Der Giaur von George Gordon Byron
Bruchstück einer türkischen Erzählung
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Kein Lufthauch unten bricht die Flut |
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Am Grab, wo der Athener ruht, |
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Am Grab, das glänzend hoch vom Riff |
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Am Ersten grüßt, kehrt heim ein Schiff |
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Zum Land, das er umsonst befreit – |
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Bringt solchen Helden noch die Zeit? |
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– – – – – – – – |
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Wie lächelt jede Jahrzeit mild |
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Der sel’gen Inseln schönem Bild, |
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Das von Kolona’s Höh’ erblickt, |
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Das Herz, das es begrüßt, entzückt, |
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Und Einsamen Ergötzung schickt! |
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Sanft kräuselnd stralt das Meer zurück |
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Den Farbenschmuck von manchem Pic, |
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Den lächelnd sich erhascht die Flut, |
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In der das Eden Ostens ruht. |
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Wenn lind ein Hauch vorüberschweift, |
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Den blauen Seekrystall durchläuft, |
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Und Blüten von den Bäumen streift – |
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O wie willkommen solche Luft! |
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Sie wecket und verbreitet Duft. |
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Denn hier erziehen Berg und Thal |
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Die Sultanin der Nachtigall, |
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Die Rose, welche sie besingt, |
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Daß fort und fort die Luft erklingt; |
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Und röther glüht bei solchem Schall |
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Die Gartenkönigin, die hart |
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Kein Sturmwind beugt, kein Schnee erstarrt, |
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Die, fern vom winterkalten West, |
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Gedeihen jede Jahrzeit läßt. |
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Was Süßes ihr Natur gegeben, |
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Läßt sie als Duft gen Himmel schweben, |
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Und dankbar lächelnd schenkt er ihr |
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Arom’ und schönstes Roth dafür. |
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Noch manche Blume giebt es dort, |
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Für Liebe manchen Schattenort, |
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Und manche Grotte auch zur Rast, |
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Die der Pirat besucht als Gast, |
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Der hier versteckt im hohlen Riff, |
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Belauscht ein friedlich nahes Schiff, |
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Bis die Guitarr’ des Seemanns schallt, |
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Der Abendstern im Westen stralt! |
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Dann mit umwund’nem Ruder sacht |
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Stürzt aus des Felsenufers Nacht |
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Der Räuber los auf seinen Fang, |
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Und macht Gestöhn aus Rundgesang. – |
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Seltsam! daß hier, wo die Natur |
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Ein Land schuf, wie für Götter nur, |
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Wo alle Reize sie vereint, |
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Damit ein Paradies erscheint – |
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Der Mensch, verliebt in’s Elend, dann |
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Zur Wildniß es verstümmeln kann. |
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Auf Blumen tretend gleich dem Vieh, |
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Die ohne einer Stunde Müh’, |
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Die ohne Hilfe seiner Hand |
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Erblüh’n in seinem Feenland, |
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Die seine Wartung gern verschmäh’n |
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Und lieblich nur um Schonung fleh’n. |
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Seltsam! wo Alles friedlich ruht, |
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Da tobt der Leidenschaften Wuth, |
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Und Raubsucht herrscht und rohe Gier, |
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Verfinsternd dieses Lichtrevier; |
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Als hätten Teufel hier besiegt |
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Die Seraphim, die sie bekriegt, |
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Als sollten hier auf Himmelsthronen |
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Befreiter Hölle Erben wohnen. |
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Wie’s schön ist, wie’s nur Lust gewährt, |
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Verflucht so, wer dies Land verheert! |
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Wer sich zur Leiche hingebeugt, |
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Eh’ sich der erste Tag geneigt, |
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(Der erste finst’rer Nichtigkeit, |
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Der letzte von Gefahr und Leid), |
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Eh’ tilgend der Verwesung Hand |
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Die Züge löscht, wo Schönheit stand, – |
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Die milde Engelmiene da, |
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Entzückung hier der Ruhe sah, |
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Den Ausdruck, welchen sanft, doch fest |
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Erschöpfung bleichen Wangen läßt: |
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Der – wär’ nicht trüb das Auge zu, |
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Das nie mehr leuchtet, lächelt, weint, |
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Wär nicht das Antlitz kalt versteint. |
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Wo der Erstarrung frost’ge Ruh’ |
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Entfärbt des Trauernden Gesicht, |
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Als sei auch ihm sein Loos entdeckt, |
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Das fesselnd hier den Blick erschreckt – |
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Der wird – wär’ dies, nur dieses nicht – |
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Vom Trug der Stunde irr gemacht, |
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Bezweifeln fast des Todes Macht: |
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So schön erscheint, so ruhig mild |
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Des Todten erstes, letztes Bild. – |
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Und so auch hier! Das Land umher |
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Ist Hellas – doch es lebt nicht mehr! |
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So frostig lieb, so todtenschön! |
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Uns schaudert, hier nicht Geist zu seh’n. |
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Ja Schönheit ist’s – im Tode auch, |
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Nicht ganz entfloh’n im letzten Hauch; |
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Die Farbe, die das Grab versteckt, |
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Des Ausdrucks Glanz, der scheidend glüht, |
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Ein goldner Hof, der um Verfall sich zieht, |
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Ein Stral Gefühl, der Abschied nehmend flieht, |
