Bruder Liederlich von Detlev von Liliencron

Die Feder am Sturmhut in Spiel und Gefahren,
Halli.
Nie lernt ich im Leben fasten und sparen,
Hallo.
Der Dirne laß ich die Wege nicht frei,
Wo Männer sich raufen, da bin ich dabei,
Und wo sie saufen, da sauf ich für drei.
Halli und Hallo.
 
Verdammt, es blieb mir ein Mädchen hängen,
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Halli.
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Ich kann sie mir nicht aus dem Herzen zwängen,
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Hallo.
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Ich glaube, sie war erste siebzehn Jahr,
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Trug rote Bänder im schwarzen Haar
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Und plauderte wie der lustigste Star.
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Halli und Hallo.
 
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Was hatte das Mädel zwei frische Backen,
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Halli.
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Krach, konnten die Zähne die Haselnuß knacken,
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Hallo.
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Sie hat mir das Zimmer mit Blumen geschmückt,
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Die wir auf heimlichen Wegen gepflückt;
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Wie hab ich dafür ans Herz sie gedrückt!
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Halli und Hallo.
 
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Ich schenkt ihr ein Kleidchen von gelber Seiden,
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Halli.
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Sie sagte, sie möcht mich unsäglich gern leiden,
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Hallo.
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Und als ich die Taschen ihr vollgesteckt
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Mit Pralines, Feigen und feinem Konfekt,
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Da hat sie von morgens bis abends geschleckt.
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Halli und Hallo.
 
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Wir haben süperb uns die Zeit vertrieben,
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Halli.
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Ich wollte, wir wären zusammen geblieben,
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Hallo.
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Doch wurde die Sache mir stark ennuyant,
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Ich sagte ihr, daß mich die Regierung ernannt,
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Kamele zu kaufen in Samarkand.
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Halli und Hallo.
 
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Und als ich zum Abschied die Hand gab der Kleinen,
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Halli.
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Da fing sie bitterlich an zu weinen,
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Hallo.
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Was denk ich just heut ohn Unterlaß,
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Daß ich ihr so rauh gab den Reisepaß ...
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Wein her, zum Henker, und da liegt Trumpf Aß!
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Halli und Hallo.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27 KB)

Details zum Gedicht „Bruder Liederlich“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
253
Entstehungsjahr
1844 - 1909
Epoche
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Bruder Liederlich“ wurde von Detlev von Liliencron geschrieben, einem deutschen Lyriker und Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. Zeitlich lässt sich das Gedicht in die Epoche des Naturalismus einordnen.

Auf den ersten Blick erweckt dieses Gedicht den Eindruck von einer lockeren und ungezwungenen Lebenshaltung. Das lyrische Ich, vermutlich der titelgebende „Bruder Liederlich“, scheint ein ungebundener, freigeistiger Charakter zu sein, der sein Leben in vollen Zügen genießt und sich nicht um gesellschaftliche Normen oder Erwartungen kümmert.

Inhaltlich wird uns das „leichtlebige“ Verhalten des lyrischen Ichs präsentiert: Der ständige Wechsel zwischen Spiel und Gefahr, das fehlende Maß an Sparsamkeit und Zurückhaltung, die flirtende Natur und der Genuss von Alkohol. Im weiteren Verlauf des Gedichts offenbart sich eine unerwartete Tonalität - das lyrische Ich erzählt von einer jungen Frau, die ihm das Herz bricht. Trotz der Zuneigung zu ihr und der gemeinsamen guten Zeiten, verlässt das lyrische Ich sie, weil er sich langweilt, und rechtfertigt seine Abreise mit einer fadenscheinigen Begründung. Der Abschied ist für die junge Frau schmerzvoll, und das lyrische Ich zeigt Reue und Bedauern.

Die Form des Gedichts ist geprägt durch regelmäßige Strophen mit jeweils acht Versen. Jede Strophe endet mit den Worten „Halli und Hallo“, was dem Gedicht eine Lied- oder Balladenstruktur verleiht. Zudem unterstreicht diese Wiederholung das kontrastreiche Leben des lyrischen Ichs, das zwischen wilder Freude und tiefem Bedauern hin- und herpendelt.

Die Sprache des Gedichts ist direkt und unverblümt, teilweise sogar humorvoll oder ironisch. Die Sätze sind kurz und knapp formuliert und erzeugen so eine Art Erzählrhythmus. Der Text ist reich an bildlichen Ausdrücken und Metaphern, die die bunten und lebhaften Erfahrungen des lyrischen Ichs lebendig werden lassen. Die grobe Sprache und fehlende Eleganz spiegeln die respektlose und rebellische Einstellung des lyrischen Ichs wider - ein Mann, der sich nur seinen eigenen Regeln unterwirft.

Abschließend kann man sagen, dass „Bruder Liederlich“ ein Gedicht über Hedonismus, Reue und Verlust ist – und dabei den Freiheitsdrang des lyrischen Ichs gegen die gesellschaftlichen Normen der Zeit und die zermürbenden Auswirkungen seiner Entscheidungen aufzeigt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Bruder Liederlich“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Detlev von Liliencron. Der Autor Detlev von Liliencron wurde 1844 in Kiel geboren. Im Zeitraum zwischen 1860 und 1909 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Naturalismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Liliencron handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 48 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 253 Worte. Weitere Werke des Dichters Detlev von Liliencron sind „Herbst“, „Dorfkirche im Sommer“ und „Der Blitzzug“. Zum Autor des Gedichtes „Bruder Liederlich“ haben wir auf abi-pur.de weitere 63 Gedichte veröffentlicht.

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