Der Wirtin Töchterlein von Ludwig Uhland

Es zogen drei Bursche wohl über den Rhein,
bei einer Frau Wirtin da kehrten sie ein.
 
"Frau Wirtin, hat sie gut Bier und Wein?
wo hat sie ihr schönes Töchterlein?"
 
"Mein Bier und Wein ist frisch und klar;
mein Töchterlein liegt auf der Totenbahr."
 
Und als sie traten zur Kammer hinein,
da lag sie in einem schwarzen Schrein.
 
Der erste schlug den Schleier zurück,
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und schaute sie an mit traurigem Blick.
 
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"Ach lebtest du noch, du schöne Maid,
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ich würde dich lieben von dieser Zeit."
 
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Der zweite deckte den Schleier zu,
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und kehrte sich ab, und weinte dazu:
 
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"Ach, daß du liegst auf der Totenbahr!
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ich hab dich geliebet so manches Jahr!"
 
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Der dritte hub ihn wieder sogleich,
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und küßte sie an den Mund so bleich:
 
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"Dich liebt ich immer, dich lieb ich noch heut,
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und werde dich lieben in Ewigkeit."
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Der Wirtin Töchterlein“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
141
Entstehungsjahr
1787 - 1862
Epoche
Romantik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Wirtin Töchterlein“ wurde von Ludwig Uhland verfasst, einem deutschen Dichter und Literaturwissenschaftler, der von 1787 bis 1862 lebte. Uhland gehört zur Epoche der Romantik und Biedermeier, deren Werke durch Rückzug ins Individuelle, emotionale Intensität und Suche nach dem Unbekannten gekennzeichnet waren.

Auf den ersten Blick erscheint das Gedicht als eine melancholische, traurige Ballade, mit einem dunklen Twist in der Mitte, als die Burschen entdecken, dass das schöne Töchterlein der Wirtin tot ist.

Inhaltlich handelt das Gedicht von drei Burschen, die während ihrer Reise an einem Gasthaus Rast machen. Sie fragen die Wirtin nicht nur nach Bier und Wein, sondern auch nach ihrem „schönen Töchterlein“. Sie erfahren jedoch, dass das Mädchen tot ist und auf der Totenbahre liegt. Als sie ihr Angesicht betrachten, drücken sie jeder auf seine Weise seine Gefühle zur Verstorbenen aus.

Die Aussagen des lyrischen Ichs oder vielmehr der drei lyrischen Ichs variieren. Der erste versichert posthum seine Liebe zu dem Mädchen, der zweite trauert offen, während der dritte sie sogar auf die Stirn küsst und seine immerwährende Liebe beteuert. Diese Dreiteilung könnte eine Betrachtung unterschiedlicher Arten von Liebe oder Trauer sein, von Zurückhaltung, offener Tränen, bis hin zu fast morbider romantischer Sehnsucht.

Das Gedicht besteht aus zehn Strophen, jede Strophe bestehend aus zwei Versen. Dies gibt dem Gedicht eine klare, wiedererkennbare Struktur und einen rhythmischen, fast liedartigen Fluss. Die Sprache ist direkt und unverschnörkelt mit klaren, bildhaften Aussagen, was typisch ist für Uhlands Stil. Die eindringliche Wiederholung des Motivs der Liebe und des Todes schafft eine intensive Atmosphäre und verstärkt die Traurigkeit des Gedichts.

Die romantische Sehnsucht, gleichzeitig jedoch die Konfrontation mit der harten Realität des Todes, ist eine typische Thematik für die Epoche, in der Uhland schrieb, und zeugt von seiner Fähigkeit, tiefe Emotionen in wenigen Versen zum Ausdruck zu bringen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Wirtin Töchterlein“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Ludwig Uhland. Im Jahr 1787 wurde Uhland in Tübingen geboren. Zwischen den Jahren 1803 und 1862 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Romantik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Uhland ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche.

Die Romantik ist eine Epoche der Kunstgeschichte, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis ins späte 19. Jahrhundert hinein die Literatur, Musik, Kunst und Philosophie prägte. Auf die Literatur beschränkt betrachtet reichen die Auswirkungen der Epoche lediglich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hinein. Bis in das Jahr 1804 hinein spricht man in der Literatur von der Frühromantik, bis 1815 von der Hochromantik und bis 1848 von der Spätromantik. Die Gesellschaft des 18. Jahrhunderts galt im Allgemeinen als wissenschaftlich und aufstrebend, was hier vor allem durch die einsetzende Industrialisierung deutlich wird. Die damalige Gesellschaft wurde zunehmend technischer, fortschrittlicher und wissenschaftlicher. Diese Entwicklung war den Romantikern zuwider. Sie stellten sich in ihren Werken gegen das Streben nach immer mehr Gewinn, Fortschritt und das Nützlichkeitsdenken, das versuchte, alles zu verwerten. Wesentliche Motive in der Lyrik der Romantik sind die Ferne und Sehnsucht sowie das Gefühl der Heimatlosigkeit. Andere Motive sind das Fernweh, die Todessehnsucht oder das Nachtmotiv. So symbolisierte die Nacht nicht nur die Dunkelheit, sondern auch das Geheimnisvolle, Mysteriöse und galt als Quelle der Liebe. Merkmale der Romantik sind die Hinwendung zur Natur, die Weltflucht oder der Rückzug in Traumwelten. Insbesondere ist aber auch die Idealisierung des Mittelalters aufzuzeigen. Kunst und Architektur des Mittelalters wurden von den Romantikern wieder geschätzt. Die Romantik stellt die Freiheit der Phantasie sowohl über den Inhalt als auch über die Form des Werkes. Eine Konsequenz daraus ist ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Lyrik und Epik. Die starren Regeln und Ziele der Klassik werden in der Romantik zurückgelassen. Eine gewisse Maß- und Regellosigkeit in den Werken fällt auf.

Das 141 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 10 Strophen. Der Dichter Ludwig Uhland ist auch der Autor für Gedichte wie „Unter der Linden“, „Waldlied“ und „Trinklied“. Zum Autor des Gedichtes „Der Wirtin Töchterlein“ haben wir auf abi-pur.de weitere 57 Gedichte veröffentlicht.

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