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Ein Funke Licht, vielleicht vom Himmel her, |
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Der glänzend – wärmt sein theures Land nicht mehr. |
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Land der Heroen! heil’ge Luft! |
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Vom Flachland bis zur Bergeskluft |
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Der Freiheit Herd! des Ruhmes Gruft! |
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Altar der Größe! Kann es sein, |
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Daß dir nur dies noch blieb allein? |
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Kommt, feige Sklaven, kriechet her! |
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Sind das die Thermopylen? Sprecht! |
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Und ringsherum das blaue Meer – |
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Von Freien du entsproß’ner Knecht! |
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Sprich, wie dies Meer, dies Ufer hieß? – |
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Die Bucht, der Fels von Salamis! |
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Dies Land – ist unbekannt sein Ruhm? |
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Steh’ auf! ergreif’s als Eigenthum! |
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Nimm, wo der Staub der Väter ruht, |
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Die heiße Asche früh’rer Glut! |
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Wer dann im Kampfe fällt voll Muth, |
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Fügt ihren – einen Namen bei, |
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Den zitternd hört die Tyrannei, |
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Läßt Ruhm dem Sohn und Hoffnung nach, |
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Der lieber Tod auch wählt als Schmach; |
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Denn blutig wird die Freiheitsschlacht, |
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Begann sie, Sohn auf Sohn vermacht |
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Und oft vereitelt, stets vollbracht. |
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Du Hellas, das in Schrift noch lebt, |
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Ihr Heldenzeiten – Zeugniß gebt! |
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Von Königen blieb Asche bloß |
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In Pyramiden – namenlos; |
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Doch deinen Helden riß vom Grab |
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Das Weltloos auch die Säulen ab, |
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Steh’n als ein größ’res Denkmal doch |
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Des Vaterlands Gebirge noch, |
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Wo uns die Musen Gräber nennen |
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Von Männern, die nicht sterben können. – |
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Ermüdend, trüb ist’s, folgt man nach |
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Jedwedem Schritt vom Glanz zur Schmach; |
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Genug! kein äuß’rer Feind verstieß |
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Den Geist, bis er sich selbst verließ; |
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Nur Selbstverderbniß brach dem Nah’n |
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Der Despotie, der Knechtschaft Bahn. |
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Was sieht er, den dein Ufer trägt? |
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Nichts, was uns deine Vorzeit lehrt, |
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Nichts, was der Muse Schwingen regt |
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Zu hohem Flug, wie einst bewegt; |
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Als noch der Mensch des Landes werth. |
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Das Herz, den Thälern hier entstammt |
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Die Feuerseele, sonst entflammt |
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Zu Thaten, schön und groß – |
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Kriecht von der Wiege nun zur Gruft; |
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Nicht Sklave – Knecht des Sklaven, ruft |
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Ihn Trieb zu Lastern bloß. |
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Von jeder Schuld ist er befleckt, |
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Am Thierischwilden nur entdeckt, |
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Des Wilden Tugend aber fehlt: |
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Ein Busen frei und muthbeseelt |
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Noch macht ihn auf dem Nachbarstand |
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Sprichwörtlich alte Lust bekannt, |
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Des feinen Griechen letzte Spur; |
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Berühmt macht jetzt ihn diese nur, |
161 |
Vergebens riefe Freiheit noch: |
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Durchbrich, o Geist, die Knechtschaft doch! |
163 |
Umsonst – sein Nacken buhlt um’s Joch. – |
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Beklagen will ich’s länger nicht; |
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Doch traurig wird nun mein Bericht, |
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Und, Hörer! glaubt, es ziemt der Gram |
167 |
Ihm, welcher ihn zuerst vernahm. |
168 |
– – – – – – – – |
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Fern, finster längs dem Meere blickend, |
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Den Felsenschatten näher rückend, |
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Erschreckt’s den Fischer, wie ein Boot – |
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Ist’s der Pirat? der Mainot? |
173 |
Er mag in Furcht für seinen Kahn |
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Nicht zweifelhaften Riffen nah’n; |
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Hat Arbeit ihn auch müd’ gemacht, |
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Ist schwer auch die beschuppte Fracht – |
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Er rudert laß, doch kräftig fort, |
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Bis er Leone’s sich’rern Port |
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Im lieblich milden Licht erblickt, |
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Das Ostens Nacht am schönsten schmückt. |
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– – – – – – – – |
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Wer donnert her auf schwärz’stem Roß – |
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Die Hast im Huf, den Zügel los? |
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Der Eisen Klappern ruft zu Tag |
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Den Widerhall, der schlummernd lag: |
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Horch! Sprung auf Sprung, und Schlag auf Schlag, |
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Was weiß des Renners Seite streift, |
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Scheint Schaum, wie Flut ihn sammelnd häuft; |
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Doch ruht auch nun das müde Meer – |
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Des Reiters Brust, sie ruht nicht mehr, |
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Und tobt der Sturm auch morgen lauer – |
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Dein Herz wird nicht mehr stiller, Giaur! |
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Ich kenn’ dich nicht, verhaßter Mann! |
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Doch deine Züge zeigen an, |
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Was Zeit nur stärkt, nicht tilgen kann. |
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Ob jung und bleich – die Stirne ist |
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Vom Brand der Leidenschaften wüst; |
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Ob argen Blick’s du niedersiehst, |
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Wie meteorgleich du entfliehst – |
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Ich seh’s recht gut: dich sollten kühn |
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Osmanen tödten, oder fliehn. |
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Fort jagt’ er, fort, und staunend zog |
203 |
Der Blick ihm nach, wie er entflog; |
