Der Fremde von Rainer Maria Rilke
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Ohne Sorgfalt, was die Nächsten dächten, |
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die er müde nicht mehr fragen hieß, |
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ging er wieder fort; verlor, verließ —. |
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Denn er hing an solchen Reisenächten |
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anders als an jeder Liebesnacht. |
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Wunderbare hatte er durchwacht, |
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die mit starken Sternen überzogen |
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enge Fernen auseinanderbogen |
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und sich wandelten wie eine Schlacht; |
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andre, die mit in den Mond gestreuten |
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Dörfern, wie mit hingehaltnen Beuten, |
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sich ergaben, oder durch geschonte |
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Parke graue Edelsitze zeigten, |
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die er gerne in dem hingeneigten |
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Haupte einen Augenblick bewohnte, |
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tiefer wissend, daß man nirgends bleibt; |
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und schon sah er bei dem nächsten Biegen |
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wieder Wege, Brücken, Länder liegen |
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bis an Städte, die man übertreibt. |
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Und dies alles immer unbegehrend |
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hinzulassen, schien ihm mehr als seines |
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Lebens Lust, Besitz und Ruhm. |
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Doch auf fremden Plätzen war ihm eines |
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täglich ausgetretnen Brunnensteines |
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Mulde manchmal wie ein Eigentum. |
Details zum Gedicht „Der Fremde“
Rainer Maria Rilke
4
25
135
1918
Moderne
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der Fremde“ stammt vom deutschsprachigen Dichter Rainer Maria Rilke, der von 1875 bis 1926 lebte. Dieses Gedicht fällt daher in die literarische Epoche des Symbolismus und des frühen 20. Jahrhunderts.
Auf den ersten Blick steht das Gedicht im Zeichen der Fremde und der Reise. Das lyrische Ich, vermutlich ein ständiger Reisender, berichtet über seine Erfahrungen und Gefühle, die mit dem Reisen verbunden sind. Dabei werden insbesondere Einsamkeit, Entfremdung und das ständige Unterwegssein thematisiert.
Im ersten Abschnitt bricht das lyrische Ich auf und lässt seine bisherigen Bindungen hinter sich. Es wird deutlich, dass es sich von der Meinung seiner Mitmenschen gelöst hat und stattdessen eine Leidenschaft für das Reisen und die damit verbundenen Nächte entwickelt hat. In den folgenden Abschnitten beschreibt das lyrische Ich verschiedene Stationen und Beobachtungen seiner Reisen, darunter Schlachten, Dörfer, Landschaften und Städte, die er jedoch immer wieder verlässt. Es wird deutlich, dass das lyrische Ich vor allem ein Beobachter und durchreisender Fremder ist, der sich nirgends niederlässt. Doch trotz seiner Distanz und seines Desinteresses an Besitz und Ruhm gibt es dennoch Momente, in denen das lyrische Ich eine gewisse Zugehörigkeit und Verbindung spürt, nämlich wenn es auf seinen Reisen auf vertraute Elemente stößt, wie einen täglich ausgetretenen Brunnenstein.
In Bezug auf die Form und Sprache fällt auf, dass das Gedicht in vier Strophen mit einer variierenden Anzahl von Versen geschrieben ist. Die Sprache ist geprägt von bildhaften und metaphernreichen Beschreibungen, die sowohl die äußere Landschaft als auch die innere Gefühlswelt des lyrischen Ichs widerspiegeln. Darüber hinaus nutzt Rilke eine dichte und komplexe Syntax sowie eine altmodische Sprache, um eine besondere atmosphärische Dichte und Intensität zu erzeugen.
Insgesamt handelt es sich bei „Der Fremde“ um ein Gedicht, das das Thema der Reise und der Fremde in einer tiefgründigen und nuancierten Weise behandelt. Das lyrische Ich scheint eine facettenreiche und ambivalente Beziehung zur Fremde und zum Reisen zu haben: Einerseits ist es die Quelle seiner Freiheit und Unabhängigkeit, andererseits führt sie auch zu Einsamkeit und Entfremdung. Gleichzeitig unterstreicht das Gedicht die Tatsache, dass würde sich trotz aller Entfremdung und Isolation immer wieder Momente der Verbindung und der Zugehörigkeit finden lassen - ein Hinweis auf die universelle menschliche Suche nach Heimat und Identität.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Fremde“ des Autors Rainer Maria Rilke. Im Jahr 1875 wurde Rilke in Prag geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1918 entstanden. Erschienen ist der Text in Leipzig. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Bei Rilke handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 25 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 135 Worte. Der Dichter Rainer Maria Rilke ist auch der Autor für Gedichte wie „Advent“, „Allerseelen“ und „Als ich die Universität bezog“. Zum Autor des Gedichtes „Der Fremde“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 338 Gedichte vor.
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