Heimkehr von Rudolf Gottschall

Es schnauben die Rosse, die Brücke schwankt!
Der Bettler zieht den Hut und dankt
Für die geschenkten Heller.
Da liegt das Städtchen im Abendlicht,
Das sich auf hundert Scheiben bricht
O schneller, ihr Rosse, schneller!
 
Da ist es ja noch das alte Thor!
Hier ragt der alte Turm empor,
Die graue, verfallne Mauer!
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Und drüber eine Wolke schleicht,
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Und leise, leise herniederstreicht
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Ein flücht'ger Regenschauer.
 
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Und das ist noch das graue Haus,
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Am Fenster noch der Blumenstrauß,
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Die grünen Läden offen;
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Hier saßen wir selig Hand in Hand,
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Und sahen hinaus ins weite Land
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Mit trunknem Sehnen und Hoffen.
 
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O Träume, in die sich mein Sinn verlor!
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Was halten die Rosse hier am Thor?
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Mich faßt ein eisiger Schauer,
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Ich peitsche hinweg das treue Gespann,
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Das unser Glück nicht vergessen kann,
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Bis an die Kirchhofmauer.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Heimkehr“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
135
Entstehungsjahr
1823 - 1909
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Heimkehr“ ist Rudolf Gottschall. Gottschall wurde 1823 geboren und starb 1909, was das Gedicht in die Epoche des Realismus einordnet, die etwa von 1850 bis 1890 angesiedelt ist.

Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht das Bild einer nostalgischen Rückkehr in eine lang verlassene Heimatstadt. Es herrscht eine melancholische und emotionale Atmosphäre, die durch die detaillierte Beschreibung der vertrauten Orte und ihre Verknüpfung mit persönlichen Erinnerungen des lyrischen Ichs hervorgerufen wird.

Im weiteren Verlauf offenbart das Gedicht eine Narration, in welcher ein Reisender, das lyrische Ich, in seine Heimatstadt zurückkehrt, die durch die dargestellten Pferde (Rosse) repräsentiert wird. Das lyrische Ich erinnert sich an die Zeit, die es in dieser Stadt verbracht hat, und kommentiert wie altbekannte Bauwerke - wie das Tor, der Turm und die Mauer - noch genauso existieren, wie es sie in Erinnerung hat. Im dritten Abschnitt stellt das lyrische Ich fest, dass auch das Haus, in welchem es lebte, samt dem offenen Fenster und einem Strauß Blumen, unverändert geblieben ist. Es erinnert sich, wie es damals mit jemandem Hand in Hand saß und voller Hoffnung in die Zukunft blickte.

Durch die Formulierung „O Träume, in die sich mein Sinn verlor!“ am Anfang der letzten Strophe ändert sich die Stimmung drastisch. Hieraus kann interpretiert werden, dass die Betrachtung der vertrauten Szenen und die wiederbelebten Erinnerungen im lyrischen Ich gescheiterte Träume und Verlustgefühle hervorrufen. Insbesondere durch die Aussage „Mich faßt ein eisiger Schauer“ verdeutlicht Gottschall eine innere Erstarrung des lyrischen Ichs, das plötzlich die Pferde abwehrt und bis an die „Kirchhofmauer“ fährt, was symbolisch für Tod und Vergänglichkeit steht.

Das Gedicht ist in Vierzeilern geschrieben, wobei jeweils der zweite und der vierte Vers sich reimen. Die Sprache des Gedichts ist bildhaft und emotional; besonders auffallend ist die Verwendung von Pathos und Metaphern, um die Gefühle des lyrischen Ichs zu betonen. Gottschall nutzt sorgfältig ausgewählte Verben und Adjektive, um eine lebhafte und detailreiche Darstellung des Settings und der damit einhergehenden Emotionen herbeizuführen. Der wiederholte Ausruf „O schneller, ihr Rosse, schneller!“ am Ende der ersten Strophe wirkt wie ein dringender Appell, was die Vorfreude auf die Heimkehr und das Erleben der Erinnerungen intensiviert, aber gleichzeitig auch die bevorstehende Verzweiflung und Trauer vorwegnimmt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Heimkehr“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Rudolf Gottschall. Geboren wurde Gottschall im Jahr 1823 in Breslau. Zwischen den Jahren 1839 und 1909 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zuordnen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 135 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Rudolf Gottschall sind „Naturfrieden“, „Am Rhein“ und „Herrnhuter Romanze“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Heimkehr“ weitere 10 Gedichte vor.

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