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Doch wenn er auch dem Nachtgeist glich, |
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Und kaum genaht, schon schwindend wich, |
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Fest haftend hat sein düst’res Bild |
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Mit Unruh’ mir die Brust erfüllt, |
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Und im erschreckten Ohr nach lang |
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Des schwarzen Renners Huf erklang. |
210 |
Er spornt sein Roß, er kommt zur Höh’ – |
211 |
Die in den Abgrund schattet gäh’ – |
212 |
Er wendet um – er jagt vorbei – |
213 |
Die Felswand macht vom Blick ihn frei, |
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Der unwillkommen, wie mir deucht, |
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An ihm gehaftet, der entfleucht; |
216 |
Und auch kein Sternchen leuchtet hell |
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Auf ihn, der flieht so zeitlos schnell. – |
218 |
Er schied – ein Blick nur ging vorher, |
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Ein Blick, als ob’s der letzte wär’; |
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Ein Weilchen hielt gehemmt sein Roß – |
221 |
Ein Weilchen zum Verschnauben bloß – |
222 |
Ein Weilchen er im Bügel stand – |
223 |
Was schaut er über’n Wald gewandt? |
224 |
Das Neulicht schimmert an der Höh’, |
225 |
Von Lampen flimmert die Moschee, |
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Und ist’s zu fern, daß Widerhall |
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Erwecke der Topheiken Knall; |
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Im Blitz der Feuer nimmt man klar |
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Der Moslem frommen Eifer wahr. |
230 |
Heut’ Nacht verstrich der Ramazan, |
231 |
Heut’ Nacht das Bairamfest begann, |
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Heut’ Nacht – doch was bist du, und wer? |
233 |
In fremder Tracht, die Brauen schwer! |
234 |
Und was ist euch und dir dies Fest, |
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Daß es dich weilen, flüchten läßt? – |
236 |
Er stand – im Antlitz Angst und Pein; |
237 |
Doch bald nahm Grimm die Stelle ein, |
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Nicht wie sich zeigt entflammtes Blut |
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In flücht’gen Zornes gäher Glut – |
240 |
Nein, wie am Grab der Marmor, blaß, |
241 |
Wo Dunkel hebt das Weiße graß. |
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Die Brauen Nacht, die Augen Glut, |
243 |
Erhob er seine Hand mit Wuth, |
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Sie schüttelnd mild, als schwankte er, |
245 |
Noch zwischen Flucht und Wiederkehr. |
246 |
Da, weil die Rast zu lange währt, |
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Da wiehert laut sein Rabenpferd, |
248 |
Da sinkt die Hand – sie sucht das Schwert. |
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Den wachen Träumer hat’s erweckt, |
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Wie Eulenruf den Schlaf erschreckt. |
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Es sticht der Sporn – der Renner fühlt’s – |
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Hinweg! hinweg! das Leben gilt’s! |
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Schnell, wie der Flug des Dscherrid, setzt |
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Der Rappe fort, vom Sporn verletzt; |
255 |
Die Felswand ist zurückgelegt, |
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Der Huf nicht mehr den Strand zerschlägt – |
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Jetzt bei dem Riff – verschwunden ist |
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Der Helmbusch und der freche Christ! |
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Es war nur ein Moment und kaum |
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Bezwang des Berbers Flug der Zaum – |
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Nur ein Moment, daß er verweilt, |
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Und dann, wie vor dem Tod, enteilt: |
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Doch der Moment trieb durch den Sinn |
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Die Winter der Erinn’rung hin, |
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Und schloß in einen Tropfen Zeit |
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Ein Leben, Schuld und Gram geweiht. |
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Furcht – Liebe – Haß ergießt in’s Herz |
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Schon einzeln jahrelangen Schmerz; |
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Was fühlt’ erst er, mit einemmal |
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Durchras’t von jeder höchsten Qual! |
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Die Pause, die sein Loos durchsann, |
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Wer ist, der sie ermessen kann? |
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Sie war fast nichts im Buch der Zeit, |
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Doch im Gedanken – Ewigkeit, |
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Der wie der Weltraum gränzenlos |
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Solch ein Bewußtsein wohl umschloß, |
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Das einen Schmerz in sich enthält, |
278 |
Dem Namen – Hoffnung – Ende fehlt. |
279 |
– – – – – – – – |
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280 |
Die Zeit verrann – der Giaur ist weit, |
281 |
Ob er entkam? ob fiel im Streit? |
282 |
Weh’, daß er floh, daß er genaht! |
283 |
Der Fluch, gesandt für Hassans That, |
284 |
Kehrt nun sein Schloß zum Grabe um. |
285 |
Er kam und ging wie der Simum, |
286 |
Der Tod verkündet rings herum, |
287 |
Und dessen ferner, gift’ger Hauch |
288 |
Hinmodert die Cypresse auch, |
289 |
Die dunkle, die – wenn And’rer Schmerz geheilt – |
290 |
Allein noch trauernd bei dem Todten weilt. |
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291 |
Daß Roß aus Hassans Stall verschwand, |
292 |
Kein Sklav’ mehr in der Halle stand; |
293 |
Der Spinne graues Florgewand |
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Deckt langsam wachsend jetzt die Wand; |
295 |
Die Fledermaus im Harem baut, |
296 |
Die Feste seiner Macht vergraut, |
297 |
Als Herr vom Thurm die Eule schaut; |
298 |
Der wilde Hund am Springborn heult, |
299 |
Wo ihn getäuschter Durst verweilt, |
300 |
Denn im Marmorbett ist versiegt die Flut, |
301 |
Und nur Unkraut ist da, und nur einsamer Schutt – |
302 |
Schön war zu seh’n das Spiel der Flut, |
303 |
Das sonst verscheucht des Tages Glut, |
304 |
Der Silberthau, der leicht sich hob, |
305 |
Und dann in Wirbeln bunt zerstob, |
306 |
Wollüst’ges Kühl verbreitend rund, |
307 |
Mit Grün bedeckend rings den Grund. |
308 |
Schön war’s im Sternenlicht, wenn lang |
309 |
Der feuchte Stral hinauf sich schwang, |
310 |
Und durch die Nacht melodisch klang. |
311 |
Und oft sprang Hassan spielend um |
312 |
Den Wassersturz als Kind herum, |
313 |
Und oft am Mutterbusen sang |
314 |
In Schlummer ihn der Wellen Klang, |
315 |
Und oft dem Jüngling in’s Gemüth |
316 |
Drang schmeichelnd hier der Schönen Lied, |
317 |
Und sanfter schien die Melodie |
318 |
Mit Wogenklang die Harmonie. |
319 |
Doch Hassan soll im Alter nicht |
320 |
Am Quelle ruh’n im Dämmerlicht – |
321 |
Versiegt ist in dem Born die Flut, |
322 |
Verströmt aus seiner Brust das Blut. |
323 |
Die Menschenstimme ist verhallt, |
324 |
Nicht Wuth, nicht Schmerz, nicht Lust mehr schallt |
325 |
Hier, wo zuletzt ein Schrei erklang, |
326 |
Den Todesangst dem Weib erzwang, |
327 |
Der dumpf erstarb – seitdem ist’s stumm; |
328 |
Mit dem Gitter nur schlägt noch der Wind herum – |
329 |
Ob Sturm und Regen ras’t und gießt, |
330 |
Die Klammern keine Hand mehr schließt. |
331 |
Erfreulich wär’ in Wüsten nur |
332 |
Vom Menschenschritt die schwächste Spur; |
333 |
So würde hier auch Klageton |
334 |
Wie Trost ein Echo wecken schon – |
335 |
Es spräche: „Alle sind nicht fort, |
336 |
Ein Leben blieb, zwar einsam, dort!“ |
337 |
Denn mancher Prunksaal blieb verschont, |
338 |
Den Einsamkeit wol gern bewohnt, |
339 |
Und die Zerstörung schlich darin |
340 |
Krebsartig zwar, doch langsam hin; |
341 |
Doch Grauen schaut aus off’ner Thür, |
342 |
Hier ruht nicht einmal der Fakir, |
343 |
Hier hält nicht mehr der Derwisch Rast, |
344 |
Weil Milde nicht erfreut den Gast, |
345 |
Hier weilt nicht mehr des Fremden Noth, |
346 |
Zu segnen heil’ges Salz und Brod, |
347 |
Der Reichthum wie die Armuth zieh’n |
348 |
Hier unbeachtet, achtlos hin: |
349 |
Denn Gastlichkeit und Mitleid schwand |
350 |
Mit Hassan von der Bergeswand; |
351 |
Sein Dach, das Menschen Zuflucht gab, |
352 |
Deckt der Verödung Hungergrab; |
