Der Fischer von Johann Wolfgang von Goethe

Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll,
Ein Fischer saß daran,
Sah nach dem Angel ruhevoll,
Kühl bis an’s Herz hinan:
Und wie er sitzt und wie er lauscht,
Theilt sich die Fluth empor,
Aus dem bewegten Wasser rauscht
Ein feuchtes Weib hervor.
 
Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:
10 
Was lockst du meine Brut
11 
Mit Menschenwitz und Menschenlist
12 
Hinauf in Todesgluth?
13 
Ach wüßtest du, wie’s Fischlein ist
14 
So wohlig auf dem Grund,
15 
Du stiegst herunter, wie du bist,
16 
Und würdest erst gesund.
 
17 
Labt sich die liebe Sonne nicht,
18 
Der Mond sich nicht im Meer?
19 
Kehrt wellenathmend ihr Gesicht
20 
Nicht doppelt schöner her?
21 
Lockt dich der tiefe Himmel nicht,
22 
Das feucht verklärte Blau?
23 
Lockt dich dein eigen Angesicht
24 
Nicht her in ew’gen Tau?
 
25 
Das Wasser rauscht’, das Wasser schwoll,
26 
Netzt’ ihm den nackten Fuß,
27 
Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll,
28 
Wie bey der Liebsten Gruß.
29 
Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;
30 
Da war’s um ihn geschehn:
31 
Halb zog sie ihn, halb sank er hin,
32 
Und ward nicht mehr gesehn.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.9 KB)

Details zum Gedicht „Der Fischer“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
175
Entstehungsjahr
1779
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht „Der Fischer“ wurde von Johann Wolfgang von Goethe geschrieben, einem der bekanntesten und einflussreichsten Schriftsteller der deutschen Literatur. Da Goethe von 1749 bis 1832 gelebt hat, lässt sich dieses Gedicht in die Epoche der Weimarer Klassik einordnen.

Beim ersten Eindruck fällt die romantische und melancholische Stimmung des Gedichts auf. Goethe erzählt die Geschichte eines Fischers, der in Ruhe am Wasser sitzt und fischen möchte, als plötzlich ein feuchtes Weib aus dem Wasser auftaucht. Sie warnt den Fischer und versucht ihn zu locken, mit ihr im Wasser zu sein, was schlussendlich auch gelingt.

In einfachen Worten ausgedrückt, erzählt das Gedicht von der verführerischen Kraft der Natur und der Weiblichkeit, die der Fischer trotz Warnungen nicht widerstehen kann. Das lyrische Ich, der Fischer, repräsentiert die menschliche Neugier und Verwundbarkeit gegenüber der Unbekannten und Gefährlichen.

Formal betrachtet besteht das Gedicht aus vier Strophen mit jeweils acht Versen. Es ist in einem regulären Versmaß mit abwechselnden Jambus und Trochäus geschrieben, was eine rhythmische Regelmäßigkeit schafft. Die verwendete Sprache ist einfacher Natur, aber bildreich und emotional.

Insgesamt scheint Goethe durch dieses Gedicht die Themen Verführung, Tod und Naturliebe zu thematisieren. Der Fischer lässt sich von seiner Sehnsucht und Neugierde leiten und bezahlt dafür letztlich mit seinem Leben. Obwohl er gewarnt wurde, lässt er sich von der verführerischen Stimme der Wasserfrau in die Tiefe ziehen. In diesem Sinne kann das Gedicht auch als Warnung verstanden werden, sich nicht blindlings in unbekannte Situationen oder Beziehungen zu stürzen.

Weitere Informationen

Johann Wolfgang von Goethe ist der Autor des Gedichtes „Der Fischer“. Im Jahr 1749 wurde Goethe in Frankfurt am Main geboren. 1779 ist das Gedicht entstanden. In Leipzig ist der Text erschienen. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Literaturepoche in den Jahren von 1765 bis 1790 und wird häufig auch Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode genannt. Diese Bezeichnung entstand durch die Verherrlichung des Genies als Urbild des höheren Menschen und Künstlers. Der Sturm und Drang knüpft an die Empfindsamkeit an und geht später in die Klassik über. Der Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich dabei gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich aber auch gegen das Bürgertum, das als freudlos und eng galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Die Autoren der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der Literatur, die insbesondere von den Dichtern Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller geprägt wurde. Goethes Italienreise im Jahr 1786 markiert den Beginn der Epoche. Das Todesjahr von Goethe, 1832, markiert das Ende der Weimarer Klassik. In der Literaturepoche sind Einflüsse der Französischen Revolution festzustellen. Ausgangspunkt und literarisches Zentrum der Weimarer Klassik (kurz auch oftmals einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Die Vertreter der Klassik wollten die antiken Stoffe aufleben lassen. Mit der antiken Kunst beschäftigte sich Goethe während seiner Italienreise. Die Antike gilt nun als Ideal, um Harmonie und Vollkommenheit erreichen zu können. Kennzeichnend ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal der Literaturepoche des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Gefühl und Vernunft. Die Dichter haben in der Klassik auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. Schiller, Goethe, Wieland und Herder bildeten das „Viergestirn“ der Weimarer Klassik. Es gab natürlich auch noch weitere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.

Das Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 175 Worte. Weitere Werke des Dichters Johann Wolfgang von Goethe sind „An Lida“, „An den Mond“ und „An den Schlaf“. Zum Autor des Gedichtes „Der Fischer“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 1618 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Das Video mit dem Titel „Johann Wolfgang Goethe Der Fischer (1779) I“ wurde auf YouTube veröffentlicht. Unter Umständen sind 2 Klicks auf den Play-Button erforderlich um das Video zu starten.

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Johann Wolfgang von Goethe

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Johann Wolfgang von Goethe und seinem Gedicht „Der Fischer“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe (Infos zum Autor)

Zum Autor Johann Wolfgang von Goethe sind auf abi-pur.de 1618 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.