Der Junggeselle von Rainer Maria Rilke

Lampe auf den verlassenen Papieren,
und ringsum Nacht bis weit hinein ins Holz
der Schränke. Und er konnte sich verlieren
an sein Geschlecht, das nun mit ihm zerschmolz;
ihm schien, je mehr er las, er hätte ihren,
sie aber hatten alle seinen Stolz.
 
Hochmütig steiften sich die leeren Stühle
die Wand entlang, und lauter Selbstgefühle
machten sich schläfernd in den Möbeln breit;
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von oben goß sich Nacht auf die Pendüle,
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und zitternd rann aus ihrer goldnen Mühle
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ganz fein gemahlen, seine Zeit.
 
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Er nahm sie nicht. Um fiebernd unter jenen,
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als zöge er die Laken ihrer Leiber,
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andre Zeiten wegzuzerrn.
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Bis er ins Flüstern kam; (was war ihm fern?)
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Er lobte einen dieser Briefeschreiber,
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als sei der Brief an ihn: wie du mich kennst;
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und klopfte lustig auf die Seitenlehnen.
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Der Spiegel aber, innen unbegrenzter,
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ließ leise einen Vorhang aus, ein Fenster -:
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denn dorten stand, fast fertig, das Gespenst.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Der Junggeselle“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
22
Anzahl Wörter
150
Entstehungsjahr
1918
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Der Junggeselle“ ist Rainer Maria Rilke, ein wichtiger Vertreter der Lyrik des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts.

Beim ersten Lesen des Gedichts entsteht ein Eindruck von Traurigkeit und Einsamkeit. Man sieht den Junggesellen allein in einem Zimmer umgeben von Dunkelheit, vertieft in seinen Schriften und Büchern. Das lyrische Ich fokussiert auf die Atmosphäre der Verlassenheit und der Leere im Raum.

Das Gedicht erzählt die Geschichte eines Junggesellen, der in seinem Zimmer sitzt und von der Dunkelheit umgeben ist. Er liest und vertieft sich so sehr in seine Schriften, dass er sich selbst zu verlieren scheint. Die Stille und Verlassenheit des Raumes sowie das stetige Ticken der Uhr führen zu einer fast geisterhaften Stimmung. Er liest bis spät in die Nacht und entfremdet sich dabei zunehmend von der Realität. Der Junggeselle lässt seine Umgebung in den Hintergrund treten und konzentriert sich nur noch auf die in Büchern und Briefen beschriebenen fiktiven Realitäten.

Formal besteht das Gedicht aus drei Strophen unterschiedlicher Länge. Die ersten beiden Strophen bestehen aus sechs Versen, die dritte Strophe aus zehn Versen. Der regelmäßige Wechsel von Jambus und Trochäus verleiht dem Gedicht einen ruhigen Rhythmus und unterstreicht damit die Atmosphäre der Einsamkeit und Stille. Die Sprache Rilkes ist klar und bildreich. Metaphern wie die „leeren Stühle, die die Wand entlang streifen“ oder das von der Pendeluhr „ganz fein gemahlene“ Zeit, verstärken den melancholischen Ton des Gedichts.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Rilkes Gedicht „Der Junggeselle“ die innere Landschaft einer einsamen Figur widerspiegelt. Der Protagonist zieht sich in eine Welt der Bücher und Briefe zurück, in der die reale Welt immer weiter in den Hintergrund tritt. Insbesondere die bildreiche Sprache und die gekonnte Kombination von Metaphern und realen Beobachtungen machen das Gedicht zu einem eindrücklichen Beispiel für Rilkes lyrisches Schaffen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Junggeselle“ des Autors Rainer Maria Rilke. 1875 wurde Rilke in Prag geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1918 entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Leipzig. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Moderne kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das 150 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 22 Versen mit insgesamt 3 Strophen. Der Dichter Rainer Maria Rilke ist auch der Autor für Gedichte wie „Abend in Skaane“, „Absaloms Abfall“ und „Adam“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Junggeselle“ weitere 338 Gedichte vor.

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