebsin |
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Solche harte Rede hörte, |
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Stürzte sie aus ihrer Sänfte |
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Und umhalste den Gebieter. |
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„Boabdil el Chico,“ sprach sie, |
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„Tröste dich, mein Heißgeliebter, |
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Aus dem Abgrund deines Elends |
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Blüht hervor ein schöner Lorbeer. |
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„Nicht allein der Triumphator, |
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Nicht allein der sieggekrönte |
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Günstling jener blinden Göttin, |
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Auch der blut’ge Sohn des Unglücks, |
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„Auch der heldenmüth’ge Kämpfer, |
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Der dem ungeheuren Schicksal |
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Unterlag, wird ewig leben |
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In der Menschen Angedenken.“ |
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„Berg des letzten Mohrenseufzers“ |
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Heißt bis auf den heut’gen Tag |
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Jene Höhe, wo der König |
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Sah zum letzten Mal Granada. |
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Lieblich hat die Zeit erfüllet |
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Seiner Liebsten Prophezeiung, |
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Und des Mohrenkönigs Name |
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Ward verherrlicht und gefeiert. |
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Nimmer wird sein Ruhm verhallen, |
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Ehe nicht die letzte Saite |
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Schnarrend losspringt von der letzten |
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Andalusischen Guitarre. |
Details zum Gedicht „Der Mohrenkönig“
Heinrich Heine
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1851
Junges Deutschland & Vormärz
Gedicht-Analyse
Der Autor des Gedichts „Der Mohrenkönig“ ist Heinrich Heine, ein deutscher Dichter, Schriftsteller und Journalist des 19. Jahrhunderts. Ein genaues Erstellungsjahr für dieses spezielle Gedicht ist unbekannt, aber es ist wahrscheinlich, dass es während seiner aktiven Schaffensperiode zwischen 1815 und 1856 entstand.
Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht sowohl melancholisch als auch sentimental. Die Szenen sind detailliert beschrieben, was ein starkes, bildhaftes Gefühl der Verlorenheit, Sehnsucht und Trauer hervorruft.
Im Großen und Ganzen erzählt das Gedicht die Geschichte eines jungen Mohrenkönigs namens Boabdil el Chico, der ins Exil zieht „der Alpuxarren“. Er verlässt seine Stadt Granada, begleitet von den Frauen seines Hauses, schwarzen Dienerinnen und hundert treuen Dienern. Als sie auf einem Hügel ankommen, von dem aus sie das letzte Mal seine Stadt sehen können, bricht der König in Tränen aus. Seine Mutter schimpft auf ihn für seinen Schmerz, während seine Lieblingsgemahlin Trost spendet und ihm erklärt, dass er auch im Unglück zu ewigem Ruhm kommen kann.
Die Form des Gedichts ist strukturiert und ordentlich verwoben. Es besteht aus siebzehn vierzeiligen Strophen, die jeweils eine klare Beschreibung oder eine Handlung darstellen. Es ist in Blankvers geschrieben, welcher häufig in der Lyrik des 19. Jahrhunderts genutzt wurde.
Die Sprache des Gedichts ist reichhaltig und bildhaft. Heine verwendet zahlreiche Metaphern und bildliche Ausdrücke, um nicht nur den melancholischen Zustand des Königs darzustellen, sondern auch ein lebhaftes Porträt des Exils und der damaligen gesellschaftlichen Bedingungen zu zeichnen. Gerade Worte wie 'schweigsam', 'schwarze Mägde', 'schmerzlich', und 'Tränen' erzeugen eine Atmosphäre der Melancholie und des Kummer.
Zusammenfassend lädt „Der Mohrenkönig“ den Leser dazu ein, die emotionalen Höhen und Tiefen des Königs Boabdil el Chico zu erleben, während er sein Königreich und sein Zuhause verlässt. Unterstrichen wird dies durch die sorgfältige Struktur und die lebendige, ausdrucksstarke Sprache von Heinrich Heine.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Der Mohrenkönig“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Heinrich Heine. Der Autor Heinrich Heine wurde 1797 in Düsseldorf geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1851. In Hamburg ist der Text erschienen. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Bei Heine handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 68 Versen mit insgesamt 17 Strophen und umfasst dabei 324 Worte. Der Dichter Heinrich Heine ist auch der Autor für Gedichte wie „Alte Rose“, „Altes Lied“ und „Am Golfe von Biskaya“. Zum Autor des Gedichtes „Der Mohrenkönig“ haben wir auf abi-pur.de weitere 535 Gedichte veröffentlicht.
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