353 |
Der Sklav’ floh die Arbeit, der Gast mied die Halle, |
354 |
Seit der Giaur ihm den Turban zerhieb mit dem Stahle. |
355 |
– – – – – – – – – – – |
|
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356 |
Ich höre Tritte nähern sich, |
357 |
Doch keine Stimme grüßet mich. |
358 |
Sieh! Turban naht auf Turban itzt, |
359 |
Der Atagane Silber blitzt; |
360 |
Den Bordersten der Bande macht |
361 |
Als Emir kenntlich grüne Tracht. – |
362 |
„Wer bist du? halt!“ – „Salam! Du siehst, |
363 |
Daß dich ein Moslem tief begrüßt. |
364 |
Was Ihr da tragt, so vorsichtvoll, |
365 |
Verlangt die höchste Sorgfalt wol, |
366 |
Ich seh’ für theu’re Fracht es an; |
367 |
Gern bringt sie fort mein schlichter Kahn.“ |
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368 |
„Das sprichst du wahr. Stoß’ ab vom Land, |
369 |
Und führ’ uns weg vom stillen Strand! |
370 |
Laß eingerollt das Segel sein, |
371 |
Das nächste Ruder nimm allein! |
372 |
Zu jenen Felsen, wo die Flut |
373 |
Im tiefen Bette finster ruht! |
374 |
Ruh’ aus vom Werk! – So! Brav, Gesell! |
375 |
Die Fahrt, sie war vollendet schnell, |
376 |
Obwol die längste Reise, traun, |
377 |
Die eine von – – – – |
378 |
– – – – – – – – |
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379 |
Es plumpte dunkel, sank gemach; |
380 |
Das stille Wasser schwoll und brach. |
381 |
Es war, als ob es sich bewegt, |
382 |
Der Strom schien mehr als sonst erregt – |
383 |
Vielleicht nur war’s der Lichtstral, der |
384 |
Bunt schillert auf bewegtem Meer. |
385 |
Ich lauschte, bis es schwand dem Blick: |
386 |
Wie Kies wich sinkend es zurück, |
387 |
Der Flut gescheckt und Aug’ geneckt. |
388 |
Ein weißer Fleck, stets mehr versteckt |
389 |
Und das Geheimniß schlief nun, kund |
390 |
Nur Geistern tief am Meeresgrund; |
391 |
Die zitternd – im Korallenhaus – |
392 |
Die plaudern’s nicht den Wellen aus. |
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393 |
Wie mit dem Purpurschwingen hin |
394 |
Des Ost’s Insekten-Königin |
395 |
Auf Kaschemir’s smaragd’ner Flur |
396 |
Den Knaben lockt auf ihrer Spur, |
397 |
Von Blume hin zu Blume fliegt, |
398 |
Um Zeit und Mühe ihn betrügt, |
399 |
Und dann entfloh’n ihn läßt zurück, |
400 |
Den Busen klopfend, naß den Blick: |
401 |
So lockt den Mann der Schönheit Bild, |
402 |
So glänzt es hell, so flieht es wild. |
403 |
Der Furcht, der Hoffnung eitler Streit |
404 |
Beginnt mit Wahn, beschließt mit Leid; |
405 |
Denn beiden, wenn der Sieg gelingt, |
406 |
Dem Falter, wie der Schönheit bringt |
407 |
Verlust der Ruhe nur und Schmerz |
408 |
Des Knaben Spiel, des Mannes Scherz. |
409 |
Das schöne Spielzeug, heiß begehrt, |
410 |
Verliert erhascht schon Reiz und Werth, |
411 |
Bald hat die Hand noch, die’s ergreift, |
412 |
Die schönsten Farben abgestreift. |
413 |
Bis es, wie Reiz und Glanz verdirbt, |
414 |
Verlassen flieht und einsam stirbt. |
415 |
Verwundet Brust und Schwinge so – |
416 |
Wo winkt dem Opfer Ruhe, wo? |
417 |
Hebt von der Rose, wie zuvor |
418 |
Zur Tulpe jener sich empor? |
419 |
Kann Schönheit sich – verwelkt, allein – |
420 |
Noch in erbroch’ner Kammer freu’n? |
421 |
Nein! froh’rer Falterschwarm enteilt, |
422 |
Wo einer stirbt, wird nicht verweilt; |
423 |
Und schön’rer Wesen Mitleid spricht |
424 |
Für jeden Fehl, nur eig’nen nicht, |
425 |
Und jeden Gram beweinen sie, |
426 |
Nur den verirrter Schwester nie. |
427 |
– – – – – – – – |
|
|
428 |
Das Herz gleicht, voll Gewissenspein, |
429 |
Dem Skorpion, umringt von Glut: |
430 |
Stets mehr im Kreis naht Feuerschein, |
431 |
Stets enger schließt ihn Flamme ein, |
432 |
Bis tausend Schmerzen in ihm schrei’n, |
433 |
Und rasend ihm vor Wuth |
434 |
Nur finst’rer Trost im Stachel lebt, |
435 |
In ihm, der für den Feind genährt, |
436 |
Ein stets erprobtes Gift gewährt, |
437 |
Und allen Schmerz mit einem hebt, |
438 |
Den er in’s Hirn verzweifelnd gräbt. |
439 |
So stirbt, wenn Nacht im Busen ruht, |
440 |
So lebt er – Skorpion in Glut, |
441 |
Sich windend vor Gewissensbissen, |
442 |
Von Erd’ und Himmel losgerissen, |
443 |
Die Hölle dort – Verzweiflung hier – |
444 |
Die Flamme rings – und Tod in ihr. |
445 |
– – – – – – – – |
|
|
446 |
Den Harem Hassan finster flieht, |
447 |
Nach Frauenreiz er nicht mehr sieht, |
448 |
Ihn lockt nur ungewohnte Jagd, |
449 |
Doch Waidmannsluft ist ihm versagt. |
450 |
Nie war er so zu flieh’n gewohnt, |
451 |
Als Leila sein Serail bewohnt – |
452 |
Wie, wohnt darin nicht Leila mehr? |
453 |
Fragt Hassan d’rum! das weiß nur er. |
454 |
Doch ein Gerede geht im Ort, |
455 |
Sie floh an jenem Abend fort, |
456 |
Wo Ramazan zu Ende geht |
457 |
Und blitzend jedes Minaret |
458 |
Von Millionen Lampen brennt |
459 |
Im gränzenlosen Orient. |
460 |
Das Bad war Vorwand ihrer Flucht, |
461 |
Wo Hassan fruchtlos sie gesucht; |
462 |
Denn sie entkam der Wuth bei Nacht |
463 |
Wie in georg’scher Pagentracht, |
464 |
Und seiner Rache so entrückt, |
465 |
Hat ihn der Giaur und sie berückt, |
466 |
Zwar ahnte Hassan mancherlei, |
467 |
Doch zärtlich schien sie stets und treu, |
468 |
Und er vertraute ihr zu viel, |
469 |
Die durch Verrath dem Grab verfiel, |
470 |
Als zur Moschee ihn Andacht trieb, |
471 |
Als er im Kjosk beim Festmahl blieb. |
472 |
So ist der Nubier Bericht, |
473 |
Die nicht zu streng der Pflicht gedacht; |
474 |
Doch Andere in jener Nacht |
475 |
Sah’n in Phingari’s bleichem Licht |
476 |
Den Giaur auf schwarzem Roß entflieh’n, |
477 |
Doch ihn allein nur, wie er hin |
478 |
Mit blut’gem Sporn am Strande ritt – |
479 |
Nicht Maid, noch Page trug er mit. |
480 |
– – – – – – – – |
|
|
481 |
Nichts schildert ihres Aug’s Magie! |
482 |
Das Auge der Gazelle sieh’! |
483 |
Es unterstützt die Fantasie. |
484 |
So groß – so schwarz, drang schmachtend klar |
485 |
Ein Blick aus ihm, der Seele war, |
486 |
Und durch die Wimpern stralte hell |
487 |
Wie Dschemschid’s blendendes Juwel. |
488 |
Ja – Seele! Spräche der Prophet, |
489 |
So athme Staub nur, der verweht; |
490 |
Bei Allah! rief ich – nein! und steht |
491 |
Auch auf Al-Sirath schon mein Fuß, |
492 |
Hinschwankend über’m Feuerfluß, |
493 |
Und schaut mein Blick in’s Paradies, |
494 |
Und winken alle Huri süß. |
495 |
Wer las in Leila’s Augenlicht |
496 |
Den Spruch des Korans, welcher spricht: |
497 |
Das Weib ist Staub nur, seelenlos, |
498 |
Für rohe Lust ein Spielzeug bloß!? |
499 |
Der Mufti hätte selbst bekannt, |
500 |
Daß Ewigkeit darin gebrannt, |
501 |
Der Wangen Unverwelklichkeit |
502 |
War vom Granatenbaum bestreut |
503 |
Mit Blüthe, röther stets erneut; |
504 |
Wie Hyacinthen floß ihr Haar, |
505 |
Wenn sein Gelock entfesselt war, |
506 |
Im Kreis der Mädchen, in der Halle, |
507 |
Wo herrlich überragend Alle |
508 |
Ihr Fuß auf Marmor glitt dahin, |
509 |
Der weißer als der Bergschnee schien, |
510 |
Den, in der Wolke Schooß versteckt, |
511 |
Der Erdenstaub noch nicht befleckt. |
512 |
Wie Schwäne durch die Wogen gleiten, |
513 |
Sah man Tscherkassiens Tochter schreiten, |
514 |
Die schönste Zier von Frangestan; |
515 |
Und wie den Hals erhebt der Schwan, |
516 |
Mit stolzem Fittig schlägt die Flut, |
517 |
Wenn Fremde sich dem Ufer nah’n, |
518 |
Der Gränze, wo sein Wasser ruht: |
519 |
So hob ihr Hals sich, weißer mehr, |
520 |
So schlug sie mit der Schönheit Wehr |
521 |
Des Thoren allzufreien Blick |
522 |
Und sein vermeintes Lob zurück. |
523 |
Und wie ihr Gang war schön und frei, |
524 |
So war sie dem Geliebten treu – |
525 |
Geliebter? War es Hassan? – Nein! |
526 |
Ach, dieser Name war nicht dein! |
527 |
– – – – – – – – |
|
|
528 |
Verreis’t ist Hassan; mit ihm zieh’n |
529 |
An zwanzig der Vasallen hin, |
530 |
Bewaffnet, wie es ziemt dem Mann, |
531 |
Mit Büchse und mit Atagan. |
532 |
Der Führer, wie zum Krieg bewehrt, |
533 |
Trägt am Gehäng’ das scharfe Schwert, |
534 |
Das der Arnauten Herzblut trank, |
535 |
Als ihre Schaar im Engpaß sank, |
536 |
Und wenig nur es kund gethan, |
537 |
Was sie im Thal von Parne sah’n. |
538 |
Pistolen er im Gürtel führt, |
539 |
Die einen Pascha einst geziert, |
540 |
Die stets, obwohl mit Gold geschmückt, |
541 |
Der Räuber selbst mit Furcht erblickt, |
542 |
Er holt die Braut heim, wie es hieß, |
543 |
Mehr treu, als sie, die ihn verließ, |
544 |
Die schamlos ihr Gemach erbrach, |
545 |
Und für den Giaur – zu größ’rer Schmach! |
546 |
– – – – – – – – |
|
|
547 |
Der Abendstral, am Bühl noch wach, |
548 |
Blitzt funkelnd aus dem Quellenbach, |
549 |
Auf dem für kühle, klare Flut |
550 |
Des Bergbewohners Segen ruht. |
551 |
Hier winkt dem griech’schen Handelsmann |
552 |
Die Rast, die er nicht suchen kann |
553 |
Zu Haus, wo er dem Herrn zu nah’ |
554 |
Geheimen Schatz gefährdet sah. |
555 |
Hier mag er ruh’n, und ohne Scheu – |
556 |
In Städten Sklav’, in Wüsten frei – |
557 |
Beflecken mit verbot’nem Wein |
558 |
Den Becher, welchen Moslem scheu’n. |
559 |
– – – – – – – – |
|
|
560 |
Am Ausgang nimmt man den Tatar, |
561 |
An gelber Mütze kenntlich, wahr, |
562 |
In langen Reihen zieh’n gemach |
563 |
Die Andern durch den Engpaß nach. |
