Der Engel von Christian Morgenstern

„Wo bist du hin? Noch eben warst du da –
Was wandtest du dich wieder abwärts, wehe,
nach jenem Leben, das ich nicht verstehe,
und warst mir jüngst doch noch so innig nah.
 
Ich soll hinab mit dir in deine Welt,
aus der die Schauer der Verwesung hauchen,
ins Reich des Todes soll ich mit dir tauchen,
das wie ein Leichnam fort und fort zerfällt?
 
Wohl gibt es meinesgleichen, eingeweiht
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in eure fürchterliche Daseinsstufen...
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Doch ich bin’s nicht. Nur wie verworrnes Rufen
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erschreckt das Wort mich Eurer Zeitlichkeit.
 
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Laß mich mein Haupt verhüllen, bis du neu
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mir wiederkehrst, so rein, wie ich dich liebe,
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von nichts erfüllt als süßem Geistestriebe
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und deinem Urbild wieder strahlend treu.“
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Der Engel“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
116
Entstehungsjahr
1914
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht heißt „Der Engel“ und stammt von Christian Morgenstern, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der von 1871 bis 1914 lebte. Da Morgensterns Schaffensperiode mehrheitlich im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert liegt, ist das Gedicht somit in einer literarischen Epoche anzusiedeln, die man gemeinhin als „literarische Moderne“ bezeichnet.

Beim ersten Lesen wirkt das Gedicht sehr emotional, es scheint von einer tiefen Sehnsucht und einem tiefen Schmerz über einen Verlust erfüllt zu sein.

Der Inhalt des Gedichts lässt sich wie folgt zusammenfassen: Das lyrische Ich spricht ein Wesen an, das es als Engel bezeichnet. Es beklagt die Abwesenheit dieses Engels und den Schmerz, den die Wiederkehr zu einer irdischen, sterblichen Welt mit sich bringt. Es zeigt sich nicht bereit, in die Welt des Todes und der Verwesung hinab zu tauchen. Das lyrische Ich scheint von der „Zeitlichkeit“ und „fürchterlichen Daseinsstufen“ überwältigt und ängstigt sich vor den Schrecken der Verwesung und der Vergänglichkeit. Es drückt den Wunsch aus, dem Engel in seiner reinen, geistigen Form wieder zu begegnen.

Formal handelt es sich um ein vierstrophiges Gedicht, wobei jede Strophe aus vier Versen besteht. Die Sprache ist gehoben und zeigt teilweise eine komplizierte Syntax. Unangenehme Themen wie Tod und Verwesung werden in eine metaphorische Sprache gekleidet, so wird z.B. die irdische Existenz mit der „Welt des Todes“ und mit dem „Reich der Verwesung“ gleichgesetzt.

In Summe lässt sich sagen, dass das Gedicht den inneren Konflikt des lyrischen Ichs in Bezug auf das Vergängliche und das Unendliche, das Irdische und das Himmlische thematisiert. Es zeigt das Ausmaß des Schmerzes und der Angst vor der Vergänglichkeit, aber auch die Hoffnung und die Sehnsucht nach der Rückkehr des geliebten Wesens in einer reinen, unvergänglichen Form.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Engel“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Christian Morgenstern. Geboren wurde Morgenstern im Jahr 1871 in München. 1914 ist das Gedicht entstanden. In München ist der Text erschienen. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text der Epoche Moderne zugeordnet werden. Morgenstern ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 116 Worte. Die Gedichte „Anto-logie“, „Bedenke, Freund, was wir zusammen sprachen“ und „Bim, Bam, Bum“ sind weitere Werke des Autors Christian Morgenstern. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Engel“ weitere 189 Gedichte vor.

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