Der Bauer, der Hund und der Soldat von Karl Kraus
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»Der Hund ist krank! Was fehlt dem armen Hunde?« |
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»Er ist verwundet, Herr. Das ist der Krieg, |
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und davon eben hat er seine Wunde.« |
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Der Bauer sprach’s und streichelt’ ihn und schwieg. |
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»Wie aber, wann und wo empfing die Wunde |
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der arme Hund? Er kann ja gar nicht gehn!« |
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»Herr, es ist Krieg und da ist es dem Hunde, |
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er stand so da, da ist es ihm geschehn. |
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Der Hund stand da und da kam ein Soldat, |
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der ging vorbei und stach nach meinem Hunde, |
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der keinem Menschen was zu leide tat, |
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nie biß er wen, nun hat er seine Wunde. |
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Seht ihn nur an, es war ein gutes Tier, |
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er dient mir lang’, und in der weiten Runde |
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der beste Schäferhund, er führte mir |
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das Vieh allein, nun hat er seine Wunde. |
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Seht, wie er hinkt. Das tut er seit der Stunde, |
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da der Soldat vorbeikam, der Soldat, |
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der stach nach meinem alten Schäferhunde, |
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der keinen Menschen noch gebissen hat.« |
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»Und warum, glaubt ihr, bracht’ er ihm die Wunde, |
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der Mann dem Hund die schwere Wunde bei? |
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Der Hund ist stumm, sein Blick befiehlt dem Munde |
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für ihn zu sprechen, sprecht nur frank und frei.« |
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»Wir wissen’s nicht. Doch wißt ihr’s selbst wie wir, |
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daß Krieg ist. Mir und meinem armen Hunde |
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und Gott und jedem Kind und auch dem Tier |
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ist es bekannt, und Krieg schlägt jede Wunde. |
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Ich sagt’s euch Herr, der Mann war ein Soldat |
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und wer die Waffe hat, der schlägt die Wunde. |
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Wißt ihr denn nicht, wie viel’s geschlagen hat |
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in dieser gottgesandten Zeit und Stunde?« |
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»So solltet ihr, daß er vom Schmerz gesunde, |
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das arme Tier sogleich mit Gift vergeben. |
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Erschießt ihr ihn, wißt ihr, daß eine Wunde |
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auch Wohltat sei, und helft ihm aus dem Leben!« |
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»Ach Herr, ich ließ’ es nimmermehr geschehn, |
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ich kann nur leiden mit dem armen Hunde. |
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’s ist Krieg, ich kann ein Huhn nicht sterben sehn, |
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’s ist Krieg, da, wißt ihr, gibt es manche Wunde. |
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Der Hund war gut, vorbei ist’s mit dem Hunde, |
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seit der Soldat vorbeiging, ’s ist der Krieg. |
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Man muß es nehmen, was sie bringt die Stunde.« |
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Der Bauer sprach’s und streichelt’ ihn und schwieg. |
Details zum Gedicht „Der Bauer, der Hund und der Soldat“
Karl Kraus
11
44
370
1920
Moderne,
Expressionismus,
Avantgarde / Dadaismus
Gedicht-Analyse
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der Bauer, der Hund und der Soldat“ des Autors Karl Kraus. Im Jahr 1874 wurde Kraus in Jičín (WP), Böhmen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1920. In München ist der Text erschienen. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zuordnen. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 370 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 44 Versen mit insgesamt 11 Strophen. Der Dichter Karl Kraus ist auch der Autor für Gedichte wie „An einen alten Lehrer“, „Auferstehung“ und „Aus jungen Tagen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Bauer, der Hund und der Soldat“ weitere 61 Gedichte vor.
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Zum Autor Karl Kraus sind auf abi-pur.de 61 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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