564 |
Blutdürstig auf den First gesetzt, |
565 |
Ein Geierschwarm die Schnäbel wetzt, |
566 |
Den wohl zu Nacht ein Festgericht |
567 |
Herablockt vor dem Morgenlicht; |
568 |
Tief unten ließ die Winterflut, |
569 |
Vertrocknet durch des Sommers Glut, |
570 |
Ein Bett zurück, wo nackt und bleich |
571 |
Nur Strauchwerk wächst – zu welken gleich; |
572 |
Am Pfad zu beiden Seiten hin |
573 |
Liegt vom Granit der graue Grien, |
574 |
Durch Zeit zerrissen oder Blitz |
575 |
Vom Gipfel aus dem Wolkensitz; |
576 |
Denn wer hat Liakura’s Höh’n |
577 |
Noch unverschleiert je geseh’n? |
578 |
– – – – – – – – |
|
|
579 |
Der Fichtenwald ist nun erreicht. |
580 |
„Bismilla! die Gefahr entweicht, |
581 |
Denn offen liegt die Eb’ne dort; |
582 |
Schnell spornt man jetzt die Rosse fort.“ |
583 |
Kaum spricht’s der Tschausch – da fliegt das Blei |
584 |
Dicht über seinen Kopf vorbei, |
585 |
Und in das Gras beißt ein Tatar. |
586 |
Schnell hemmt der Zaum der Rosse Lauf, |
587 |
Schnell aus den Bügeln springt die Schaar, |
588 |
Doch nie mehr steigen Drei hinauf, |
589 |
Vom Feind verwundet unsichtbar |
590 |
Fleh’n sie umsonst um Rache auf. |
591 |
Den Hahn gespannt, den Stal entblößt |
592 |
Hält dieser sich am Sattel fest, |
593 |
Vom Streitroß halb geschützt, |
594 |
Da jener hinter Felsen flieht, |
595 |
Dem Angriff so entgegensieht, |
596 |
Ergrimmt zu bluten itzt |
597 |
Durch des verborg’nen Feindes Rohr, |
598 |
Der sich nicht wagt in’s Freie vor. |
599 |
Nur Hassan steigt vom Roß nicht ab, |
600 |
Setzt unerschrocken fort den Trab, |
601 |
Bis ihn der Vorhut Blitz auf Blitz |
602 |
Zu sicher zeigt der Räuber Sitz, |
603 |
Die gut den einz’gen Weg umstellt, |
604 |
Wo jetzt versproch’ne Beute fällt. |
605 |
Da sträubte seinen Bart die Wuth, |
606 |
Und in sein Aug’ fuhr wild’re Glut: |
607 |
„Ob nah und fern die Kugeln droh’n – |
608 |
Mehr blut’ger Stund’ entkam ich schon!“ – |
609 |
Der Feind, der nun die Schlucht verließ, |
610 |
Die Schaar sich zu ergeben hieß; |
611 |
Doch Hassan’s wildes Machtgebot |
612 |
Erschreckt sie mehr als Feind und Tod: |
613 |
Von seinem Häuschen wirft kein Mann |
614 |
Die Büchse weg, den Atagan, |
615 |
Und Keiner muthlos ruft: Aman! – |
616 |
Und nah und näher – ganz erscheint |
617 |
Der hinterste versteckte Feind, |
618 |
Und folgend aus dem Wald gelangt |
619 |
Ein Trupp, der hoch zu Rosse prangt. |
620 |
Wer führt sie an, mit fremdem Schwert |
621 |
Fernleuchtend seine Hand bewehrt? |
622 |
„Er ist’s! er ist’s! Ich kenn’ ihn gleich |
623 |
An seiner Stirne, wüst und bleich, |
624 |
Am argen Blicke, der ihm half |
625 |
Bei dem Verrath, den Neid entwarf, |
626 |
Am Barte, pechschwarz wie die Nacht; |
627 |
Doch schmückt ihn auch Arnautentracht, |
628 |
Abtrünnig schnöder Glaubenspflicht, |
629 |
Vom Tode soll’s ihn retten nicht. |
630 |
Willkommen mir zu jeder Stund’, |
631 |
Verführer Leila’s, Christenhund!“ |
|
|
632 |
Gleichwie der Strom, zum Meere rollend, |
633 |
Hinein mit finstern Fluten stürmet, |
634 |
Das Meer dann, ihm entgegen grollend, |
635 |
In Azursäulen stolz sich thürmet, |
636 |
Viel Ruthen weit zurück ihn drängt, |
637 |
Schaumkräuselnd wilde Wogen mengt, |
638 |
Weil Wirbel und gebroch’ne Flut |
639 |
Der Wintersturm empört zur Wuth, |
640 |
Mit Donnerschlägen durch den Gischt |
641 |
Der Wasser Wetterleuchten zischt |
642 |
Entsetzlich weiß hin über’s Land, |
643 |
Daß flimmert und erbebt der Strand; |
644 |
So wie sich Strom und Meer erfaßt, |
645 |
Und das Gemisch der Wogen ras’t, |
646 |
So ringt jetzt Schaar und Schaar vermengt |
647 |
Von Haß und Wuth zum Kampf gedrängt. |
648 |
Gemetzel scharfer Säbel klirrt |
649 |
Weit schallend oder näher mehr, |
650 |
Gellt in das pochende Gehör |
651 |
Der Todesschuß, der fernher schwirrt; |
652 |
Gestampf, Geschrei, Gestöhne irrt |
653 |
Nachzitternd nun das Thal entlang, |
654 |
Wo besser klänge Hirtensang. |
655 |
Schon schmilzt die Zahl – doch Keiner fleht |
656 |
Um Leben, Schonung wird verschmäht. |
657 |
O feurig klopft die junge Brust, |
658 |
Ergreift und reicht sie Liebeslust; |
659 |
Doch sie auch fühlt, wenn sie begehrt, |
660 |
Was Schönheit seufzend nur gewährt, |
661 |
Nicht halb die Brunst, mit der man haßt, |
662 |
Zum letztenmal den Feind umfaßt, |
663 |
Und mit den Armen ringend fest |
664 |
Umklammert, was man nie mehr läßt. |
665 |
Verlachen Treue, Lieb’ und Freundschaft, |
666 |
Treu bis zum Tod verknüpft die Feindschaft. |
667 |
– – – – – – – – |
|
|
668 |
Den Säbel, bis an’s Heft zersplittert, |
669 |
Noch naß vom Blut, das er verspritzt, |
670 |
Von abgehau’ner Hand umgittert, |
671 |
Die treu den Falschen hält noch itzt; |
672 |
Der Turban fern gerollt im Lauf, |
673 |
Zerschlitzt die strengsten Falten d’rauf; |
674 |
Das Oberkleid zerfetzt vom Stal, |
675 |
Wie das Gewölk im Morgenstral, |
676 |
Das roth gestreift ein Zeichen ist, |
677 |
Daß sich der Tag mit Sturm beschließt; |
678 |
Das Strauchwerk blutig, wo im Riß |
679 |
Der Palampor Fragmente ließ; |
680 |
Die Brust zerhackt – in tausend Stücken – |
681 |
Das Antlitz aufwärts – auf dem Rücken |
682 |
Liegt Hassan jetzt; unzugedrückt |
683 |
Noch nach dem Feind sein Auge blickt, |
684 |
Als ob die Todessstunde Groll |
685 |
Untilgbar überleben soll; |
686 |
Und zu ihm beugt der Feind sich her, |
687 |
Finster im Angesicht, wie er. |
688 |
– – – – – – – – |
|
|
689 |
„Ja, Leila schlummert tief im Meer, |
690 |
Doch röther ist sein Grab nunmehr; |
691 |
Gut lenkt’ ihr Geist den Stal, der dies |
692 |
Fühllose Herz doch fühlen ließ. |
693 |
Er rief zu Mahom – doch die Rache |
694 |
Des Giaur war stärker als der Schwache; |
695 |
Er rief zu Allah – doch dies Wort |
696 |
Ward nicht gehört, geachtet dort. |
697 |
Ungläub’ger Thor! Wenn Leila fleht – |
698 |
Ist’s fruchtlos? gilt nur dein Gebet? |
699 |
Ich sah zur Zeit, ließ Streiter nah’n, |
700 |
Griff, Falscher! dich im Heimzug an; |
701 |
Es ist vollbracht – mein Grimm schlief ein – |
702 |
Nun geh’ ich – doch ich geh’ allein.“ |
703 |
– – – – – – – – |
|
|
704 |
Kameele grasen, Glöckchen klingen, |
705 |
Durch’s Gitter seine Mutter sah – |
706 |
Sah frischen Thau den Abend bringen, |
707 |
Feucht lag die grüne Weide da; |
708 |
Sah Sterne matt hervor sich ringen; |
709 |
„Es dämmert! sicher ist er nah.“ |
710 |
Sie fand in den Gartenlauben nicht Ruh’, |
711 |
Flog spähend dem höchsten der Thürme zu. |
712 |
„Was, kommt er nicht? Sein Roß ist gut, |
713 |
Und scheut sich nicht vor Sommerglut. |
714 |
Was schickt nicht der Bräutigam Gaben längst? |
715 |
Ist sein Herz mehr kalt? minder schnell sein Hengst? |
716 |
O falscher Tadel! den Tatar |
717 |
Nehm’ ich am nächsten Berge wahr. |
718 |
Behutsam setzt er von dem Hang – |
719 |
Jetzt sprengt er schon das Thal entlang – |
720 |
Und die Gabe trägt er am Sattelbug – |
721 |
Wie schien mir träg’ des Renners Flug? |
722 |
Ein reicher Lohn sei ihm zu Theil |
723 |
Für schweren Weg, willkomm’ne Eil’!“ |
|
|
724 |
Abstieg nun der Tatar am Thor, |
725 |
Erschöpft hielt er sich kaum empor; |
726 |
Sein braunes Antlitz sprach von Gram – |
727 |
Vielleicht, daß dies von Mattheit kam; |
728 |
Sein Kleid war roth von Blut und feucht – |
729 |
Vom spornverletzten Roß vielleicht. |
730 |
Was zog er aus dem Kleid als Mal? |
731 |
Engel des Todes! Hassan’s Turbanshawl! |
732 |
Sein Kalpak ist’s – sein Kaftan roth! |
733 |
„Braut wurde deinem Sohn der Tod. |
734 |
Verschont, nicht weil ich Mitleid fand, |
735 |
Muß bringen ich dies Purpurpfand. |
736 |
Dem Tapfern, der verblutet, Ruh! |
737 |
Doch weh’ dir, Giaur! die Schuld trägst du.“ |
738 |
– – – – – – – – |
|
|
739 |
Ein Turban, roh in Stein gehau’n, |
740 |
Ein Pfeiler, moosumhüllt zu schau’n, |
741 |
Worauf man kaum mehr lesen kann |
742 |
Den Trauervers aus Alkoran, |
743 |
Bezeichnen nun das Todtenmal, |
744 |
Wo Hassan fiel im öden Thal. |
745 |
Dort schläft ein Osman, treu – wie nie |
746 |
Zu Mekka Einer bog das Knie, |
747 |
Der stets gehaßt verbot’nen Wein, |
748 |
Sein Antlitz hingewandt zum Schrein |
749 |
Gebete wiederholte lang, |
750 |
Wenn ernst das „Alla hu“ verklang. |
751 |
Zwar starb er durch des Fremden Hand, |
752 |
Der Fremdling war in seinem Land, |
753 |
Zwar starb er fallend im Gefecht, |
754 |
Und mind’stens nicht durch Blut gerächt: |
755 |
Doch Huri luden ihn alsbald |
756 |
Voll Ungeduld ins Paradies; |
757 |
Der Augen dunkler Himmel stralt |
758 |
Ihm nun für immer hell und süß; |
759 |
Sie kommen – grüne Tücher weh’n – |
760 |
Ein Kuß begrüßt den Tapfern schön – |
761 |
Wer kämpfend fällt durch’s Giaur-Schwert, |
762 |
Ist ew’gen Heils am meisten werth. |
763 |
– – – – – – – – |
|
|
764 |
Doch du, Ungläub’ger! winde dich, |
765 |
Schwingt rächend Monkirs Sense sich; |
766 |
Und bist du seiner Qual entfloh’n, |
767 |
So wand’re rings um Eblis Thron, |
768 |
Und Glut, die unauslöschlich glüht, |
769 |
Umgebe, fülle dein Gemüt, |
770 |
Das Ohr nicht hört, noch Zunge nennt, |
771 |
Wie inn’rer Hölle Pein dich brennt. |
772 |
Doch früher sprenge – ein Vampyr – |
773 |
