Der Mensch und sein Schatte von Johann Gottfried Herder

„Sage, was hab’ ich mit dir?
Du bist vor und hinter mir,
Oeder Schatte, schwarzer Geist,
Der mein Nichts mir immer weis’t,“
 
„Tadelst du o Freund ein Bild,
Das dein Wesen dir enthüllt?
Ohne jenes Lichtes Glanz
Bist du selbst ein Schatte ganz.
 
Steht die Sonne vor dir hier,
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Schleich’ ich nur im Rücken dir;
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Wird sie dir im Rücken stehn,
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Wird dein Schatte vor dir gehn.“
 
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„Alte Fabel! Ruhm und Glück
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Wechseln mit der Sonne Blick;
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Aber Ehre, Glück und Ruhm
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Sind selbst Schatten um und um.“
 
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„Nein o Freund, des Lebens Licht
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Ist Vernunft; die fliehe nicht.
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Wird sie dir im Rücken stehn,
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Wird dein Schatte vor dir gehn.“
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Der Mensch und sein Schatte“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
112
Entstehungsjahr
1787
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von Johann Gottfried Herder, einem deutschen Dichter, Übersetzer, Theologen und Philosophen aus der Zeit der Aufklärung. Die Zeit der Aufklärung, der Herder zugeordnet wird, datiert ungefähr von Mitte des 17. Jahrhunderts bis Anfang des 19. Jahrhunderts.

Beim ersten Lesen fällt auf, dass das Gedicht in Form eines Dialogs zwischen dem lyrischen Ich und seinem Schatten aufgebaut ist. Es erweckt den Eindruck einer Reflexion und Debatte über die menschliche Existenz und ihren Wert.

Der Inhalt dieses Gedichts dreht sich um die Interaktion zwischen dem lyrischen Ich und seinem Schatten, welche metaphorisch für die Beziehung des Menschen zu sich selbst steht. Das lyrische Ich hinterfragt zuerst die Bedeutung und Rolle seines Schattens, der ihm stets seine eigene Nichtexistenz aufzeigt. Doch der Schatten antwortet, dass er nur das reflektiert, was das lyrische Ich selbst ist. Der Schatten weist dann darauf hin, dass seine Position - vor oder hinter dem lyrischen Ich - abhängig von der Position der Sonne ist, und wiederum ein Spiegelbild dessen ist, treiben oder geführt werden.

Diese Diskussion wird fortgesetzt, mit der Erkenntnis des lyrischen Ichs, dass Ruhm, Glück und Ehre vergänglich sind, wie der wechselnde Blick der Sonne. Schließlich rät der Schatten dem lyrischen Ich, die Vernunft nicht zu vernachlässigen, da diese das wahre Leben beleuchtet und die Orientierung gibt.

Die Form des Gedichts ist regelmäßig strukturiert mit Strophen, die jeweils vier Verse enthalten. Die Sprache des Gedichts ist relativ einfach und direkt, obwohl der zugrunde liegende Inhalt komplex und tiefgründig ist. Die bildliche Darstellung des Schattens und der Sonne verleiht dem Gedicht eine visuelle Dimension, die das Verständnis erleichtert.

Zusammenfassend interpretiert, behandelt Herders Gedicht die Themen Selbstbewusstsein, Vergänglichkeit und die Rolle der Vernunft im Leben. Es fordert die Leser dazu auf, sich ihrer Existenz bewusst zu sein und den Wert der Vernunft als leitendes Licht zu erkennen. Es zeigt auch auf, dass materielle und oberflächliche Werte wie Ruhm, Glück und Ehre vergänglich sind, ähnlich wie der wechselnde Schatten, der von der Position der Sonne abhängt.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Mensch und sein Schatte“ ist Johann Gottfried Herder. 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1787 entstanden. Erschienen ist der Text in Gotha. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Zwischen den Epochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren von 1765 bis 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das philosophische und literarische Denken in Deutschland. Der Sturm und Drang kann als eine Jugend- und Protestbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale verstanden werden. Das Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung brachte die wesentlichen Merkmale dieser Epoche hervor. Bei den Vertretern der Epoche des Sturm und Drang handelte es sich vorwiegend um junge Autoren. Die Schriftsteller versuchten in den Gedichten eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die alten Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Die Literaturepoche der Weimarer Klassik dauerte von 1786 bis 1832 an. Zentrale Vertreter dieser Literaturepoche waren Goethe und Schiller. Die zeitliche Abgrenzung orientiert sich dabei an dem Schaffen Goethes. So wird dessen erste Italienreise im Jahr 1786 als Beginn der deutschen Klassik angesehen, die dann mit seinem Tod im Jahr 1832 ihr Ende nahm. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind gebräuchliche Bezeichnungen für die Literaturepoche. Der Begriff Humanität ist prägend für die Zeit der Weimarer Klassik. Die wichtigsten inhaltlichen Merkmale der Klassik sind: Selbstbestimmung, Harmonie, Menschlichkeit, Toleranz und die Schönheit. Typisch ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal der Literaturepoche des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Vernunft und Gefühl. Die Dichter haben in der Klassik auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. Die Hauptvertreter der Klassik sind Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.

Das 112 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „Apollo“, „Bilder und Träume“ und „Das Flüchtigste“. Zum Autor des Gedichtes „Der Mensch und sein Schatte“ haben wir auf abi-pur.de weitere 413 Gedichte veröffentlicht.

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