Der Kriegslieferant von Kurt Tucholsky
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Du wohntest irgendwo am Friedrichshaine. |
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Auf deiner Ehe ruhte Gottes Segen |
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(sechs Kinder). Deine säuerlichen Weine |
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ernährten nebst Versicherungsverträgen, |
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den Renntips, auch wohl einem Spielchen „Meine |
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und deine Tante“ dich noch allerwegen. |
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Bald hattst du nichts, bald hattst du blaue Scheine. |
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Oft sah man deine Frau die Treppen fegen. |
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Doch als der Welt vor Angst die Pulse stocken, |
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wirfst du dich auf die Marke „Suppenkraft“ – |
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Da stieg dein Stern! In der Gemahlin Locken |
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blitzt die Agraffe auf im Band von Taft. |
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Von Paulchen Thumann, Stoewer und van Gocken |
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hast du dir schnell das Nötigste errafft. |
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Und läuten einmal uns die Friedensglocken: |
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Was kost’t Berlin? Du hast das Ding geschafft! |
Details zum Gedicht „Der Kriegslieferant“
Kurt Tucholsky
2
16
110
1919
Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit,
Exilliteratur
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht „Der Kriegslieferant“ wurde von Kurt Tucholsky verfasst, einem bedeutenden deutschen Journalisten und Schriftsteller des beginnenden 20. Jahrhunderts. Tucholsky lebte und schrieb in einer Zeit politischer und sozialer Umbrüche, die durch die beiden Weltkriege, die Weimarer Republik und das Aufkommen des Nationalsozialismus gekennzeichnet war.
Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht nüchtern und sarkastisch, wenn es die Geschichte eines einfachen Mannes erzählt, der zum Kriegslieferanten aufsteigt und seinen Wohlstand auf Kosten anderer vermehrt. Das lyrische Ich spricht in ironischem Tonfall von einem Mann, der in prekären Verhältnissen lebt, aber durch den Krieg plötzlich zu Geld und Ansehen kommt. Er profitiert von der Angst und Not der Menschen während des Krieges, indem er Nahrungsmittel und andere lebensnotwendige Güter liefert.
Der Inhalt des Gedichts, einfach ausgedrückt, handelt von diesem Mann, der ursprünglich sparsam lebt, dann aber durch den Krieg zum Geschäftsmann wird und es versteht, sich an den Leidenschaften und Ängsten der Menschen finanziell zu bereichern. Dabei zeigt Tucholsky die Absurdität und Amoralität des Systems auf, in dem jemand, der von Krieg profitiert, als erfolgreicher Geschäftsmann gefeiert wird.
Formal besteht das Gedicht aus zwei Strophen à acht Versen. Tucholsky verwendet eine einfache, verständliche Sprache, die den sarkastischen Ton des Gedichts unterstützt. Er spielt mit Alltagsbegriffen und -situationen, verwendet humoristische Wortspiele („Suppenkraft“) und baut eine absurde und groteske Realität auf.
Die Botschaft des Gedichts ist eine scharfe Kritik an Krieg und Kapitalismus. Tucholsky prangert die Tatsache an, dass in Zeiten des Krieges einige wenige von der Not der vielen profitieren können. Er unterstreicht auch die Absurdität eines Systems, das solche Ausbeutung ermöglicht und sogar fördert. Zudem stellt er die Frage nach der menschlichen Moral in Zeiten des Krieges und nach der Gerechtigkeit einer Gesellschaft, die eine solche Ausbeutung zulässt.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Der Kriegslieferant“ ist Kurt Tucholsky. Geboren wurde Tucholsky im Jahr 1890 in Berlin. Im Jahr 1919 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Charlottenburg. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit oder Exilliteratur zu. Der Schriftsteller Tucholsky ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 und die daraufhin folgende Entstehung und der Fall der Republik hatten erheblichen Einfluss auf die Literatur der Weimarer Republik. Das wohl bedeutendste Merkmal der Literatur in der Weimarer Republik ist die Neue Sachlichkeit, die so heißt, da sie schlicht, klar, sachlich und hoch politisch ist. Die Literatur dieser Zeit war nüchtern und realistisch. Ebenso stellt sie die moderne Gesellschaft kühl distanziert, beobachtend, dokumentarisch und exakt dar. Die Autoren der Literaturepoche wollten so viele Menschen wie möglich mit ihren Texten erreichen, deshalb wurde eine einfache und nüchterne Alltagssprache verwendet. Die Freiheit von Wort und Schrift war zwar verfassungsmäßig garantiert, doch bereits 1922 wurde nach der Ermordung eines Politikers das Republikschutzgesetz erlassen, das diese Freiheit wieder einschränkte. Viele Schriftsteller litten unter dieser Zensur. Dieses Gesetz wurde in der Praxis nur gegen linke Autoren angewandt, nicht aber gegen rechte, die teils in ihren Werken offen Gewalt verherrlichten. Das 1926 erlassene Schund- und Schmutzgesetz verstärkte die Grenzen der Zensur nochmals. Später als die Pressenotverordnung im Jahr 1931 in Kraft trat, war sogar die Beschlagnahmung von Schriften und das Verbot von Zeitungen über mehrere Monate möglich.
Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Autoren, die ins Exil gehen, also ihre Heimat verlassen mussten. Dies geschah insbesondere zu Zeiten des Nationalsozialismus. Die Exilliteratur geht aus diesem Umstand hervor. Der Ausgangspunkt der Exilbewegung Deutschlands war der Tag der Bücherverbrennung am 30. Mai 1933. Die Exilliteratur der Literaturgeschichte Deutschlands bildet eine eigene Literaturepoche und folgt auf die Neue Sachlichkeit der Weimarer Republik. Themen wie Verlust der eigenen Kultur, existenzielle Probleme, Sehnsucht nach der Heimat oder Widerstand gegen den Nationalsozialismus sind typisch für diese Epoche der Literatur. Bestimmte formale Merkmale lassen sich jedoch nicht finden. Die Exilliteratur weist häufig einen Pluralismus der Stile (Expressionismus, Realismus), eine kritische Betrachtung der Wirklichkeit und eine Distanz zwischen Werk und Leser oder Publikum auf. Sie hat häufig die Absicht zur Aufklärung und möchte gesellschaftliche Entwicklungen aufzeigen (wandelnder Mensch, Abhängigkeit von der Gesellschaft).
Das 110 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 2 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Kurt Tucholsky sind „’s ist Krieg!“, „Abschied von der Junggesellenzeit“ und „Achtundvierzig“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Kriegslieferant“ weitere 136 Gedichte vor.
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Zum Autor Kurt Tucholsky sind auf abi-pur.de 136 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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