Als Leichnam deines Grabes Thür’, |
774 |
Wohn’ gräßlich dann im eig’nen Haus, |
775 |
Und saug’ das Blut der Deinen aus, |
776 |
Daß so bei Tochter, Schwester, Weib |
777 |
Der Lebensstrom versiegt im Leib. |
778 |
Dir ekle vor dem Mahle; doch |
779 |
Dein Leichenleben frist’ es noch |
780 |
Bis, eh’ die Opfer ganz vergeh’n, |
781 |
Im Dämon sie den Vater seh’n, |
782 |
Dir fluchen, und von dir verflucht |
783 |
Am Stamm verdorren – Blüte, Frucht. |
784 |
Von Einer nur, die durch dich fallen, |
785 |
Der Jüngsten, Liebsten dir aus Allen, |
786 |
Sei schmeichelnd Vater noch genannt, |
787 |
Und durch dies Wort dein Herz entbrannt; |
788 |
Doch enden mußt du ganz, vergeh’n |
789 |
Die Glut an Aug’ und Wange seh’n, |
790 |
Den letzten Blick, der eisig stiert, |
791 |
Auf leblos mattem Blau gefriert. |
792 |
Mit frevler Hand dann reiße ihr |
793 |
Vom Haupt des gelben Haares Zier, |
794 |
Von dem ein Löckchen nur gewährt |
795 |
Sonst zärtlich ward als Pfand verehrt, |
796 |
Das aber jetzt von dir entführt, |
797 |
Ein Denkmal deiner Marter wird. |
798 |
Vom liebsten Blute triefend dann |
799 |
Gefletschten Mund, geknirschten Zahn, |
800 |
Schleich in dein finst’res Grab dich fort, |
801 |
Mit Gol und Afrit tolle dort, |
802 |
Bis sie entsetzt vor dir verweh’n, |
803 |
Den mehr als sich verflucht sie seh’n. |
804 |
– – – – – – – – |
|
|
805 |
Wie heißt der dort im Mönchgewand? |
806 |
Sein Antlitz sah ich einmal schon |
807 |
Vor Jahren einst im Vaterland, |
808 |
Wie er am öden Strand entfloh’n |
809 |
Zu Roß, so flink, als je sich bot |
810 |
Ein Renner für des Reiters Noth. |
811 |
Nur einmal sah ich’s, doch so graß |
812 |
Von inn’rer Qual gezeichnet, daß |
813 |
Ich es bis jetzt noch nicht vergaß; |
814 |
Noch haucht’s denselben finstern Geist, |
815 |
Als sei vom Tod es eingeeist. |
|
|
816 |
„Im Sommer sind sechs Jahre hin, |
817 |
Seit er zuerst sich uns gezeigt, |
818 |
Zu weilen hier bestimmte ihn |
819 |
Wol schwarze That, die er verschweigt: |
820 |
Allein zur Vesper sank er nie, |
821 |
Noch vor dem Beichtstuhl je auf’s Knie, |
822 |
Noch nahm er Theil, wenn Chorgesang |
823 |
Und Weihrauch sich gen Himmel schwang; |
824 |
Meist in der Zelle dumpf daheim, |
825 |
Blieb Stamm und Glauben uns geheim. |
826 |
Er kam zur See vom Heidenland, |
827 |
Stieg dort herauf zu uns vom Strand; |
828 |
Allein ein Osman scheint er nicht, |
829 |
Und Christ auch nur von Angesicht; |
830 |
Er dünkte mir ein Renegat, |
831 |
Der hier bereut des Abfalls That – |
832 |
Doch er vermeidet den Altar, |
833 |
Genuß des heil’gen Mahls sogar. |
834 |
Viel Reichthum hat er hergebracht, |
835 |
Den Abt sich so geneigt gemacht; |
836 |
Doch wär’ ich Prior nur – ich ließ |
837 |
Ihn keinen Tag hier, oder stieß |
838 |
Zur Büßerzelle ihn hinein – |
839 |
Die sollt’ ihm ew’ger Wohnort sein! |
840 |
Oft murmelt er in Träumen her: |
841 |
Sein Liebchen sei versenkt in’s Meer, |
842 |
Der Säbel flink, der Feind geflüchtet, |
843 |
Die Schuld gerächt, der Türk vernichtet. |
844 |
Man sah, daß er am Ufer stand |
845 |
Und faselnd sprach von blut’ger Hand, |
846 |
Die frisch vom Körper abgehau’n |
847 |
Unsichtbar, nur für ihn zu schau’n, |
848 |
Ihm hingewinkt zu seinem Grab, |
849 |
Gelockt zum Sprung in’s Meer hinab.“ |
|
|
850 |
Unirdisch, finster, grämlich sticht |
851 |
Aus brauner Kutte sein Gesicht; |
852 |
Der Blitz des Aug’s, geöffnet weit, |
853 |
Verräth zu viel Vergangenheit, |
854 |
Und wechselt auch sein Nebelschein – |
855 |
Wer ihn geseh’n, wird’s lang bereu’n; |
856 |
Denn namenloser Zauber bricht |
857 |
Aus ihm, der – unaussprechlich – spricht, |
858 |
Ein hoher, unbezwung’ner Geist, |
859 |
Der Obmacht heischt und an sich reißt; |
860 |
Und wie der Vogel bebt, und bange |
861 |
Nicht fort kann aus dem Blick der Schlange, |
862 |
So macht sein Blick auch unerträglich, |
863 |
Verzagt und doch zu flieh’n unmöglich. |
864 |
Der halb erschrock’ne Mönch entflieht, |
865 |
Wenn er mit ihm allein sich sieht; |
866 |
Sein Blick – sein bitt’res Lächeln schreckt, |
867 |
Als ob es Arglist nur entdeckt. |
868 |
Oft lächelt zwar der Stolze nicht, |
869 |
Doch traurig zeigt dann sein Gesicht, |
870 |
Wie’s lächelnd Hohn dem Elend spricht. |
871 |
Wie’s zuckt – den bleichen Mund verzieht – |
872 |
Und wie für immer dann entflieht! |
873 |
Als ob es Stolz ihm oder Weh |
874 |
Verboten, noch zu lächeln je. |
875 |
Wol gut wär’s! denn so grause Lust |
876 |
Entspringt aus keiner frohen Brust. |
877 |
Allein noch trüber stellt sich dar, |
878 |
Was einst Gefühl im Antlitz war; |
879 |
Zeit hat die Züge nicht verwischt, |
880 |
Mit lichtern finst’re nur gemischt, |
881 |
Und Nachglanz zeigt, nicht ganz erstorben, |
882 |
Noch ein Gemüt, nicht ganz verdorben, |
883 |
Ob’s Schuld auf Schuld auch sich erworben. |
884 |
Der Pöbel zwar entdeckt hier nichts |
885 |
Als Nacht der That und des Gerichts, |
886 |
Allein der schärf’re Blick gewahrt |
887 |
Den hohen Geist, die edle Art. |
888 |
Sind sie vergebens auch gewährt, |
889 |
Durch Gram entstellt, durch Schuld versehrt! |
890 |
Nie zählt man zu der Menge ihn, |
891 |
Dem solche Gaben sind verlieh’n, |
892 |
Und immer fast, von Angst gepreßt, |
893 |
Verweilt auf ihm das Auge fest. |
894 |
Die Hütte, dachlos und zerschellt, |
895 |
Hält einen Wand’rer kaum zurück; |
896 |
Der Thurm jedoch, durch Sturm gefällt, |
897 |
Wo trotzig eine Zinne hält, |
898 |
Heischt und erschreckt des Fremden Blick; |
899 |
Denn jeder Pfeiler epheugrün, |
900 |
Zeugt stolz von Ruhm, der nun dahin. |
|
|
901 |
„Sein Kleid um sich gefaltet zieht er |
902 |
Im Säulengang nun langsam fort; |
903 |
Sein Anblick schreckt, und finster sieht er |
904 |
Die Andacht, welche weiht den Ort. |
905 |
Nun hallt der Chor von Gottes Ruhm – |
906 |
Die Mönche knien – nun kehrt er um. |
907 |
Der Lampe stilles Flackerlicht |
908 |
Erhellt im Kreuzgang sein Gesicht; |
909 |
Er harrt, bis es zu Ende geht, |
910 |
Hört beten und – spricht kein Gebet. |
911 |
Sieh! wie am Pfeiler, halb erhellt, |
912 |
Sein Haar aus der Kapuze fällt, |
913 |
Das wild die bleiche Stirn umstrickt, |
914 |
Als ob Gorgona d’rauf gedrückt |
915 |
Die schwärzeste der Schlangenbrut, |
916 |
Die ihm auf grauser Stirne ruht. |
917 |
Abweichend von dem Klostereid |
918 |
Wuchs die unheil’ge Locke groß, |
919 |
Und doch trägt er das Ordenskleid, |
920 |
Und macht – nicht fromm – aus Hoffart bloß |
921 |
Die Mauern reich, die nie gehört, |
922 |
Das ihm ein heil’ges Wort entfährt. |
923 |
Sieh! wie nun lauter Gottes Lob |
924 |
Harmonisch sich gen Himmel hob – |
925 |
Die Wange blaß, die Haltung Stein, |
926 |
Trotz und Verzweiflung im Verein. |
927 |
Halt ihn, Franziscus, vom Altar! |
928 |
Sonst droht des Himmels Zorn Gefahr |
929 |
Und wird durch Omen offenbar. |
930 |
Ein böser Engel stellt, fürwahr! |
931 |
Nur so in Menschenform sich dar; |
932 |
Und ob auch Schuld vergeben werde – |
933 |
Den Blick sah Himmel nicht, noch Erde.“ |
934 |
– – – – – – – – |
935 |
– – – – – – – – |
|
|
936 |
Ein sanftes Herz fühlt Liebe bald, |
937 |
Doch nie der Liebe Allgewalt; |
938 |
Zu blöde, hehlt es seinen Gram, |
939 |
Zu schwach ist’s, wenn Verzweiflung kam. |
940 |
Es fühlt allein das stärk’re Herz |
941 |
Der Wunde unheilbaren Schmerz. |
942 |
Metall, das roh im Schachte lag, |
943 |
Muß glühen, daß es glänzen mag; |
944 |
Die Ofenflamme macht es weich, |
945 |
Und schmelzt es – doch es bleibt sich gleich. |
946 |
Es wird, wie du es brauchst, durch Glut |
947 |
Zum Schützen wie zum Morden gut, |
948 |
Ein Brustschild für die Zeit der Noth, |
949 |
Ein Schwert zu deines Feindes Tod; |
950 |
Und wenn ein Dolch – dann sei bedacht, |
951 |
Wer seine Spitze schärfer macht! |
952 |
Der Frauen Gunst, der Liebe Schmerz, |
953 |
Zähmt, wandelt so das stärk’re Herz; |
954 |
Durch sie wird es in Form gepreßt, |
955 |
Wie sie es bilden, bleibt es fest, |
956 |
Es bricht – eh’ sich es beugen läßt. |
957 |
– – – – – – – – |
|
|
958 |
Folgt Einsamkeit auf Gram – gering |
959 |
Ist dann der Trost: die Qual verging! |
960 |
Der leere Busen dankt dem Schmerz, |
961 |
Der minder öde ließ das Herz; |
962 |
Was Niemand theilt, macht Ueberdruß, |
963 |
Selbst Glück quält im Alleingenuß; |
964 |
Das Herz, so einsam ganz gelassen, |
965 |
Muß aus Bedürfniß endlich hassen. |
966 |
So wär’s dem Todten, wenn er fühlt, |
967 |
Wie rings der Eiswurm ihn umwühlt, |
968 |
Und schaudernd, weil Gewürm sich jetzt, |
969 |
Den Moderschlaf bejubelnd, letzt, |
970 |
Die Macht vergißt, die es verwehrt, |
971 |
Daß kalt Gezücht am Staube zehrt. |
972 |
So wär’s dem Wüstenvogel auch, |
973 |
Der aufreißt seines Busens Flut, |
974 |
Und wie sie hungrig kreischt, die Brut, |
975 |
Gern hingiebt eig’nen Lebenshauch – |
976 |
Wenn sie, wie er die Brust zerriß, |
977 |
Entfloh’n ihr leeres Nest verließ. |
978 |
Entzücken wird aus schärfster Pein |
979 |
Für ein Gemüt, das schaurig, leer, |
980 |
Blattlose Wüste ward, wo kein |
981 |
Gefühl das Herz beschäftigt mehr. |
982 |
Wer will verdammt sein, stets im Blauen |
983 |
Nicht Sonne noch Gewölk zu schauen? |
