Das Lied vom Chasot von Ernst Moritz Arndt

In Deutschland lebt' ein edler Graf,
Eine freie Stadt sein Vaterland,
Ein rechter Ritter fromm und brav,
Seine Seele trug er in seiner Hand.
Die Stadt heißt Lübeck mit stolzem Namen,
Der Graf heißt Chasot von edlem Samen.
 
Dem freien reichsgebornen Mann
Gefiel die Schande des Reiches schlecht,
In seinen Adern Ehre rann,
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Drum haßte er durstig den Schelm und Knecht,
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Ein Freund von redlichen Biederleuten
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Kann er zum Recht nicht die Knechtschaft deuten.
 
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Drum war er mit dem Degen risch,
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Wo gegen die Welschen die Trommel klang:
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Das machte Mut ihm und Seele frisch,
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Das war ihm höchster Freudenklang,
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Da mußt' er hin über Land und Wasser,
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Der tapfre kühne Franzosenhasser.
 
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Als nun die Post nach Deutschland schallt:
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Der Kaiser von Rußland ziehet aus,
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Dem Grafen das Herz in dem Leibe wallt,
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Da kann er nicht sitzen still zu Haus,
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Da muß er sein Blut und Leben wagen,
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Er muß sich mit den Franzosen schlagen.
 
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Durch Buben und Verräter schleicht
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Viele hundert Meilen der Grafensohn
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Hin, wo's dem Herzen lustig deucht,
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Wo klinget des Kriegs Posaunenton,
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Wo Alexander die Männer rüstet
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Und mutigen Russen nach Streit gelüstet.
 
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Bald braust auf sie wie wildes Meer
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Der welschen Rotten gewaltige Flut,
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Sie ziehen trotziglich daher
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Und dräuen im prahlenden Übermut:
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Hierher! Wer stehet vor unseren Heeren?
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Wer mag uns die Herrschaft der Erde wehren?
 
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Doch Gott im Himmel sah darein
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Und der Russen mächtige Kriegesfaust,
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Wie Herbstwind schüttelt das Laub im Hain,
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So hat sie der Sturmwind der Schlacht zerzaust:
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Sie sollten Raben und Wölfe füttern,
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In Rußland sollt' ihr Gebein verwittern.
 
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Der edle Graf in mancher Schlacht,
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In manchem blutigen Männerstrauß
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Sich gegen die Schelme lustig macht,
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Er sieht sie zerstieben zu Staub und Graus,
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Er sieht sie fliehen, er sieht sie fallen.
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Das deucht ihm der lustigste Fall von allen.
 
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Drauf reist er hin nach Petersburg
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An Hoffnungen und an Freuden reich,
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Eine Zierde der hohen Kaiserburg,
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Ein stolzer Sprößling aus Deutschem Reich,
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Dort soll er des Vaterlands heil'gen Waffen
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Erlesene Scharen von Männern schaffen.
 
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Schon hebt die deutsche Legion
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Für Freiheit und Ehre das Siegespanier,
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Sie brennet gegen Schmach und Hohn
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Und gegen Franzosen von Kriegsbegier,
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Sie brennet von Sehnsucht der süßen Stunde,
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Wo Rache klinget von Mund zu Munde.
 
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Sie schauet auf des Grafen Schwert
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Und auf sein frommes und deutsches Herz,
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Er dünket ihr vor allen wert
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Voranzuspielen im Schlachtenscherz,
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Voranzustreiten dem kühnen Reihen
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Als Held und Führer der edlen Freien.
 
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Du edler Graf, wo ziehst du hin?
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Wo ziehst du hin durch Winter und Schnee?
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Auf Deutschland steht dir nur der Sinn,
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Dir tun die armen Gefangnen weh,
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Die armen Gefangnen, die die Franzosen
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Haben in den Tod und das Elend gestoßen.
 
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Du edler Graf, wo ziehst du hin?
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Wo ziehst du hin durch Winter und Schnee?
75 
Auf Deutschland steht dir nur der Sinn,
76 
Drum ziehst du nach Pleskow am Peipussee,
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Da willst du die armen Gefangnen erlösen
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Und waffnen und führen gegen die Bösen.
 
