Abschied von Detlev von Liliencron

Ein Birkchen stand am Weizenfeld,
gab Schatten kaum erst sechzehn Jahr.
Das hat den Bauer sehr erbost,
daß die paar Fuß der Sonne bar.
 
Ich ging vorbei, der Bauer schlug,
dem Stämmchen ward so wund und weh.
Es quält die Art, das Bäumchen ächzt
und ruft mir zu: ?Ade, ade!"
 
Die Krone schwankt, ein Vöglein kam,
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das seinen Frieden hatte dort,
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noch einmal sucht im Hin und Her
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das Krallchen Halt im grünen Port.
 
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Das Bäumchen sinkt, der Vogel fliegt
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mit wirrem Zwitscherlaut ins Land.
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Ich schämte mich vor Baum und Tier
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und schloß die Augen mit der Hand.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Abschied“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
99
Entstehungsjahr
1844 - 1909
Epoche
Naturalismus

Gedicht-Analyse

Der Autor des vorliegenden Gedichts ist Detlev von Liliencron, ein deutscher Dichter und Schriftsteller, der von 1844 bis 1909 lebte. Somit lässt sich das Werk in die Epoche des Realismus einordnen, eine literarische Epoche, die sich durch eine detaillierte Darstellung der Wirklichkeit auszeichnet.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht 'Abschied' melancholisch und traurig. Es schildert die Aktionen und Gefühle um das Fällen eines jungen Birkenbaums, der den Bauer wegen seines Schattens irritiert hat. Es wird eine enge Verbindung zwischen Mensch und Natur dargestellt und thematisiert dabei das menschliche Eingreifen in die Natur, insbesondere das Leid, das dadurch verursacht wird.

Inhaltlich drückt das lyrische Ich durch seine Beobachtung der Situation sein Bedauern und seine Empathie gegenüber dem Baum aus. Der Baum wird als lebendiges Wesen dargestellt, das Schmerz empfindet („dem Stämmchen ward so wund und weh.“) und sogar Abschied nehmen kann („Ade, ade!“). Das lyrische Ich stellt sich entgegen der menschlichen Härte und Empathielosigkeit, die der Bauer zeigt. Die Verbindung zum Baum wird weiter durch die Reaktion des Vogels vertieft, der seinen sicheren Platz verliert und ins Land fliegt. Am Ende zeigt das lyrische Ich Scham und Bedauern und schließt die Augen, möglicherweise um den Anblick zu vermeiden und seine Hilflosigkeit in dieser Situation auszudrücken.

Form und Sprache des Gedichts sind recht einfach und unprätentiös, passend zur Realismus-Epoche. Die Strophen sind klassisch in vier Verse unterteilt, wobei der einfache und direkte sprachliche Ausdruck die Darstellung der Situation und die Emotionen des lyrischen Ichs betont. Während einige Metaphern und personifizierte Darstellungen verwendet werden („dem Stämmchen ward so wund und weh“, „die Krone schwankt“), ist die Sprache insgesamt sehr direkt und einsichtig, was wiederum den Realismus-Wert des Gedichts unterstreicht. Das Gedicht ist also nicht nur eine Kritik an der Zerstörung der Natur durch den Menschen, sondern auch ein Ausdruck der Emotionen und der Empathie des lyrischen Ichs gegenüber der Natur.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Abschied“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Detlev von Liliencron. 1844 wurde Liliencron in Kiel geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1860 und 1909. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her der Epoche Naturalismus zuordnen. Liliencron ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 99 Worte. Weitere Werke des Dichters Detlev von Liliencron sind „Herbst“, „Dorfkirche im Sommer“ und „Der Blitzzug“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Abschied“ weitere 63 Gedichte vor.

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