984 |
Mehr gräßlich ist’s als Sturmgetos |
985 |
Zu trotzen nie dem Wogenstoß, |
986 |
Und wenn der Krieg der Winde schwand, |
987 |
Ein Wrack zu sein am Glückesstrand, |
988 |
In ekler Ruh’ und stummer Bucht |
989 |
Zu heimlichem Verfall verflucht. |
990 |
Besser versenkt vom Sturme tief, |
991 |
Als stückweis faulen so am Riff! |
992 |
– – – – – – – – |
|
|
993 |
„Vater, dein Sein ging friedlich hin |
994 |
Nur in Gebeten, ungezählt; |
995 |
Durch die ward And’rer Schuld verzieh’n – |
996 |
Selbst schuld- und sorglos, nur gequält |
997 |
Von flücht’gem Leid, das Keinem fehlt, |
998 |
Blieb bis in’s Alter sanft dein Blut, |
999 |
Du magst dich segnen vor der Wuth |
1000 |
Der Leidenschaft, die heiß und wild |
1001 |
Des Sünders Beichte dir enthüllt, |
1002 |
Dem offen steht für Schuld und Schmerz |
1003 |
Dein reines, mitleidvolles Herz. |
1004 |
Mein Sein jedoch, zwar kurz bisher, |
1005 |
Bot Freuden viel, doch Leiden mehr, |
1006 |
Doch nie, ob ich geliebt, gehaßt, |
1007 |
Hat Lebenssattheit mich erfaßt; |
1008 |
Bei Freunden jetzt, bei Feinden nun – |
1009 |
Stets war mir’s ekel, träg’ zu ruh’n. |
1010 |
Jetzt aber ohne Lieb’ und Groll, |
1011 |
Nicht stolz mehr und nicht hoffnungsvoll, |
1012 |
Wär’ lieber ich vom Giftgezücht, |
1013 |
Wie es an Kerkerwänden kriecht, |
1014 |
Als dumpf zu leben, wechsellos, |
1015 |
Hinbrütend und beschauend blos. |
1016 |
Ein Wunsch nur lauscht in meiner Brust – |
1017 |
Nach Rast – doch Rast mir unbewußt. |
1018 |
Bald wird wohl die Gewährung nah’n. |
1019 |
Bald schlaf’ ich tief, nicht träumend mehr, |
1020 |
Was einst ich war, und gern noch wär’, |
1021 |
Schwarz, wie dir dünkt, was ich gethan. |
1022 |
Nur Grab ist mein Gedächtniß nun, |
1023 |
Wo lang schon Glück und Hoffnung ruh’n. |
1024 |
Wär’s besser auch, mit todt zu sein, |
1025 |
Als leben, langgeweilt durch Pein; |
1026 |
Nie hat sich noch mein Geist entsetzt |
1027 |
Vor Schmerz, der endlos stechend quält, |
1028 |
Nie hätte Selbstmord ich erwählt – |
1029 |
Wie Thoren sonst und Feige jetzt; |
1030 |
Doch nie vor Tod auch bebte ich – |
1031 |
Wie süß! wenn er im Schlachtfeld mich, |
1032 |
Wo die Gefahr mich lockte, traf – |
1033 |
Des Ruhmes, nicht der Liebe Sklav’. |
1034 |
Ich trotzte ihr – auf Ruhm nicht dacht’ ich – |
1035 |
Ersiegt – verspielt – des Lorbeers lacht’ ich! |
1036 |
Laß’ And’re d’rum die Welt verheeren, |
1037 |
Für Söldnerlohn und hohe Ehren! |
1038 |
Doch mir gieb die Vergangenheit! |
1039 |
Kommt, die als Preis ihr würdig seid: |
1040 |
Geliebtes Weib! verhaßter Mann! |
1041 |
Die Bahn des Ruhm’s durchflieg ich dann, |
1042 |
Zu retten – tödten – wie es noth – |
1043 |
Durch Schwerter, Feuer, Kampf und Tod! |
1044 |
Doch blicke den nicht zweifelnd an, |
1045 |
Der thun will, was er schon gethan! |
1046 |
Tod ist’s, was Starke trotzend seh’n, |
1047 |
Was Schwache dulden, Arme fleh’n – |
1048 |
Mag hin das Sein zum Ursein geh’n! |
1049 |
Hat die Gefahr mich nicht entsetzt |
1050 |
In Glück und Hoheit – warum jetzt?“ |
1051 |
– – – – – – – – |
|
|
1052 |
„Ich liebte, betete sie an! |
1053 |
Doch dieses Wort braucht Jedermann – |
1054 |
Ich hab’ es mehr durch That bewährt: |
1055 |
Ein Blutfleck blieb auf meinem Schwert, |
1056 |
Ein Blutfleck, der nicht weichen kann, |
1057 |
Verspritzt für sie, die starb für mich, |
1058 |
Aus einer Brust, die ich gehaßt. |
1059 |
Doch starre nicht, und kreuze dich! |
1060 |
Es mehrt nicht meiner Sünden Last; |
1061 |
Du sprichst von dieser That mich los, |
1062 |
Verübt am Feind des Glaubens bloß – |
1063 |
Des Nazaräers Name schon |
1064 |
War Wermuth jenem Heidensohn. |
1065 |
Der Thor, der Undankbare! bringt |
1066 |
Das Schwert, wenn gut die Hand es schwingt, |
1067 |
Die Wunde, die ein Christ gab, gleich |
1068 |
Den Türken in sein Himmelreich, |
1069 |
So harrte sein der Huri Chor |
1070 |
Voll Ungeduld an Mahoms Thor. – |
1071 |
Ich liebte sie, und Liebe wagt, |
1072 |
Wo selbst der Wolf zu rauben zagt; |
1073 |
Und wagt sie viel, so wär’ es hart, |
1074 |
Wenn ihr nicht auch Belohnung ward – |
1075 |
Gleich gilt hier: wo und was und wie – |
1076 |
Ich seufzte nicht umsonst für sie. |
1077 |
Doch manchmal wünsch’ ich tief betrübt: |
1078 |
O hätte sie mich nie geliebt! |
1079 |
Sie starb – ich darf nicht sagen, wie; |
1080 |
Doch meine Stirne zeigt es – sieh’! |
1081 |
Kains Fluch und Sünde lese dort – |
1082 |
Die Lettern wischt die Zeit nicht fort. |
1083 |
Doch ehe du verdammst – halt’ ein! |
1084 |
Der Anlaß, nicht die That ist mein; |
1085 |
Doch er that nur, was ich gethan, |
1086 |
Betrog sie mehr als einen Mann: |
1087 |
Ihm untreu – führte er den Streich, |
1088 |
Mir treu – und er lag kalt und bleich. |
1089 |
Zwar fällte Recht das Urtheil ihr; |
1090 |
Doch treu durch Treubruch, gab sie mir |
1091 |
Ihr Herz hin, welches einzig frei |
1092 |
Nicht fesseln kann die Tyrannei, |
1093 |
Und ich – zu spät zur Rettung – gab, |
1094 |
Was ich vermocht, ihr mit hinab, |
1095 |
Gab – Trost doch war’s – dem Feind ein Grab. |
1096 |
Mich drückt sein Tod nicht; ihr Geschick |
1097 |
Nur schuf mich hassenswerth dem Blick. |
1098 |
Sein Loos stand fest; ihm war’s bekannt – |
1099 |
Tahiri warnte ihn vorher, |
1100 |
In dessen ahnendes Gehör |
1101 |
Der Schuß des Mörders tönte schwer, |
1102 |
Eh’ seine Schaar am Wahlplatz stand; |
1103 |
Auch starb er im Getös der Schlacht |
1104 |
Wo Schmerz und Noth nicht wird bedacht – |
1105 |
Ein Hülfschrei drang zu Mahom bloß, |
1106 |
Und ein Gebet zu Allah schloß. |
1107 |
Er kannte mich – und suchte mich – |
1108 |
Ich aber sah, wie er erblich, |
1109 |
Sah, wie hinweg die Seele schlich; |
1110 |
Doch gleich dem Parder, tief verletzt, |
1111 |
Empfand er halb nicht, was ich jetzt; |
1112 |
Vergebens suchte ich die Weh’n |
1113 |
Verwundeten Gemüth’s zu seh’n, |
1114 |
Denn an der finstern Leiche trug |
1115 |
Nicht Reue, Wuth nur jeder Zug. |
1116 |
Was gäbe d’rum die Rache hin! |
1117 |
Erschien Verzweiflung ihr darin, |
1118 |
Der letzten Stunde letzte Reu’, |
1119 |
Wo schon der Buße Macht vorbei, |
1120 |
Wo sie vom Grab kein Schreckbild scheucht, |
1121 |
Nicht retten kann, noch Lind’rung reicht.“ |
1122 |
– – – – – – – – |
|
|
1123 |
„Ein kaltes Land giebt kaltes Blut – |
1124 |
Dort fühlt man kaum, was Liebe heißt; |
1125 |
Mein Blut war heiß wie Lavaflut, |
1126 |
Die Aetna’s Flammenbrust durchkreis’t. |
1127 |
Nicht faseln konnt’ ich, wimmern je |
1128 |
Von Liebesjoch und Liebesweh. |
1129 |
Wenn heiße Adern, Blässe, Glut, |
1130 |
Ein Mund, der weder klagt, noch ruht, |
1131 |
Ein brechend Herz, ein Hirn voll Muth, |
1132 |
Wenn Wagniß, Rachgelüst, und was |
1133 |
Ich fühle und gefühlt – wenn das |
1134 |
Von Liebe zeugt, so liebte ich, |
1135 |
Und bitter wohl bewährt’ es sich. |
1136 |
Nicht weinen konnt’ ich, seufzen – nein! |
1137 |
Erringen – sterben – das allein. |
1138 |
Ich sterbe – doch besaß den Lohn, |
1139 |
Und kommt was will! – war selig schon. |
1140 |
Soll ich ein Loos der Wahl beklagen? |
1141 |
Nein, ausgeraubt, doch ohne Zagen, |
1142 |
Bangt mir um sie nur, die erschlagen. |
1143 |
Doch gieb mir mit dem Schmerz die Lust, |
1144 |
Und wieder lebt und liebt die Brust. |
1145 |
Ja, heil’ger Mann! mir fällt nunmehr |
1146 |
Ihr Tod nur, nicht der meine schwer. |
1147 |
Sie schläft, wo wandernd Wogen zieh’n – |
1148 |
Ach! wär’ ein Erdgrab ihr verlieh’n, |
1149 |
Dies Herz, das bald schon stille steht, |
1150 |
Es theilte dann ihr enges Bett. |
1151 |
Sie war ein Bild voll Lust und Licht, |
1152 |
Blieb immerdar mir im Gesicht, |
1153 |
Schien, wo ich hinsah, nah’ und fern, |
1154 |
Mir als Erinn’rungs-Morgenstern!“ |
|
|
1155 |
„Ja, von dem Himmel stammt sie ab, |
1156 |
Ein Funke ew’ger Glut ist Liebe, |
1157 |
Den Allah uns und Engeln gab, |
1158 |
Vom Staub zu heben nied’re Triebe; |
1159 |
Dringt Andacht auch zum Himmel ein – |
1160 |
Herabzieht Liebe ihn allein. |
1161 |
Sie ist ein Fühlen, Gott entlehnt, |
1162 |
Das von der Selbstsucht Schmutz entwöhnt, |
1163 |
Ein Stral vom Allerschaffer stammend, |
1164 |
Ein Nimbus, rings das Herz umflammend. |
1165 |
Nenn’ unrein meiner Liebe Geist, |
1166 |
Nur was man falsch oft Liebe heißt, |
1167 |
Auch sündhaft, wenn du willst – nur sprich, |
1168 |
O sprich: Sie liebte schuldlos mich. |
1169 |
Sie war als Leitstern mir erwacht, |
1170 |
Verlosch – und nichts erhellt die Nacht; |
1171 |
O führte jetzt noch mich sein Stral – |
1172 |
Und sei’s zu Tod und ärgster Qual! |
1173 |
Wie könnt Ihr staunen nur, daß er, |
1174 |
Der nicht mehr hat, noch hofft dies Glück, |
1175 |
Nicht weichlich ringt mit Trübsal mehr, – |
1176 |
Nein! rasend anklagt sein Geschick, |
1177 |
Und in der Tobsucht Greuel übt, |
1178 |
Wodurch er Schmerz mit Schuld noch trübt? |
1179 |
Ach! blutet innerlich das Herz – |
1180 |
Dann schreckt es nicht ein äuß’rer Schmerz, |
1181 |
Und stürzt man aus dem Himmelreich – |
1182 |
In welchen Abgrund, gilt dann gleich. |
1183 |
Wild wie der finst’re Geier nun |
1184 |
Erschein’ ich dir in meinem Thun, |
1185 |
