Der Bücherfreund von Joachim Ringelnatz

Ob ich Biblio- was bin?
phile? „Freund von Büchern“ meinen Sie?
Na, und ob ich das bin!
Ha! und wie!
 
Mir sind Bücher, was den andern Leuten
Weiber, Tanz, Gesellschaft, Kartenspiel,
Turnsport, Wein, und weiß ich was, bedeuten.
Meine Bücher – – – wie beliebt? Wieviel?
 
Was, zum Henker, kümmert mich die Zahl.
10 
Bitte, doch mich auszureden lassen.
11 
Jedenfalls: Viel mehr, als mein Regal
12 
Halb imstande ist zu fassen.
 
13 
Unterhaltung? Ja, bei Gott, das geben
14 
Sie mir reichlich. Morgens zwölfmal nur
15 
Nüchtern zwanzig Brockhausbände heben – – –
16 
Hei! das gibt den Muskeln die Latur.
 
17 
Oh, ich mußte meine Bücherei,
18 
Wenn ich je verreiste, stets vermissen.
19 
Ob ein Stuhl zu hoch, zu niedrig sei,
20 
Sechzig Bücher sind wie sechzig Kissen.
 
21 
Ja natürlich auch vom künstlerischen
22 
Standpunkt. Denn ich weiß die Rücken
23 
So nach Gold und Lederton zu mischen,
24 
Daß sie wie ein Bild die Stube schmücken.
 
25 
Äußerlich? Mein Bester, Sie vergessen
26 
Meine ungeheure Leidenschaft,
27 
Pflanzen fürs Herbarium zu pressen.
28 
Bücher lasten, Bücher haben Kraft.
 
29 
Junger Freund, Sie sind recht unerfahren,
30 
Und Sie fragen etwas reichlich frei.
31 
Auch bei andern Menschen als Barbaren
32 
Gehen schließlich Bücher mal entzwei.
 
33 
Wie? – ich jemals auch in Büchern lese??
34 
Oh, sie unerhörter Ese – – –
35 
Nein, pardon! – Doch positus, ich säße
36 
Auf dem Lokus und Sie harrten
37 
Draußen meiner Rückkehr, ach dann nur
38 
Ja nicht länger auf mich warten.
39 
Denn der Lokus ist bei mir ein Garten,
40 
Den man abseits ohne Zeit und Uhr
41 
Düngt und erntet dann Literatur.
 
42 
Bücher – Nein, ich bitte Sie inständig:
43 
Nicht mehr fragen! Laß dich doch belehren!
44 
Bücher, auch wenn sie nicht eigenhändig
45 
Handsigniert sind, soll man hoch verehren.
 
46 
Bücher werden, wenn man will, lebendig.
47 
Über Bücher kann man ganz befehlen.
48 
Und wer Bücher kauft, der kauft sich Seelen,
49 
Und die Seelen können sich nicht wehren.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.5 KB)

Details zum Gedicht „Der Bücherfreund“

Anzahl Strophen
11
Anzahl Verse
49
Anzahl Wörter
288
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Bücherfreund“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, der von 1883 bis 1934 lebte. Ringelnatz war ein deutscher Schriftsteller, Kabarettist und Maler, der insbesondere für seine humoristischen und satirischen Gedichte bekannt ist.

Schon beim ersten Lesen fällt die lebhafte Begeisterung des lyrischen Ichs für Bücher auf. Diese Leidenschaft zeigt sich in verschiedensten Facetten und umfasst nicht nur das Lesen der Bücher, sondern auch den Umgang und das Sammeln von ihnen.

Inhaltlich erläutert das Gedicht auf humorvolle, ja fast schon exzentrische Weise, wie Bücher für das lyrische Ich mehr bedeuten als nur geschriebene Worte. Es spricht von seiner enormen Buchsammlung, die ihm körperliche Ertüchtigung beim Heben der Bände und auch eine gewisse Ästhetik in der Anordnung der Buchrücken bietet. Darüber hinaus beschreibt das Ich Bücher als Kissen und als Pflanzenpressen, verdeutlicht also, dass Bücher eine Vielzahl an Funktionen für ihn haben. Es erklärt schließlich in ironischer Weise, dass es Bücher zwar besitzt, aber eigentlich nur auf der Toilette liest.

Bezogen auf Form und Sprache fällt auf, dass das Gedicht in knappen vierzeiligen Strophen geschrieben ist. Die verwendete Sprache ist umgangssprachlich und durch viele Ausrufe und direkte Anreden geprägt, wodurch eine Nähe zum Leser aufgebaut wird. Die Metaphern und Bilder, die verwendet werden, um die Bedeutung und den Umgang mit Büchern zu beschreiben, sind originell und humorvoll. Auch Wortspiele und Anspielungen (wie „Lokus“ als Ort des Lesens) unterstreichen den humorvollen Charakter des Gedichts.

Das lyrische Ich bringt in diesem Gedicht auf eindrückliche Weise seine tiefe Zuneigung und Hochachtung für Bücher zum Ausdruck, und zwar in all ihren Facetten: als Objekte, als Quelle von Wissen, als Unterhaltung und sogar als Möbelstücke. Es lässt keinen Zweifel daran, dass Bücher für es von unschätzbarem Wert sind. Es schließt das Gedicht mit der Aufforderung, Bücher hoch zu achten, da sie, wenn man will, zum Leben erweckt werden können.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Bücherfreund“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Joachim Ringelnatz. Ringelnatz wurde im Jahr 1883 in Wurzen geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1928 entstanden. In Berlin ist der Text erschienen. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 288 Wörter. Es baut sich aus 11 Strophen auf und besteht aus 49 Versen. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Afrikanisches Duell“, „Alone“ und „Alte Winkelmauer“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Bücherfreund“ weitere 560 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Joachim Ringelnatz

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Joachim Ringelnatz und seinem Gedicht „Der Bücherfreund“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Joachim Ringelnatz (Infos zum Autor)

Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.