An eine Kunstreiterin von Hans Bethge

Wie eine Blume, drüberhin der Lenz
Wind geht; wie eine Tänzerin, die rastend
Das Echo noch des Rhythmus in sich fühlt,
Der sie entzückte, und ihm ohne Willen
Nachgibt: so hockst du vor mir im Gemach,
Und der Duft der Hengste schwebt noch um dein Haar
Und in den Augen noch der Glanz der Lichter,
Und deine Hand fährt über meine Knie,
Liebkosend, träumend, so als streife sie
10 
An eine Welt, mit der sie nichts verbindet,
11 
Und die ihr fern ist wie das Einst und Nie.
 
12 
Du bist der schönste
13 
Gedanke des Frühlings.
 
14 
Du bist der süßeste Hauch,
15 
Der am Abend mich anweht.
 
16 
Du bist die wilde Verzweiflung
17 
Aller, die dich lieben.
 
18 
Ach, du hast in finstere Nacht
19 
Auch mich gehüllt.
 
20 
Wer bist du?
 
21 
Du bist der süßeste Hauch,
22 
Der am Abend mich anweht.
 
23 
Deine feinen Hände
24 
Greifen den Atem der Rosen, die dich lieben.
 
25 
An deinen feinen Brüsten
26 
Hängt der Abend in Glanz und Demut.
 
27 
Aus deinen verdunkelten Augen
28 
Weht Kühle mich an.
 
29 
Die Kühle deines Herzens weht mich an
30 
Aus deinen Augen bei Abend.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.1 KB)

Details zum Gedicht „An eine Kunstreiterin“

Autor
Hans Bethge
Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
30
Anzahl Wörter
176
Entstehungsjahr
1876 - 1946
Epoche
Naturalismus,
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt vom Autor Hans Bethge, der von 1876 bis 1946 lebte. Somit lässt es sich in die Epoche der Moderne einordnen, die durch eine Aufbruchsstimmung und eine damit einhergehende Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen geprägt war.

Das Gedicht hinterlässt beim Leser ein insgesamt eindringliches und sinnliches Bild der beschriebenen Kunstreiterin. Obwohl das lyrische Ich nur indirekt auf die Profession der Frau eingeht, wird ihr Charakter, ihr Wesen und ihre Auswirkung auf den Beschreibenden sehr plastisch dargestellt.

„Inhaltlich handelt das Gedicht von einer berührenden Begegnung zwischen dem lyrischen Ich und einer Kunstreiterin, die ihm fasziniert und entzückt erscheint. Das lyrische Ich betrachtet die Frau sowohl mit intensiver Bewunderung, als auch mit einer Art von unterwürfiger Ehrfurcht und Scheu. Es stellt eine Verbindung zwischen der Frau und der Natur her, Vergleiche mit einer Blume und dem hauch eines Lenzwindes dienen dazu, ihre Schönheit und Anziehungskraft noch stärker hervorzuheben. Gleichzeitig scheint das lyrische Ich eine starke Sehnsucht und Unnahbarkeit zu empfinden, die durch die wiederholte Frage „Wer bist du?“ unterstrichen wird.

In Form und Sprache zeichnet sich das Gedicht vor allem durch eine feine, detailreiche und sinnliche Bildsprache aus. Die Strophen sind orientiert an den japanischen Tanka, sie bestehen aus wenigen kurzen Versen und enden häufig mit einer Frage oder einer konkreten Aussage. Der Text strotzt vor Metaphern und Vergleichen, die die emotionale Bedeutung der beschriebenen Szenen unterstreichen und vertiefen. Die klare, fast schlicht drohnende Sprache trägt zur atmosphärischen Dichte und zur emotionalen Intensität des Texts bei. Es herrscht eine klangliche Harmonie, die durch den Einsatz von Alliterationen und Binnenreimen erzeugt wird. Insgesamt verleiht die Komposition aus Inhalt, Form und Sprache dem Gedicht einen eindringlichen und atmosphärischen Ausdruck.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An eine Kunstreiterin“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Hans Bethge. Der Autor Hans Bethge wurde 1876 in Dessau geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1892 und 1946. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Naturalismus, Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus, Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit, Exilliteratur oder Nachkriegsliteratur zuordnen. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 176 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 11 Strophen. Der Dichter Hans Bethge ist auch der Autor für Gedichte wie „Dasein“, „Hinschlendern“ und „Vision“. Zum Autor des Gedichtes „An eine Kunstreiterin“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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