Der Horkenstein von Heinrich Kämpchen

Umspielt vom gold’nen Abendschein,
So liegst du da, mein Horkenstein,
Inmitten der begrünten Flur,
Du alter Wächter an der Ruhr.
 
Noch eh’ man schlug die Hermannsschlacht
Hast du gehalten schon die Wacht,
Sah’st du auf diesen heil’gen Höh’n
Die alten Odinseichen steh’n.
 
Da dräute Urwald dicht und wild,
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Doch hier war heiliges Gefild,
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Der Hain mit seiner Götterschar,
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Und du sein Tempel und Altar. –
 
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Und wer in schlimmen Bann verfiel,
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Du gabst ihm Freistatt und Asyl.
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Wer dich erfaßte mit der Hand,
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Er war entsühnt von Mord und Brand.
 
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Doch war der Gau vom Feind bedroht
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Und herrschte um dich Kriegesnot,
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So scholl’s von ander’n Melodei’n,
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In Feld und Kluft, um dich, mein Stein.
 
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Dann dröhnte Kampfruf um dich wild
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Und laut erklangen Speer und Schild,
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Es schwoll der Opferfeuer Glut
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Und deine Rinnen dampften Blut.
 
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Zu dir zog dann das Volk in Hast,
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Der Heerschild hing am Eichenast,
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Der Renner stöhnte unter’m Sporn
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Und schmetternd klang das Gellahorn.
 
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Doch war an uns’rer Väter Herd
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Der Friede wieder eingekehrt,
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So botest du dem flücht’gen Mann
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Asyl und Freistatt wieder an. –
 
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Längst sank dahin, was hehr und schön,
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Entwaldet sind die heil’gen Höh’n.
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Durch Odins alten Götterhag
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Wühlt Karst und Pflug rauh Tag um Tag.
 
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Doch, ist gesunken auch der Hain,
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Du zeugst davon, mein Horkenstein,
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Und schaust von oben noch zu Tal,
40 
Ein unvergänglich Göttermal. –
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Der Horkenstein“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
40
Anzahl Wörter
238
Entstehungsjahr
1909
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Horkenstein“ wurde von Heinrich Kämpchen verfasst, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der vom 23. Mai 1847 bis zum 06. März 1912 lebte. Damit lässt sich das Gedicht zeitlich in das Zeitalter des Naturalismus einordnen, wobei das Werk auch Merkmale des Vormärz und der darauffolgenden Epoche der Dichtung aufweist.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht wie eine nostalgische und zugleich ehrerbietige Hymne auf ein scheinbar altes und bedeutendes Artefakt, den sogenannten „Horkenstein“. Es scheint als würde der Autor eine längst vergangene Ära von Sagen, Legenden und alten Göttern beschwören.

Der Inhalt des Gedichts kreist um das zentrale Motiv des Horkensteins, der als mythisches Element und gleichzeitig als historisches Symbol fungiert. Das lyrische Ich reflektiert über die zahlreichen Funktionen und Bedeutungen, die dem Horkenstein im Laufe der Geschichte zugeschrieben wurden, und beschreibt, wie er den Wandel der Zeiten überdauert hat. Es wird vermutet, dass der Stein einst ein Ort heiliger Rituale, ein Tempel, ein Altar und ein Zufluchtsort war. Darüber hinaus hat er offenbar auch Zeiten des Krieges bezeugt. Zuletzt wird die moderne Landwirtschaft als zerstörerische Kraft dargestellt, die die einst heiligen Wälder zerstört hat, während der Horkenstein bestehen bleibt.

In Bezug auf die Form und Sprache des Gedichts fällt auf, dass es aus zehn Strophen besteht, die jeweils aus vier Versen bestehen. Dies sorgt für eine klare, symmetrische Struktur, welche der Würde und Stärke des Horkensteins entspricht. Die Sprache des Gedichts ist hochgestochen und pathetisch, was die feierliche und ehrerbietige Haltung des lyrischen Ichs gegenüber dem Horkenstein unterstreicht. Es wird eine reiche Bildsprache verwendet, um die historische Bedeutung des Steins und die dramatischen Ereignisse, die er erlebt hat, lebendig zu machen. Während die Worte „Tempel“, „Altar“, „Opferfeuer“ und „Göttermal“ religiöse Konnotationen vermitteln, erzeugen Begriffe wie „Kampfruf“, „Speer und Schild“ und „Heerschild“ ein Gefühl von Konflikten und Kriegen. Insgesamt ist das Gedicht eine effektive Mischung aus Mythos, Geschichte und Kulturkritik.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Horkenstein“ ist Heinrich Kämpchen. Kämpchen wurde im Jahr 1847 in Altendorf an der Ruhr geboren. Im Jahr 1909 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Bochum. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das Gedicht besteht aus 40 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 238 Worte. Heinrich Kämpchen ist auch der Autor für Gedichte wie „Abend am Rhein“, „Abendläuten“ und „Altendorf“. Zum Autor des Gedichtes „Der Horkenstein“ haben wir auf abi-pur.de weitere 165 Gedichte veröffentlicht.

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