Der Gingganz von Christian Morgenstern

Ein Stiefel wandern und sein Knecht
von Knickebühl gen Entenbrecht.
 
Urplötzlich auf dem Felde drauß
begehrt der Stiefel: Zieh mich aus!
 
Der Knecht drauf: Es ist nicht an dem;
doch sagt mir, lieber Herre, –: wem?
 
Dem Stiefel gibt es einen Ruck:
Fürwahr, beim heiligen Nepomuk,
 
ich GING GANZ in Gedanken hin...
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Du weißt, daß ich ein andrer bin,
 
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seitdem ich meinen Herrn verlor ...
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Der Knecht wirft beide Arm’ empor,
 
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als wollt er sagen: Laß doch, laß!
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Und weiter zieht das Paar fürbaß.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Der Gingganz“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
14
Anzahl Wörter
82
Entstehungsjahr
1905
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Der Verfasser des oben genannten Gedichts ist der deutsche Dichter Christian Morgenstern, der von 1871 bis 1914 lebte. Morgenstern gilt als wichtiger Vertreter der literarischen Richtung des Symbolismus und des Expressionismus. Demzufolge ist das Gedicht in die Epoche des Überganges vom 19. zum 20. Jahrhundert einzuordnen.

Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht humorvoll und kreativ durch die Personifizierung des Stiefels und die Interaktion zwischen ihm und seinem Knecht. Das lyrische Ich – hier der Stiefel – gibt auf seine Weise seine Gedanken und Gefühle zum Ausdruck.

Inhaltlich geht es in dem Gedicht um einen Stiefel und seinen Knecht, die gemeinsam eine Reise von Knickebühl nach Entenbrecht unternehmen. Auf dem Weg fordert der Stiefel den Knecht auf, ihn auszuziehen. Nach einigem Hin und Her erklärt der Stiefel, er sei in Gedanken versunken gewesen und sei deshalb ein anderer geworden, seitdem er seinen Herrn verloren hat. Der Knecht reagiert verwirrt, und sie setzen ihre Reise fort.

Die Aussage des lyrischen Ichs scheint dabei einerseits durchaus humorvoll, andererseits lässt sie sich auch als symbolisch interpretieren. So könnte der Stiefel durch die Absenz des Herren Autonomie gewonnen haben, die sich in der Forderung nach dem Ausziehen ausdrückt. Zugleich könnte die Aussage, ein anderer geworden zu sein, auf die Wandlung und Weiterentwicklung des Stiefels hinweisen, die durch die Eigenständigkeit ermöglicht wurde.

In ihrer Form ist das Gedicht in sieben Strophen zu je zwei Versen gegliedert. Diese Struktur dirigiert den Lesefluss und unterstreicht die Handlungsfortschritte in der Geschichte. Die Sprache des Gedichts ist einfach und klar, wobei der Gebrauch von altertümlichen Begriffen und Wendungen wie „fürwahr“, „beim heiligen Nepomuk“ oder „fürbaß“ eine gewisse Distanz zur modernen Alltagssprache schafft und das humorvoll-skurrile Setting des Gedichts verstärkt.

Weitere Informationen

Christian Morgenstern ist der Autor des Gedichtes „Der Gingganz“. Der Autor Christian Morgenstern wurde 1871 in München geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1905 zurück. Erschienen ist der Text in Berlin. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Bei Morgenstern handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 82 Worte. Weitere Werke des Dichters Christian Morgenstern sind „Bundeslied der Galgenbrüder“, „Da nimm. Das laß ich dir zurück, o Welt“ und „Das Auge der Maus“. Zum Autor des Gedichtes „Der Gingganz“ haben wir auf abi-pur.de weitere 189 Gedichte veröffentlicht.

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