Und Abscheu zeigt dein Antlitz nun; |
1186 |
Ich ward, daß ich auch ihn erfuhr, |
1187 |
Ja, jenem Raubthier gleich betrat |
1188 |
Ich mit Zerstörung meinen Pfad; |
1189 |
Doch auch die Taube lehrte mich: |
1190 |
Treu erster Liebe sterbe ich. |
1191 |
Ja, diese Lehre giebt dem Mann |
1192 |
Ein Thier, das er verachten kann: |
1193 |
Der Vogel, der im Busche schlägt, |
1194 |
Der Schwan, den fort die Welle trägt, |
1195 |
Ein Weibchen nur zu wählen pflegt. |
1196 |
Dem Wechsel sei der Thor geneigt, |
1197 |
Er spöttle, wo Bestand sich zeigt, |
1198 |
Und prahle frech mit Bubenspiel; |
1199 |
Ich neide nicht sein Siegsgefühl, |
1200 |
Ich setze solch herzlosen Mann |
1201 |
Tief unter den verlass’nen Schwan, |
1202 |
Tief unter jene Maid, die schwach |
1203 |
Für Glauben fand Betrug und Schmach. |
1204 |
Nicht solchen Schandfleck trug ich je! |
1205 |
Mein Denken, Leila, gilt nur dir – |
1206 |
Mein Heil und Unheil! Wohl und Weh! |
1207 |
Mein Hoffen dort! mein Alles hier! |
1208 |
Nichts blüht auf Erden, was dir glich, |
1209 |
Und blüht’s – so blüht es nicht für mich. |
1210 |
Nicht seh’n um Welten mag ich’s – ist |
1211 |
Ein Weib dir gleich – wenn du’s nicht bist; |
1212 |
Die schuldverderbte Jugendzeit, |
1213 |
Mein Todtenbett bezeug’ es heut. |
1214 |
Zu spät kommt Alles! bist du doch |
1215 |
Des Herzens theurer Wahnsinn noch!“ |
|
|
1216 |
„Sie starb – und o! ich hauchte noch, |
1217 |
Doch Lebensodem war es nicht, |
1218 |
Um’s Herz mir jene Schlange kroch, |
1219 |
Die stets zum Kampfe reizend sticht; |
1220 |
Nicht Zeit gewahr mehr, floh ich nur, |
1221 |
Entsetzt vom Antlitz der Natur, |
1222 |
Wo reizend frisch sonst jeder Zug |
1223 |
Die Schwärze meines Busens trug. |
1224 |
Was übrigt noch – das weiß dein Herz, |
1225 |
Ganz meine Schuld, halb meinen Schmerz; |
1226 |
Doch sprich von Reue mir kein Wort – |
1227 |
Du siehst, bald muß von hier ich fort – |
1228 |
Und ist dein heil’ger Spruch kein Wahn, |
1229 |
Gethanes machst du ungethan. |
1230 |
Ich dank’ dir ja; doch solche Pein |
1231 |
Kehrt nicht um Trost bei Priestern ein. |
1232 |
Rath heimlich, wie es steht um mich, |
1233 |
Mitleid’ger sei, und minder sprich! |
1234 |
Gebiete Leila, zu ersteh’n, |
1235 |
Dann will ich um Vergebung fleh’n, |
1236 |
Dann sei mein Anwalt dort, wo feil |
1237 |
Um Messen ist das Seelenheil. |
1238 |
Geh’, wo des Jägers Hand im Forst |
1239 |
Die Jungen riß aus ihrem Horst – |
1240 |
Sprich der verlass’nen Löwin zu! |
1241 |
Nicht mich mit Trost verhöhne du.“ |
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1242 |
„In stillen Tagen, längst dahin, |
1243 |
Wo froh mit Herz sich Herz vereint, |
1244 |
Dort, wo der Heimath Lauben blüh’n, |
1245 |
War – ach! wo jetzt? – mir Einer Freund. |
1246 |
Ich sende dieses Pfand noch hin; |
1247 |
Ein Denkmal für den Jugendschwur, |
1248 |
Erinnr’ es an mein Ende ihn. |
1249 |
Gedenkt der Geist in sich gekehrt, |
1250 |
Des fernen Freund's auch flüchtig nur - |
1251 |
Mein welker Name bleibt ihm werth. |
1252 |
Wie wahr! Er sah mein Loos vorher; |
1253 |
Ich lächelte – wie konnt’ ich doch! |
1254 |
Als mit der Klugheit Stimme er |
1255 |
Gewarnt den Unbesorgten noch. |
1256 |
Nun raunt Erinn’rung mir in’s Ohr |
1257 |
Die Worte, kaum bemerkt zuvor. |
1258 |
Sag’ ihm, sein Ahnen ist erfüllt; |
1259 |
Erschrecken wird er, wenn er’s hört, |
1260 |
Und wünschen, daß sich’s nicht bewährt. |
1261 |
Sag’ ihm, ob ich auch sorglos wild |
1262 |
Bei manchem bittern Anlaß zwar |
1263 |
In uns’rer gold’nen Jugend war – |
1264 |
Im Schmerze hätt’ ich sterbend noch |
1265 |
Gesegnet sein Gedächtniß doch; |
1266 |
Allein des Himmels Zorn verschmäht – |
1267 |
Für Unschuld selbst – der Schuld Gebet. |
1268 |
Ich will nicht seinen Tadel stumm; |
1269 |
Er geht nur zart mit Leumund um, – |
1270 |
Und was hab’ ich zu thun mit Ruhm! |
1271 |
Ich will nicht, daß sein Klagen schweigt, |
1272 |
Weil solcher Wunsch Verachtung zeigt, – |
1273 |
Und was kann mehr als Freundeszähren |
1274 |
Dem Sarg des Bruders Schmuck gewähren? |
1275 |
Gieb ihm den Ring, einst sein, und sprich, |
1276 |
Wie du mich sahst, als ich verblich: |
1277 |
An Leib und Seele welk, erschlafft, |
1278 |
Ein Wrack, das rückließ Leidenschaft, |
1279 |
Verschrumpftes Blatt, verstreutes Laub, |
1280 |
Dem Herbststurm Gram verfall’ner Raub.“ |
1281 |
– – – – – – – – |
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1282 |
„O, nenn’ es nicht ein Traumgesicht! |
1283 |
Nein, Vater, nein! ich träumte nicht; |
1284 |
Weil Traum nur Schlummernden erscheint – |
1285 |
Ich wachte – hätte gern geweint, |
1286 |
Und konnte nicht; in heißer Stirn |
1287 |
Schlug mir der Puls bis tief in’s Hirn, |
1288 |
Nur eine Thräne wünschte ich, |
1289 |
Willkommen hold und neu für mich; |
1290 |
Ich wünsche sie, wie damals noch – |
1291 |
Verzweiflung weigert sie jedoch. |
1292 |
Vergeude dein Gebet nicht mehr; |
1293 |
Verzweiflung ist ja mächtiger, |
1294 |
Ich will nicht, mag nicht selig sein; |
1295 |
Kein Himmel fehlt mir; Rast allein. |
1296 |
Ja, damals war es, Vater! da, |
1297 |
Daß ich sie lebend wiedersah; |
1298 |
In dem Symar erschien sie licht, |
1299 |
Wie dort der Stern aus Wolken bricht, |
1300 |
Den ich wie sie jetzt schaue – doch |
1301 |
Viel holder blickte, blickt sie noch. |
1302 |
Schon ist getrübt sein Zitterschein, |
1303 |
Die Nacht wird morgen dunkler sein, |
1304 |
Und ich – eh’ er sich stralend hebt – |
1305 |
Bin leblos, Schreckbild dem, der lebt. |
1306 |
Doch irr’ schon red’ ich, weil den Geist |
1307 |
Es mächtig hin zum Endziel reißt. – |
1308 |
Ich sah sie, Mönch! und sprang empor, |
1309 |
Vergessend, was ich litt zuvor, |
1310 |
Flog aus dem Bett, und hielt sie fest, |
1311 |
An’s hoffnungslose Herz gepreßt, |
1312 |
Umschloß – ach! was umschloß mein Arm? |
1313 |
Kein Wesen war es, athmend, warm, |
1314 |
Kein Herz schlug meinem Herzen zu, |
1315 |
Und doch – du warst es, Leila! du. |
1316 |
Und so verändert – ach, so sehr! |
1317 |
Mein Auge sieht – mein Arm ist leer. |
1318 |
Doch mag dein Reiz auch kalt nun sein |
1319 |
Schließt nur der Arm mein Alles ein, |
1320 |
Und wär’ es nur für ewig mein! |
1321 |
Doch ach! nur Luft ist’s, was er hält – |
1322 |
Zurück zur öden Brust er fällt. – |
1323 |
Doch – ich seh’noch sie schweigend steh’n, |
1324 |
Und winkend mit den Händen fleh’n! |
1325 |
Helldunkles Aug’! geflocht’nes Haar! |
1326 |
Sie ist nicht todt – es ist nicht wahr! |
1327 |
Doch er ist todt! Ich sah im Thal, |
1328 |
Dort, wo er fiel, sein Grab, sein Mal. |
1329 |
Er steigt nicht aus der Erde Nacht, |
1330 |
Er kann nicht – wie bist du erwacht? |
1331 |
Sie sagten, Wogen rollen wild |
1332 |
Hin über dein geliebtes Bild; |
1333 |
Sie sagten – ach! es klingt so graus, |
1334 |
Die Zunge spricht es nimmer aus – |
1335 |
Ist’s wahr? du flohst die Meeresschlucht |
1336 |
Hast dir ein still’res Grab gesucht? |
1337 |
O! streichle mir mit feuchter Hand |
1338 |
Die Stirne – dann verlischt der Brand; |
1339 |
Mein hoffnungsloses Herz berüh’r! |
1340 |
Ob lebend, ob als Schatten hier – |
1341 |
Erbarm’ dich – scheide nicht von mir! |
1342 |
Ach! oder laß’ uns weiter flieh’n, |
1343 |
Als Winde weh’n und Wasser zieh’n!“ |
1344 |
– – – – – – – – |
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1345 |
„So ist mein Name, meine Beicht; |
1346 |
Verschwieg’nes Ohr, mit leisem Hauch |
1347 |
Hat so mein Jammerloos erreicht. |
1348 |
Dank für die edle Thräne auch, |
1349 |
Die nie mein Auge mehr beschlich! |
1350 |
Zu schlichten Todten lege mich, |
1351 |
Und nur ein Kreuz erhebe sich, |
1352 |
Das Name nicht, noch Sinnbild hat, |
1353 |
Daß nicht des Fremdlings Neugier naht, |
1354 |
Des Pilgers Schritt verweilt am Pfad.“ |
1355 |
Er schied. Zu Name und Geschlecht |
1356 |
Führt keine and’re Spur zurecht, |
1357 |
Als was der Mönch nicht sagen mag |
1358 |
Von seiner Beicht am Sterbetag. |
1359 |
Was kund nur, kann dies Bruchstück sagen: |
1360 |
Wen er geliebt, und wen erschlagen. |
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1361 |
Anmerkungen. |
Details zum Gedicht „Der Giaur“
George Gordon Byron
43
1361
8030
1813
Klassik,
Romantik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der Giaur“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers George Gordon Byron. 1788 wurde Byron in London geboren. Im Jahr 1813 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Prag. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Klassik oder Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Prüfe bitte vor Verwendung die Angaben zur Epoche auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich Literaturepochen zeitlich überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung häufig mit Fehlern behaftet. Das Gedicht besteht aus 1361 Versen mit insgesamt 43 Strophen und umfasst dabei 8030 Worte. Ein weiteres bekanntes Gedicht des Autors George Gordon Byron ist „Ihre Schönheit“. Zum Autor des Gedichtes „Der Giaur“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.
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