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O Pleskow, Stadt am Peipussee!
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Wann hört die Klage der Freien auf?
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Wann saust nicht mehr ein dumpfes Weh
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In deiner Wellen ächzendem Lauf?
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In dir soll der Bravste von allen Braven,
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In dir soll der edle Graf Chasot schlafen.
 
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Der Ritter, der die Kranken pflegt
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Und der Verwundeten Schmerz verbind't,
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Wird in die dunkle Gruft gelegt,
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Schon spielt um seinen Hügel der Wind,
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Die irdische Sonne wird nimmer ihm scheinen,
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Doch werden ihn ewig die Freien beweinen.
 
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Denn einen freiern deutschen Mann,
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Als Chasot war, der viel edle Graf,
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Das Deutschland nie gebären kann,
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An Leib und Seele so fest und brav,
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Ein Kind in Liebe, ein Held in Treuen,
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Ein Herz wie die Herzen der edlen Leuen.
 
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Drum setzen wir diesen Leichenstein,
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Drum singen wir dieses Trauerlied,
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Solange grünt eine Eich' im Hain,
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Solang eine Blume auf Auen blüht,
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Eine Liebe noch glühet in deutschen Seelen,
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Sollen Kränze und Lieder ihm nimmer fehlen.

Details zum Gedicht „Das Lied vom Chasot“

Anzahl Strophen
17
Anzahl Verse
102
Anzahl Wörter
645
Entstehungsjahr
1813
Epoche
Klassik,
Romantik

Gedicht-Analyse

„Das Lied vom Chasot“ von Ernst Moritz Arndt ist ein patriotisches lyrisches Werk, das zur Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon verfasst wurde. Es handelt von Ferdinand von Schill, einem preußischen Offizier, der während der Napoleonischen Kriege die Freikorps-Bewegung anführte und sich gegen die französische Besetzung Deutschlands auflehnte.

Im Gedicht wird Schill als edler, mutig und tapferer Held dargestellt, der für die Freiheit seines Volkes kämpft und dabei seine Seele riskiert. Er reist durch das Land, nimmt an verschiedenen Schlachten gegen die Franzosen teil und setzt sich mit großer Leidenschaft und Beharrlichkeit für das Wohl seines Volkes ein.

Arndt nutzt sehr bildreiche Sprache, um den Mut und die Entschlossenheit Schills hervorzuheben. Immer wieder tauchen martialische Bilder auf, die Schill als tapferen Ritter darstellen, der gegen die „Schelme“ kämpft. Auch hebt Arndt immer wieder den freien Willen und die Freiheitsliebe Schills hervor und schildert, wie er sich mit seinen russischen Verbündeten gegen die Franzosen stellt.

Formal gesehen besteht das Gedicht aus siebzehn Strophen mit sechs Versen. Es zeigt eine deutliche syntaktische Parallelität in den Versen und eine saubere Reimstruktur, was dem Gedicht einen deutlichen Rhythmus verleiht. Die Sprache ist insgesamt einfach und klar und das Gedicht lässt sich leicht folgen.

In Bezug auf die Botschaft des Gedichts kann man festhalten, dass es eine deutliche Patriotische Tendenz aufweist. Das lyrische Ich identifiziert sich stark mit Schill und seinem Anliegen, er zeigt sich tief beeindruckt von dessen Taten und Mut. Wesentliche Themen sind Freiheit, Ehre und das Streben nach einer freien, selbstbestimmten Nation.

Zusammengefasst kann man sagen, dass „Das Lied vom Chasot“ von Ernst Moritz Arndt ein stark patriotisches Gedicht ist, das den Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung in den Mittelpunkt rückt und den preußischen Offizier Ferdinand von Schill als großen nationalen Helden feiert.

Weitere Informationen

Ernst Moritz Arndt ist der Autor des Gedichtes „Das Lied vom Chasot“. 1769 wurde Arndt in Groß Schoritz (Rügen) geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1813 entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Klassik oder Romantik zu. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das Gedicht besteht aus 102 Versen mit insgesamt 17 Strophen und umfasst dabei 645 Worte. Der Dichter Ernst Moritz Arndt ist auch der Autor für Gedichte wie „Die Zaunranke und der Klee“, „Elegie“ und „Die Biene und der Lenz“. Zum Autor des Gedichtes „Das Lied vom Chasot“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 285 Gedichte vor.

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