Was ich liebe von Felix Dörmann

Ich liebe die hektischen, schlanken
Narzissen mit blutrotem munde;
Ich liebe die Qualengedanken,
Die Herzen, zerstochen und wund.
 
Ich liebe die Fahlen und Bleichen
Die Frauen mit müdem Gesicht,
Aus welchen in flammenden Zeichen
Verzehrende Sinnenglut spricht.
 
Ich liebe die schillernden Schlangen,
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So schmiegsam und biegsam und kühl:
11 
Ich liebe die klagenden, bangen,
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Die Lieder voll Todesgefühl.
 
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Ich liebe die herzlosen, grünen
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Smaragde vor jedem Gestein;
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Ich liebe die gelblichen Dünen
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Im bläulichen Mondenschein.
 
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Ich liebe die glutendurchtränkten,
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Die Düfte, berauschend und schwer;
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Die Wolken, die blitzedurchsengten,
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Das graue, wutschäumende Meer.
 
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Ich liebe, was niemand erlesen,
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Was keinem zu lieben gelang:
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Mein eignes, urinnerstes Wesen
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Und alles, was seltsam und krank.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.6 KB)

Details zum Gedicht „Was ich liebe“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
24
Anzahl Wörter
111
Entstehungsjahr
1870 - 1928
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das hier zu interpretierende Gedicht trägt den Titel „Was ich liebe“ und wurde von dem deutschen Dichter Felix Dörmann verfasst, der von 1870 bis 1928 lebte. Diese zeitliche Einordnung verweist auf das Ende des 19. und den Anfang des 20. Jahrhunderts, also auf eine Zeit des gesellschaftlichen Wandels und einer hohen künstlerischen Produktivität, die sich vor allem in der Literatur niederschlug.

Bereits beim ersten Lesen fällt die melancholische Atmosphäre des Gedichts auf. Die Liebe des lyrischen Ichs scheint sich auf Dinge zu richten, die als ungewöhnlich, ja sogar als abstoßend gelten könnten. Das lyrische Ich beschreibt dabei seine Leidenschaft für Dinge, die von der Gesellschaft als seltsam oder krank empfunden werden könnten, wie die „hektischen, schlanken Narzissen mit blutrotem Munde“, „die Qualengedanken, die Herzen, zerstochen und wund“ oder „die schillernden Schlangen, so schmiegsam und biegsam und kühl“. Diese Liebe erstreckt sich auch auf die Natur, insbesondere die „sinnenglut-sprechenden“ Frauen, die „gelblichen Dünen im bläulichen Mondenschein“ oder das „graue, wutschäumende Meer“.

Formal besteht das Gedicht aus sechs vierzeiligen Strophen, die jeweils in einem Kreuzreim (abab) verfasst sind. Diese strenge formale Struktur steht in starkem Kontrast zu den wilden, ungezähmten Bildern, die die Verse erzeugen. Die Sprache des Gedichts ist dabei sehr bildreich und emotional, was den starken, leidenschaftlichen Eindruck verstärkt.

Hinsichtlich der Sprache ist zu bemerken, dass Dörmann einen sehr bildhaften Stil verwendet, der durch den Einsatz zahlreicher Adjektive und Vergleiche geprägt ist. So wird beispielsweise die Liebe zu den „Fahlen und Bleichen Frauen“ durch die Attribute „mit müdem Gesicht“ und „Verzehrende Sinnenglut“ näher charakterisiert.

Insgesamt lässt sich sagen, dass das lyrische Ich in „Was ich liebe“ seine Leidenschaft für die unscheinbaren, rauen Aspekte des Lebens und der Welt zum Ausdruck bringt. Es offenbart eine tiefe Faszination für das Fremde, das Andere, das Unbekannte und das Schmerzliche – ein Thema, das typisch für die Literatur dieser Zeitperiode ist. Es ist eine Auseinandersetzung mit den dunkleren Seiten des Daseins und eine Betonung der individuellen, subjektiven Wahrnehmung der Welt. Es ist eine Einladung, über konventionelle Schönheitsideale hinauszuschauen und die Faszination im Ungewöhnlichen, Unbekannten zu finden.

Weitere Informationen

Felix Dörmann ist der Autor des Gedichtes „Was ich liebe“. Dörmann wurde im Jahr 1870 in Wien geboren. Zwischen den Jahren 1886 und 1928 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus, Avantgarde / Dadaismus oder Literatur der Weimarer Republik / Neue Sachlichkeit zugeordnet werden. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 24 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 111 Worte. Weitere Werke des Dichters Felix Dörmann sind „Abbadon triumphans“, „Die Willis“ und „Ein Abschied“. Zum Autor des Gedichtes „Was ich liebe“ haben wir auf abi-pur.de weitere 89 Gedichte veröffentlicht.

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